An der Spitze kann es bekanntlich einsam werden. Wie das Ego von Führungskräften dazu beiträgt, in einer isolierten Blase zu landen, welche Gefahren drohen – und was dagegen hilft.

Überblick
1. Schon in der griechischen Mythologie gab es das Ego
2. Wozu dient unser Ego?
3. Was sind die Ursachen für ein zu großes Ego?
4. Was sind die Auswirkungen eines übermäßig großen Egos?
5. Was kann man gegen ein übermäßig großes Ego tun?
6. Wann Ego zur Gefahr werden kann

Schon in der griechischen Mythologie gab es das Ego

In der griechischen Mythologie verkörpert die Nymphe „Hybris“ Übermut, Unverschämtheit, Stolz und Arroganz. Darauf basierend haben Psychiater Jonathan Davis und der ehemalige Politiker und Neurologe David Owen ein für Führungskräfte auffälliges Verhalten beschrieben. Sie tauften es „Hybris-Syndrom“.

Was es damit auf sich hat: Den Untersuchungen der Wissenschaftler nach neigen Menschen in Machtposition dazu, ein übermäßig großes Ego zu entwickeln. Dieses würde sich so sehr aufblähen, dass es tendenziell zu Größenwahn kommt. Zwar wären im Gehirn keine physiologischen Veränderungen beobachtbar. Dennoch seien die Verhaltensmuster auffällig ähnlich. Prominente Beispiele seien George W. Bush und Margaret Thatcher.

Typische Anzeichen für ein aufgeblähtes Ego:

  • permanente Selbstüberschätzung
  • ständiger Kampfmodus, um sich immer ins rechte Licht zu rücken
  • die Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung
  • die Erniedrigung von anderen
  • oft Einsamkeit, die eintritt, sobald andere sich langsam distanzieren
  • häufig nur kürzere Beziehungen, um den Bestätigungsdrang immer wieder zu stillen
  • auffällig großes Konkurrenzdenken
  • manipulatives Verhalten
  • Angeberei, Protzerei

Wozu dient unser Ego?

Dein Ego ist nicht per se schlecht. Diplom-Psychologe Christian Hemschemeier beschreibt es gar als eine Art Schutz. Es hilft uns zum Beispiel dabei, uns in ernsten Situationen zu verteidigen und uns für unseren Stolz und unsere Würde einzusetzen. Das Ego hat also seine Daseinsberechtigung.

Einen Haken gibt es aber: Wenn wir zu viel davon haben, kann es toxisch werden. Dann neigen wir insbesondere als Mensch in Führungsposition mit Entscheidungsmacht möglicherweise dazu, unser Ego ordentlich zu „polieren“. Denn bis zum Weg an die Spitze haben wir immer größere Erfolge verbucht. Das schmeichelt dem Ego. Generell schmeichelt dem Ego alles, was mit Anerkennung und den neidvollen Blicken der anderen zu tun hat.

Was sind die Ursachen für ein zu großes Ego?

Grundsätzlich kann hinter einem großen Ego ein geringes Selbstwertgefühl stecken. Erlangen wir Macht und Einfluss, kommt dieses besonders gut zur Geltung. Deshalb sind Menschen mit großem Ego nie „unauffällig“. Sie protzen, zeigen, was sie haben und holen sich überall und zu jeder Zeit ihre Bestätigung ab. Denn das Mitteilungs- und Geltungsbedürfnis ist hoch.

Wichtig: Manchmal handelt es sich auch um ein narzisstisches Verhaltensmuster, welches wir in den Chefetagen häufiger vorfinden. Der ausgeprägte Narzissmus ist jedoch eine Persönlichkeitsstörung, die nicht zwingend vorliegen muss, wenn es um ein aufgeblähtes Ego geht.

Was sind die Auswirkungen eines übermäßig großen Egos?

Je mehr Macht wir erlangen, desto höher steigen wir. Je höher du aber steigst, desto größer ist die Gefahr, dich zum Beispiel von deinen Mitarbeitern zu entfernen. Das ist nicht alles. Auch privat merken wir, wie uns zum Beispiel gute Freunde wegen unseres Verhaltens meiden.

