Man hätte es vielleicht für eine Übergangserscheinung halten können: Jogginghose unterm Schreibtisch, das Kind im Spielzimmer, der Kaffee aus der eigenen Maschine. Doch wer dachte, das Home-Office sei nur eine vorübergehend Notlösung, die langsam aber sicher wieder verschwindet, hat sich geirrt. Denn das Home-Office ist gekommen, um zu bleiben.
Laut dem Bewerberausblick 2025 von softgarden rechnet knapp ein Drittel der Bewerbenden damit, dass sie in diesem Jahr mehr Zeit im Home-Office verbringen werden als 2024. Nicht weniger. Nicht gleich viel. Mehr. Und das in einem Jahr, in dem viele Unternehmen ihren Rückruf in die Präsenzkultur wiederholt und verstärkt haben.
Passend dazu zeigt die aktuelle Randstad-ifo-Personalleiterbefragung Q1/2025: Zwei Drittel der Unternehmen wollen an ihren bestehenden Home-Office-Regelungen gar nichts ändern. Nur ein Bruchteil plant überhaupt eine Ausweitung. 9?% denken sogar über eine vollständige Abschaffung nach – im Handel sind es sogar 14?%. Eine Rückkehr ins Büro wird also nicht bloß angestrebt, sie wird teilweise verordnet. Die Diskrepanz zu den Bewerbererwartungen könnte kaum größer sein.
Die Rückkehr als „Wir“-Gefühl verkaufen
Die Erzählung vom Büro als Ort der Innovation, der spontanen Begegnung, des „Wir“-Gefühls – sie wird wieder häufiger bemüht. Führungskräfte berufen sich auf Produktivität, Kultur und Teamspirit, wenn sie die Mitarbeitenden zurückholen wollen. Doch die Reaktion ist verhalten. Nicht laut widersprechend – aber auch nicht begeistert. Denn was da zurückverlangt wird, ist nicht nur ein Ort. Es ist ein Lebensgefühl, das viele nicht mehr aufgeben wollen.
Wer einmal erlebt hat, wie es sich anfühlt, die Kinder morgens zur Schule zu bringen und trotzdem pünktlich im ersten Call zu sein, wer gelernt hat, dass sich Meetings auch so bewältigen lassen, und wer gespürt hat, wie viel Energie es kostet, jeden Tag zu pendeln – der stellt irgendwann nicht mehr die Frage: „Wann muss ich wieder ins Büro?“, sondern: „Warum eigentlich?“
Das Home-Office als K.-o.-Kriterium?
Interessant ist: Nur 27,8 Prozent der Befragten würden sich nicht bewerben, wenn ein Unternehmen kein Home-Office ermöglicht – alle anderen sind zumindest gesprächsbereit. Auf den ersten Blick ein gutes Zeichen für Unternehmen. Auf den zweiten: trügerisch. Denn die Zahlen verschieben sich deutlich, sobald man genauer hinsieht. Besonders Akademiker und die Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren bewerten fehlende Home-Office-Möglichkeiten deutlich kritischer. Für sie ist es nicht eine von vielen Bedingungen – sondern der Lackmustest für Haltung und Zukunftsfähigkeit.
Hier geht es nicht mehr um die Frage, ob man lieber von zu Hause arbeitet. Es geht darum, was Home-Office symbolisiert: Vertrauen, Selbstverantwortung, Rücksicht auf mentale Gesundheit, Vereinbarkeit, Augenhöhe. Wer es anbietet, gilt als fortschrittlich. Wer es verweigert, wirkt wie aus der Zeit gefallen – oder schlimmer: autoritär und rückschrittig.
Wie viel Nähe braucht Arbeit überhaupt?
Die Wunschstruktur der Bewerbenden ist dabei gar nicht so radikal, wie manche Führungskräfte befürchten. Nur 16,9?% wünschen sich (nahezu) vollständige Remote-Arbeit. Der größte Anteil bevorzugt ein bis drei Tage Home-Office pro Woche – oder bei Bedarf. Nur 12,5?% sagen, dass ihnen Home-Office völlig egal sei.
Mit anderen Worten: Die Mehrheit sucht nicht den Rückzug ins Private – sondern den flexiblen, klugen Wechsel. Es ist die Rückkehr der Mitte: nicht radikal ortsunabhängig, nicht komplett präsenzpflichtig. Sondern hybrid – aber sinnvoll. Und sinnvoll heißt: nicht willkürlich.
Wer anordnet, dass alle am Dienstag ins Büro müssen, aber dann Videocalls im Großraumbüro stattfinden, hat das Prinzip nicht verstanden. Präsenz hat heute nur noch dann eine Berechtigung, wenn sie einen Mehrwert schafft. Für das Team. Für die Idee. Für den Menschen.
Bewerbungsgespräche im neuen Code
„Wie haltet ihr es mit Home-Office?“ – diese Frage kommt heute nicht am Ende eines Bewerbungsgesprächs, sondern schon am Anfang. Denn sie verrät mehr als jede Gehaltsverhandlung: Sie zeigt, wie das Unternehmen tickt. Nicht nur über Räume, sondern über Menschen.
Viele Bewerbende haben sich innerlich längst entschieden. Sie wollen nicht nur einen Job. Sie wollen eine Haltung. Und sie prüfen sorgfältig: Wie spricht das Unternehmen über Flexibilität? Wie selbstverständlich ist Remote Work in der Sprache, in der Führung, in der Kultur?
Home-Office ist nicht das Thema – es ist der Prüfstein
Denn am Ende geht es um viel mehr als ein paar Tage zu Hause. Es geht um das neue psychologische Arbeitsbündnis. Um das, was man nicht im Vertrag, aber im Alltag spürt. Um das unausgesprochene Einverständnis, dass Menschen ihr Leben nicht um ihren Job bauen – sondern Arbeit in ihr Leben integrieren wollen.
Wer Home-Office verbietet, sagt damit nicht nur: „Ich will dich im Büro sehen.“ Sondern: „Ich glaube nicht, dass du dich alleine organisieren kannst.“ Und genau darin liegt der Bruch.
Präsenz braucht Begründung – keine Ansage
Die Diskussion ist längst weiter als viele denken. Es geht nicht mehr um Home-Office als Option – sondern um Führung als Haltung. Die Frage ist also nicht: „Kommen wir wieder zurück?“ Sondern: „Was erwartet uns, wenn wir zurückkommen – und warum überhaupt?“