Schuldgefühle, Versagensängste, innere Konflikte: Berufstätige Eltern sollten nicht zu hart zu sich selbst sein – davon ist Stanford-Soziologin Dr. Marianne Cooper überzeugt.

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Zur klassischen Rollenverteilung, dass Frauen die Kindererziehung alleine übernehmen und Männer das Geld nach Hause bringen, haben sich heute weitere, moderne Formen des Familienlebens dazugesellt. Zwei erwerbstätige Elternteile sind keine Seltenheit. Neben der finanziellen Absicherung durch die Berufstätigkeit, die sich in Familien oft auch aus einer Notwendigkeit heraus ergibt, und der beruflichen Selbstverwirklichung, müssen Familien sich jedoch mit den dazugehörigen Konflikten herumschlagen, die sich unter anderem in Bezug auf folgende Themen ergeben:

  • Aus- und Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Elternzeit
  • Kinderbetreuung
  • Schulangelegenheiten
  • Qualitätszeit mit den Kindern
  • finanzielle Angelegenheiten
  • Erholung und Urlaub

Die logische Konsequenz: Viele Eltern fühlen sich schlecht, schuldig, gestresst und oft auch einsam mit ihren Problemen, wenn sie ihren eigenen Ansprüchen und denen der Kinder nicht genügen. Der innere Konflikt, sich einerseits um die finanzielle Absicherung der Familie kümmern zu müssen und den Bedürfnissen aller gerecht zu werden und andererseits das Bedürfnis nach Ruhe oder Selbstverwirklichung, ist besonders niederschmetternd.

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Warum Eltern sich so schuldig fühlen

Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 haben Eltern die ohnehin vorhandenen Probleme deutlicher zu spüren bekommen. Homeschooling, Kinderbetreuung und Vollzeitjob – ein Balanceakt. Kommt die Zeit mit den Kindern zu kurz, sind Schuldgefühle und Selbstvorwürfe vorprogrammiert. Nicht selten kommen partnerschaftliche Probleme dazu, die sich aus de stressigen Berufs- und Familienalltag ergeben.

Dr. Marianne Cooper, Stanford-Soziologin und Forscherin, die sich mit der Zukunft der Arbeitswelt, Gender-Themen sowie Diversität und Inklusion beschäftigt, kennt die Probleme von berufstätigen Eltern: Die elterliche Erschöpfung, so Cooper, sei ein Kampf, der seit der globalen Pandemie nur noch schwieriger geworden wäre. Viele Eltern treffen dann die Entscheidung, ihren Beruf aufzugeben und ihren Karriereerfolg zu opfern, um für die Kinder da sein zu können.

Soziologin Cooper findet: Das muss nicht sein. Denn es gibt Wege und Möglichkeiten, davon ist sie überzeugt, welche die vorhanden Probleme auch anders regeln können. Die Schuldgefühle, die Eltern empfinden, ergeben sich zwar vermeintlich aus den eigenen Ansprüchen, die nicht erfüllt werden. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass es sich um ein unrealistisches Streben nach Perfektion handelt, dem niemand gerecht werden kann – auch wenn das gesellschaftliche Idealbild von Eltern schon immer den Anspruch der Perfektion und Makellosigkeit innehatte.

Die Wahrheit ist: Es existieren keine perfekten Eltern. Es geht auch nicht darum, Konflikte „perfekt“ zu vermeiden – sondern um Akzeptanz und den guten Umgang mit schwierigen Situationen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Berufs- und Familienleben vereinen: Wie die Herausforderung gemeistert werden kann

Es gibt mehrere Wege, einen gesunden Umgang mit den Konflikten zu finden, die sich für berufstätige Eltern oder Eltern mit Berufswunsch ergeben. Vieles davon fängt bei einem selbst an – und das ist gut so, weil wir so nicht in das Gefühl der Ohnmacht kommen und nur das kontrollieren, was in unserer Macht liegt. Für alles andere gilt: Es wird Zeit, loszulassen.

Tipp #1: Geht als Eltern nicht zu hart mit euch ins Gericht

Vor lauter Erschöpfung eine halbe Stunde länger schlafen? Für Eltern mit hohen Ansprüchen kommt das nicht in die Kiste. Es ist die unerreichbare Perfektion, nach der wir streben, die uns in den Wahnsinn treibt, wenn eine Situation außer Kontrolle gerät. Innerliche Bestrafungen, etwa permanente Selbstvorwürfe, über die wir uns manchmal nicht einmal bewusst sind, sind kontraproduktiv.