Die Auswirkungen sind konkret:

  • Wir fühlen uns zunehmend schnell von anderen angegriffen, auch wenn diese uns nicht „persönlich“ angreifen.
  • Wir können keine Empathie unseren Mitarbeitern gegenüber zeigen.
  • Wir verlieren das Interesse an Persönlichkeitsentwicklung, da wir uns bereits für unfehlbar halten oder dies zumindest suggerieren. Die persönliche Entwicklung stagniert.
  • Wir neigen dazu, uns immer wieder in den Mittelpunkt zu stellen, was andere verjagt.
  • Wir beginnen, andere zu belügen, um gut dazustehen und von Fehlern gekonnt abzulenken.
  • Wir möchten uns zunehmend weniger in andere hineinversetzen, etwa in unsere Mitarbeiter. Das kann dem Unternehmen schaden, da wir die Bedürfnisse des Teams aus den Augen verlieren.

Was kann man gegen ein übermäßig großes Ego tun?

Möglicherweise landest du in einer Art „Führungsblase“: Niemand steht mit dir auf einer Ebene und distanzierst dich räumlich und gedanklich immer mehr von deinen Mitarbeitern und Kollegen. Suchst du die Nähe, wirst du schnell feststellen, dass du gemieden wirst. So kann das Ego dazu beitragen, dir mehrere Stolpersteine zu stellen. Es hindert dich daran, eine authentische, rücksichtsvolle Führungskraft zu werden.

Was du jetzt tun kannst:

  • Suche aktiv die Nähe der anderen, ohne zu prahlen. Das bedeutet auch: Versuche dich nicht aufzudrängen oder in den Mittelpunkt zu stellen.
  • Gib dich vermehrt mit Kollegen ab, die dein Ego ruhenlassen. Wenn du dich in einer Machtposition befindest, wirst du häufig merken, dass Menschen um dich herum versuchen, dir zu gefallen – und das füttert dein Ego zusätzlich. Umso wichtiger ist die Verbindungssuche nach Gleichgesinnten, die dir jederzeit Paroli bieten können und dir auch mal Ihre Meinung sagen.
  • Übe dich unbedingt in Dankbarkeit. Denn Dankbarkeit steht im Kontrast zu unserem Ego, welches es uns manchmal nicht ganz so einfach macht.
  • Sei bereit für eine persönliche Weiterentwicklung. Auch wenn du viel weißt und dein Wissen gerne teilst – wir lernen nie aus.
  • Verstecke deine Fehler nicht und zeige dich nahbar, um nicht arrogant zu wirken und dein Umfeld zu verscheuchen.

Wann Ego zur Gefahr werden kann

Eine echte Gefahr kann unser Ego dann werden, wenn wir bereit sind, für Ruhm, Anerkennung und Bestätigung Grenzen zu überschreiten. Dann beginnst du, andere emotional zu manipulieren. Auch von dir unterschätztes Feedback kann zur Gefahr werden, wenn du dieses nicht ernst nimmst.

Menschen mit einem großen Ego neigen auch dazu, bevorstehende Aufgaben als lächerlich leicht abzutun. Das bedeutet, dass wir eine echte Herausforderung wegen unserer Selbstüberschätzung schlichtweg unterschätzen – und das kann in ernsten Situationen zur Gefahr werden.

Tipp: Wer als Führungskraft an sich arbeiten möchte, sollte seinen eigenen Wert besser kennenlernen. Geht es dir um Geltung und Bestätigung von anderen? Oder handelst du doch intrinsisch motiviert, also „für dich“ und nicht, um andere zu beeindrucken?

Wir fassen zusammen

Dein Ego erfüllt gleich mehrere Funktionen: Es schützt dich einerseits und führt oft dazu, Höchstleistungen zu erbringen. Denn du befindest du dich dauerhaft in einem Kampfmodus; die Konkurrenz lauert schon.

Andererseits kann zu viel davon auch giftig werden, wenn du in Führungsposition bist. Dann neigst du als Vorgesetzter möglicherweise dazu, die Nähe zu deinen Angestellten und deinen Teamkollegen zu verlieren – und landest so in einer Isolationsblase.

Merke dir: Unser Ego steht einer guten Führung eindeutig im Weg. Ist es zu groß, versperrt es dir den Weg zum Erfolg. Deshalb gilt es, an sich zu arbeiten, um seinem Team ein guter Chef sein zu können.

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