Lange Zeit galt die Work-Life-Balance als erstrebenswertes Modell mit dem Ziel, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt zeigt, dass dieses Konzept nicht nur irreführend, sondern auch undynamisch und einschränkend ist.

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Der Begriff Work-Life-Balance

Die Vorstellung von einem möglichst gleichmäßigen Verhältnis zwischen Arbeitszeit, Familienleben und Freizeitgestaltung wurde mit der Bezeichnung Work-Life-Balance zunächst in den 1980er Jahren in den USA, in den 1990er Jahren dann auch in Deutschland etabliert. Der ursprüngliche Hintergrund betraf vor allem berufstätige Mütter, die meist zusätzlich zu ihrem Beruf den Großteil der Care-Arbeit (vor allem Kinderbetreuung) tragen.

Problematisch beim Verständnis einer Balance zwischen Arbeit und Privatleben ist die häufig damit verbundene Vorstellung der Selbstorganisation. Tatsächlich sind es aber gerade auch die gesellschaftlichen Bedingungen wie auch die Interessen beispielsweise deines Arbeitgebers, die eine gewünschte Balance deutlich erschweren können.

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Unternehmen sind mittlerweile EU-weit dazu verpflichtet, verschiedene Maßnahmen einer Work-Life-Balance umzusetzen, beispielsweise in Form der Elternzeit-Regelungen, des gesetzlichen Urlaubsanspruchs oder der Teilzeitregelungen. Arbeitgeber, die sich aktiv eine Work-Life-Balance Ausrichtung auf die Fahne schreiben, sehen darin auch für ihre eigene Marktposition einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Der Einfluss der digitalen Transformation

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt auf allen Ebenen verändert. Das gilt vor allem für gegenwärtige Arbeitszeitmodelle, die jenseits des klassischen Nine-to-five-Jobs deutlich flexibler geworden sind. Tradierte Muster brechen auf und Unternehmen sind gefordert, ihre Geschäftsmodelle und damit verbundene Arbeitsprozesse zu verändern und neu zu organisieren.

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

1. Homeoffice

Du arbeitest nicht allein oder in vielen Branchen auch gar nicht mehr in den Räumlichkeiten deines Arbeitgebers. Dein Arbeitsplatz ist in deinen privaten vier Wänden, du bist dadurch in der Regel erheblich unabhängiger in deiner Alltagsgestaltung. Du sparst viel Zeit, die du früher für die Wege ins Büro benötigt hast. Mehr Freizeit ist ebenso damit verbunden wie die Option, im Rahmen der sogenannten Vertrauensarbeitszeit ohne Anwesenheitskontrolle arbeiten zu können.

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2. Jobsharing

Teilzeitregelungen sind für viele Arbeitnehmer eine Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Nicht jedes Unternehmen profitiert jedoch von den damit verbundenen meist rigiden zeitlichen Einschränkungen. Das Teilen von Vollzeitarbeitsstellen bietet hierbei für alle Beteiligten eine flexible Lösung, von denen sowohl dein Arbeitgeber als auch du selbst profitieren.

3. Digitales Nomadentum

Bei diesem Arbeits- und Lebensmodell spielt es keine Rolle, von welchem Ort aus und zu welcher Uhrzeit du arbeitest. Entscheidend sind eine jeweils verfügbare digitale Technologie und eine stabile Internetverbindung. Die Ortsunabhängigkeit erlaubt dir größtmögliche Freiheit bei deiner individuellen Lebens- und Arbeitsgestaltung. Dies fördert eine ausgewogene Work-Life-Balance und ermöglicht eine flexible Anpassung deiner Arbeitszeiten und -orte an persönliche Präferenzen und Lebensumstände.

Zudem können Unternehmen durch die Ortsunabhängigkeit ein breiteres Spektrum an Talenten erschließen, da geografische Grenzen keine Rolle mehr spielen. Dieses Arbeitsmodell setzt jedoch auch eine hohe Selbstdisziplin und effektives Zeitmanagement voraus, da die traditionellen Strukturen des Büroalltags wegfallen und die Eigenverantwortung immens steigt.

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Veränderte Zielsetzung von Arbeit und Privatleben

Bei der Work-Life-Balance steht eine klare Trennung zwischen deiner Arbeit und deinem Privatleben im Fokus. Das mag sinnvoll gewesen sein zu Zeiten, in denen flexible Arbeitszeitmodelle nicht vorgesehen waren und eine Aufteilung beziehungsweise Abspaltung die einzige Gelegenheit darstellte, selbst nicht zu kurz zu kommen.
Moderne Arbeitsformen haben jedoch die frühere rigide Grenzziehung zwischen den beiden getrennten Bereichen deutlich verwischt. Damit verbunden hat sich auch der Blickwinkel verändert.

