Manchmal frage ich mich, wie meine Mama das eigentlich gemacht hat. Sie erzählte mir von der Zeit, als ich ein Kleinkind war und sie wieder arbeiten musste. Da gab es keine lange Eingewöhnungsphasen, kein behutsames Verabschieden. Der Kindergarten machte um sechs Uhr auf, sie musste um sieben in der Firma sein, ohne Auto – also war es ein schnelles „Abgeben und Gehen“. Kein Raum für Tränen, keine Diskussionen. „Wir hatten keine Wahl“, sagt sie. „Wir mussten pünktlich sein, und du musstest bleiben.“
Wenn ich mir heute ansehe, was wir über die Bedürfnisse von Kindern wissen, wird mir klar: Eigentlich haben wir es heute besser. Die Forschung bestätigt, dass Kinder Zeit brauchen, um sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Dass sie Bindung und Sicherheit brauchen, um sich gut zu entwickeln. Dass eine sanfte Eingewöhnung nicht nur klug ist, sondern ein wichtiger Bestandteil ihrer emotionalen Gesundheit.
Aber wenn ich dann meine eigenes Leben betrachte, spüre ich den Widerspruch. Ich bin Mama von zwei eigenen und drei Bonuskindern. Ich will Karriere machen, ich brauche mein Gehalt – und ich muss meine Kinder zeitig in die Kita eingewöhnen. Genau wie damals meine Mama. Ich weiß, dass sie es härter hatte. Aber fühlt es sich für uns heute wirklich leichter an?
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Wir wissen mehr – aber können wir es auch umsetzen?
Die Gesellschaft hat sich verändert. Wir reden heute viel über Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Über flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, elternfreundliche Arbeitgeber. Es gibt Unternehmen, die genau das ermöglichen – doch es gibt mindestens genauso viele, die sich seit den Tagen meiner Mama kaum bewegt haben.
Ich merke es in Bewerbungsgesprächen. In Arbeitsverträgen, die vorschreiben, dass ich um sieben Uhr morgens da sein muss, obwohl ich genau weiß, dass die Kita erst um halb sieben öffnet. In Arbeitgebern, die von Familienfreundlichkeit sprechen, aber „private Verpflichtungen“ nicht als Grund für flexible Arbeitszeiten gelten lassen.
Der Konflikt ist offensichtlich: Unser Wissen über Kindererziehung ist weiter als unsere Arbeitswelt.
Mamas, die heute „Ansprüche“ stellen – also nicht von Tag eins an ihre Kinder weinend in der Kita zurücklassen, sondern ihnen die Eingewöhnung geben, die sie brauchen – sind nicht faul. Sie sind nicht unmotiviert. Sie wollen arbeiten. Aber sie wollen es so tun, dass ihre Kinder nicht darunter leiden.
Wie es besser gehen könnte – und warum es alle etwas angeht
Es gibt Länder, die das längst verstanden haben. In Schweden oder Dänemark sind flexible Arbeitszeiten und längere Eingewöhnungszeiten bereits Standard. Dort versteht man, dass Eltern, die sich nicht zwischen Job und Kind zerreißen müssen, produktiver sind. Das Mamas nicht weniger engagiert sind, nur weil sie ihre Kinder morgens stressfrei in die Kita bringen wollen.
Auch in Deutschland gibt es Arbeitgeber, die neue Wege gehen. Unternehmen, die Gleitzeit ermöglichen, feste Meetings z. B. erst ab neun Uhr ansetzen oder mobile Arbeit selbstverständlich machen. Leider ist das immer noch die Ausnahme, nicht die Regel.
Ich frage mich: Warum tun sich viele Firmen so schwer damit? Warum wird Elternschaft immer noch als private Herausforderung betrachtet, die man eben „irgendwie organisieren“ muss? Warum gelten Mamas als weniger belastbar, nur weil sie morgens nicht fünf Minuten nach Schichtbeginn auf der Matte stehen, sondern erst um halb neun?
Es ist nicht so, dass wir nicht arbeiten wollen. Wir wollen es nur anders. Und dieses „anders“ ist nicht eine Frage von Komfort – es ist eine Frage von Fortschritt.
Der Druck, den meine Mama hatte – und den ich heute auch noch spüre
Ich will nicht sagen, dass es damals besser oder schlechter war. Es war anders. Meine Mama und ihre Generation hatten weniger Wahlmöglichkeiten. Sie mussten funktionieren. Sie mussten sich den Gegebenheiten anpassen, nicht umgekehrt.
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Heute haben wir mehr Wissen, mehr Möglichkeiten – und trotzdem oft das Gefühl, dass wir uns noch immer zwischen Karriere und Kindern entscheiden müssen.
Das ist der wahre Konflikt. Nicht zwischen Arbeit und Familie. Sondern zwischen dem, was wir längst wissen – und dem, was in der Realität immer noch nicht möglich ist.
Und ich frage mich: Wann holen die Arbeitgeber endlich auf?