Dr. Marianne Cooper empfiehlt: Eltern sollten sich selbst gegenüber fair und realistisch bleiben. Es ginge darum, ein „ausreichend guter“ Elternteil zu sein – kein perfekter. Wir können nicht spitzenmäßig im Job und zugleich herausragende Eltern sein, die keine Fehler machen. Zumindest nicht langfristig, weil wir Erholung und Ruhe brauchen. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass wir unseren Kindern vorleben, was wir uns auch für sie wünschen; und Rast- und Ruhelosigkeit sowie das Gefühl, nicht zu genügen, das ist sicherlich nicht unser Wunsch für sie.

Zusammenfassend heißt das: Schraubt eure Ansprüche euch selbst gegenüber etwas herunter. Um für die Familie und für den Chef da sein zu können, um beide „Jobs“ zu erledigen, müssen wir vor allem in der Lage sein, unsere eigene „Pausentaste“ zu finden.

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Tipp #2: Lösungswege können mit der Familie besprochen werden

Es klingt banal. Aber Probleme, die im Kontext mit der Familie entstehen, können oft auch gemeinsam mit der Familie gelöst werden. Dies gilt zumindest, wenn es um gemeinsame Kommunikation und über die Verbalisierung von Bedürfnissen geht. Denn im System „Familie“ treffen Bedürfnisse aufeinander und es kommt zu Vorwürfen und Missverständnissen. Allen voran Mütter neigen noch immer dazu, ihre Bedürfnisse in Bezug auf die berufliche Selbstverwirklichung zurückzustecken, um für die Kinder da sein zu können. Das zeigt sich auch in der Berufswahl. Denn im Niedriglohnsektor sind viele Frauen vorzufinden.

Kommunikation und das offene Ansprechen von Bedürfnissen kann dabei helfen, gemeinsam nach Wegen und Kompromissen zu suchen und sicherzustellen, dass sowohl Mütter und Väter als auch Kinder an einen Tisch kommen, Sicherheit aufbauen und Gefühle offen ansprechen. Auch für die Partnerschaft kann es entlastend sein, keine Vorwürfe zu machen, sondern das zu thematisieren, was zu kurz kommt.

Tipp #3: Gebt nicht auf, nach einem familienfreundlichen Arbeitgeber zu suchen

Unflexible Arbeitszeiten sind für berufstätigen Eltern eine große Belastung. Ein Job, der sich den Bedürfnissen einer Familie nicht anpasst, sondern verlangt, dass die Familie nach dem Job geht, bringt langfristig eher Stress – und keine Erfüllung. Weil Familie aber auch bedeutet, unvorhersehbare Ereignisse einzuplanen und flexibel agieren zu können, wenn beispielsweise die Kinder uns brauchen, krank sind oder etwas anderes passiert, sind Eltern auf Arbeitsflexibilität angewiesen. Bei der Planung der Karriere ist es für berufstätige Eltern deshalb unabdingbar, realistisch nach Arbeitgebern zu schauen, die zum eigenen Leben passen – und nicht umgekehrt das eigene Leben in einen Rahmen zu quetschen und zu zwängen, der zum Beruf passt.

Und es ist kein Ding der Unmöglichkeit: Arbeitnehmer werden gesucht und immer mehr Unternehmen bereiten sich auf den neuen Arbeitnehmermarkt vor oder bieten bereits familienfreundliche Arbeitszeitmodelle an. Moderne Arbeitgeber legen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie auf Work-Life-Balance. Gerade Beschäftigte, die für ein Unternehmen mit eher veralteten Vorstellungen arbeiten, sollten sich jetzt umschauen, um nach einer besseren Option zu suchen.

Das Wichtigste: Eltern mit Kindern brauchen eine Auszeit

Die mentale Gesundheit von Eltern steht an oberster Stelle, wenn es darum geht, für die eigenen Kinder da sein zu können. Bei der Wahl des Arbeitgebers sollte dieser Punkt deshalb berücksichtigt werden. Gesundheitsangebote und Arbeitszeiten sowie Leistungsanforderungen, die nicht zu einer Überlastung führen, sind von zentraler Bedeutung. Denn auch und vor allem Eltern brauchen eine Auszeit, um regenerieren zu können.

Übrigens: Wer damit kämpft, Job und Familie zu vereinen und das Gefühl hat, dass alles droht, zusammenzubrechen, sollte kleinere Alltagspausen nicht unterschätzen. Oft geht es gar nicht darum, riesige Erholungsurlaube zu planen – sondern eher darum, auch zwischendurch Energiereserven aufzutanken, indem wir uns Pausen im Alltag ermöglichen und indem wir den Anspruch, perfekte Eltern und berufliche Überflieger sein zu wollen, ablegen. Also: Heute schon die Füße hochgelegt, auch wenn die Küche noch schmuddelig und die E-Mail noch nicht beantwortet ist?

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Bildnachweis: ljubaphoto/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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