Du hast es geschafft: Endlich die Gehaltserhöhung, 500 Euro mehr im Monat, WOW. Doch der Blick auf die Gehaltsabrechnung ernüchtert – nur 270 Euro netto! Wo ist der Rest geblieben? Gleichzeitig freuen sich andere, die ihre Arbeitszeit reduziert haben, über mehr Netto als erwartet. Was ist der Grund?
Gehaltserhöhung: Warum dein Nettogehalt oft weniger steigt als erwartet
Eine dicke Gehaltserhöhung ist auf dem Papier immer ein Grund zur Freude, doch in der Praxis macht sich oft Ernüchterung breit. Die einfache Rechnung „mehr brutto = mehr netto“ geht nicht immer auf. Der Grund liegt im progressiven Steuersystem. Grundsätzlich gilt: Je mehr Geld du verdienst, desto höher ist der prozentuale Steuersatz. Das bedeutet, es gibt keinen einheitlichen Steueranteil, den du von deinem Gehalt abziehst, sondern mit deinem Einkommen steigt auch der Anteil, den du an Steuern an den Staat zahlst.
Ein Beispiel:
Du verdienst 3.500 Euro brutto im Monat und bekommst eine Erhöhung auf 4.000 Euro. Der zusätzliche Verdienst von 500 Euro unterliegt einem höheren Steuersatz, der in diesem Bereich etwa 40 % betragen kann. Von den 500 Euro bleiben netto in Steuerklasse 1 also nur rund 270 Euro übrig.
Kalte Progression ist ein Begriff, der dieses Problem noch verstärkt. Wenn dein Bruttogehalt durch eine Erhöhung an die Inflation angepasst wird, steigt zwar dein Einkommen nominal, aber durch die progressive Besteuerung und steigende Abgaben bleibt dir real meist weniger übrig.
Die Folge: Die Inflation frisst die Erhöhung auf, und dennoch zahlst du mehr Steuern. Am Ende hast du real weniger Kaufkraft zur Verfügung, obwohl dein Gehalt gestiegen ist.
Warum sich Teilzeitkräfte manchmal über mehr Netto freuen
Viele Arbeitnehmer entscheiden sich bewusst für eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit, gehen also mit den Stunden runter – sei es, um mehr Zeit für Familie oder Hobbys zu haben. Oft stellen sie dabei fest, dass ihr Nettogehalt nur geringfügig sinkt. Das liegt daran, dass ein niedrigeres Einkommen nicht nur weniger Steuern und Sozialabgaben bedeutet, sondern auch zu einem größeren Wohlbefinden für die meisten führt. Man lebt schließlich nur einmal.
Mehr Freizeit und Lebensqualität: Weniger Stunden zu arbeiten, schafft Raum für Erholung, persönliche Entwicklung und Ausgleich im Alltag. Während ein höheres Gehalt in Kombination mit mehr Arbeitsbelastung und Stress einhergeht, kann eine reduzierte Arbeitszeit das Gegenteil bewirken: weniger Druck und eine verbesserte Work-Life-Balance.
Zudem wird bei steigendem Gehalt ein immer größerer Teil direkt vom Staat und den Sozialversicherungen einbehalten, was die Freude über das erhoffte Mehr an Geld dämpft. Viele Teilzeitkräfte erkennen, dass ein hohes Gehalt allein nicht unbedingt zu mehr Zufriedenheit führt – oft ist es eher die gewonnene Zeit, die wirklich gut tut.
„Verlustaversion-Effekt“: Wie Erwartungen unser Gehaltsempfinden beeinflussen
Ein weitere Grund, warum viele Menschen sehr enttäuscht darüber sind, wenn die Gehaltserhöhung doch weniger netto bringt als erhofft, ist der sogenannte „Verlustaversion-Effekt“. Wir reagieren stärker auf Verluste als auf Gewinne – logisch, es schmerzt. Wenn du mit 500 Euro mehr gerechnet hast, aber nur 250 Euro bekommst, fühlt sich das wie ein Verlust an – obwohl du objektiv betrachtet deutlich mehr als vorher verdienst.
Gleichzeitig erleben viele Teilzeitkräfte eine positive Überraschung, wenn sie weniger arbeiten, aber netto „fast“ dasselbe verdienen. Klingt paradox – ist es auch. Der Knackpunkt liegt also nicht nur in der Gehaltsabrechnung, sondern auch in unseren Erwartungen und wie wir diese emotional wahrnehmen und damit umgehen.
Tipps, wie du mit Gehaltserhöhungen und -reduktionen umgehst
- Steuersystem verstehen (versuche es): Nutze Brutto-Netto-Rechner, um vorab möglichst realistisch einzuschätzen, wie sich Gehaltserhöhungen oder -reduktionen auf dein Nettogehalt auswirken werden.
- Langfristig planen: Auch wenn dir eine Gehaltserhöhung kurzfristig weniger netto bringt, profitierst du langfristig – zum Beispiel durch höhere Rentenansprüche oder im Worst-Case Fall mehr Arbeitslosengeld.
- Sprich mit deinem Arbeitgeber: Bei Unsicherheiten kannst du dich von der Personalabteilung oder einem Steuerberater beraten lassen. Oft gibt es steuerlich günstigere Alternativen wie zusätzliche Benefits.
- Alternative Benefits verhandeln: Statt nur auf mehr Gehalt zu setzen, können zusätzliche Urlaubstage, flexible Arbeitszeiten oder betriebliche Altersvorsorge als Alternative zum Gehalt ausgehandelt werden.
Mehr Gehalt bedeutet nicht immer mehr Geld
Mehr Brutto bedeutet nicht immer deutlich mehr Netto im Portemonnaie. Besonders durch die progressive Besteuerung und die kalte Progression bleibt von einer Gehaltserhöhung oftmals weniger übrig, als erwartet. Umgekehrt kann eine Arbeitszeitreduzierung aber dazu führen, dass dein Nettogehalt kaum sinkt. Mit der richtigen Planung und realistischen Erwartungen kannst du Enttäuschungen zumindest minimieren.
Was wäre für dich der bessere Deal? Mehr Gehalt und damit die Aussicht auf höhere Rentenansprüche und Sicherheit – oder lieber ein Stück weit mehr Freizeit und eine bessere Work-Life-Balance, auch wenn das Brutto sinkt?