Arbeit gilt heute vielfach nicht mehr als etwas, was du aushalten musst, um dein Auskommen zu haben und dein Privatleben genießen zu können.

Diese Sichtweise impliziert eine negative Perspektive und Einstellung gegenüber der Arbeit selbst und deinem Bezug zu ihr. Ein Verrechnen von Arbeitszeit und Freizeit führt nicht zu mehr „Balance„, sondern zu einem Zuwachs an Unzufriedenheit und einer vermeintlichen Unvereinbarkeit zweier Lebensbereiche.

Das Grundverständnis von Arbeit hat sich nicht zuletzt dank der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitsmodelle vielfach verändert. Das Ziel besteht nicht mehr in einer Trennung der jeweiligen Bereiche, sondern in einer Integration deiner Arbeit in deine jeweilige Lebenssituation.

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Work-Life-Integration als zukunftsweisendes Modell

Arbeit gilt im besten Fall keineswegs als ein separater Bestandteil deines Lebens. Vielmehr ist eine integrative Verbindung beider Bereiche die Sicht der Zukunft. Damit dies gelingt, ist ein Perspektivwechsel zum Thema Arbeit entscheidend. Sie soll dir nicht nur dein Auskommen sichern, sondern dich im besten Fall auch erfüllen und bereichern. Damit dies gelingt, haben Zukunftsforscher verschiedene Perspektiven identifiziert.

1. Sinn in der Arbeit finden

Eine Arbeit, die dir sinnlos und inhaltsleer erscheint, wird dich auf lange Sicht nicht zufrieden machen können. Versuche im Rahmen der gegeben Möglichkeiten eine Tätigkeit zu finden, die dich erfüllt und auch interessiert. Je mehr es gelingt, einen persönlichen und wertschätzenden Bezug zur eigenen Arbeit zu finden, desto leichter lässt sie sich in dein Leben integrieren und als Teil deines Alltags anerkennen.

2. Flexibilität bei der Arbeitsplatzsuche herstellen

Immer mehr Unternehmen bieten flexible Arbeitsmodelle an, die es dir ermöglichen, deine Tätigkeit sinnvoll in deinen Lebensrhythmus einzubinden. Das kann in Form von Homeoffice-Zeiten sein oder auch im Rahmen eines flexiblen Arbeitszeitkontos, das dir hinsichtlich der Gestaltung deiner konkreten Einsatzzeiten viele Optionen bietet.

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3. Engagement im Unternehmen steigert Wohlbefinden

Viele Menschen profitieren sehr davon, wenn sie sich an ihrem Arbeitsplatz engagieren. Wohlbefinden und Zufriedenheit im Unternehmen sind nicht allein Sache deines Arbeitgebers. Gegenseitiges Unterstützen der Mitarbeitenden sowie Projekte zur kreativen Gestaltung der Arbeitsmöglichkeiten versetzen dich in einen handelnden Zustand. Das aktive Unterbreiten von Vorschlägen zur Work-Life-Integration ist hier ebenso hilfreich wie spezielle Mentoring-Programme, bei denen erfahrene Kollegen neuer Mitarbeiter unterstützen.

Work-Life-Balance gilt als irreführendes Modell

Der Begriff Work-Life-Balance gilt heute weitgehend als irreführendes Modell mit einer äußerst problematischen Zielsetzung. Für das persönliche Leben ist eine integrative wechselseitige Beziehung von Arbeit und privatem Alltag vorteilhafter. Dabei geht es jedoch nicht darum, jederzeit verfügbar oder 24 Stunden am Tag in Bereitschaft zu sein. Auszeiten sind selbstverständlich weiterhin wichtiger Bestandteil der Gestaltung deiner Zeit.

Darüber hinaus müssen dir Ressourcen zur Verfügung stehen, die erforderlich sind, um eine sinnvolle Integration von Beruflichem und Privatem überhaupt erst zu gewährleisten. Dazu zählen vor allem flexible Arbeitsmodelle, die es dir erlauben, so selbstbestimmt wie möglich zu handeln. Sinnhaftigkeit und flache Hierarchien sind ebenfalls relevanter Bestandteil einer gelungenen Work-Life-Integration.

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Bild: StefaNikolic/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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