Du kennst diesen Typus: Auch nach einem halben Jahr Betriebszugehörigkeit gebärdet sich der Ängstliche (oder die Ängstliche) noch immer als ahnungsloses Greenhorn.

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Deine Angebote, alle Fragen zu beantworten, nimmt er nicht an, sondern zieht sich in die Passivität zurück und verhält sich reserviert. Wenn er spricht, tut er es leise, man merkt ihm seine Unsicherheit an, vor allem in der Gruppe. Selbst unter vier Augen legt der Ängstliche seine eingeschüchterte Haltung nicht ab und wirkt, als stecke er voller Selbstzweifel. Das kann die Zusammenarbeit ganz schön belasten!

Hinzu kommt, dass der Ängstliche es auch meist nicht schafft, ein flüssiges Kundengespräch zu gestalten. Hier benimmt er sich ebenso defensiv wie in firmeninternen Besprechungen. Du kannst es förmlich spüren, dass sich der Ängstliche nicht traut. Schnell kriegt er das Etikett „keine eigene Meinung“ verliehen – und das bleibt kleben.

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So tickt der Ängstliche

Schüchtern und zurückhaltend nach außen gibt er sich, unfähig, sich in einem größeren Kreis Gehör zu verschaffen. Er ist heillos überfordert, wenn er vor einer Gruppe referieren muss. Das läge an seinen Komplexen, wirst Du vermutlich von ihm hören. Das mangelnde Selbstwertgefühl, das der Ängstliche bereits durch seine Körpersprache ausdrückt, bezieht sich meist sowohl auf das Fachgebiet als auch auf seine Person.

Die meisten Ängstlichen haben es längst aufgegeben, ihre Unsicherheit zu überspielen, sondern zeigen sie mit einem schüchternen, manchmal geradezu hilflosen Lächeln. Diese Technik dient dazu, den Angriffen von anderen vorzubeugen. Wenn ein ängstlicher Kollege spricht, kannst Du ihn manchmal kaum verstehen, vor allem das Ende seiner Sätze versickert unhörbar im Raum. Ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Mensch vage bleiben möchte, weil er sonst eine Attacke befürchtet.

Wie Du garantiert nichts erreichst

Herrsche den Ängstlichen nicht an und verschone ihn mit Aufforderungen, sich zu trauen, sich einen Ruck zu geben oder sich zu überwinden. Da er auf jede Art von Druck hypersensibel reagiert, wird er auch Deine Appelle als solchen empfinden. Dadurch könnte sich seine ängstliche Haltung noch verstärken – bis zur totalen Blockade. Mit Drängeln kommst Du diesem Typ nicht bei, auch nicht mit ausgefeilter Überredungskunst.

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Panisch wird er reagieren, wenn er überfallartig darum gebeten wird, aus dem Stand heraus etwas zu erläutern oder dazulegen. Also kündige Dich lieber an, wenn er über eine Aufgabe oder ein Projekt Auskunft geben soll.

Die richtigen Strategien im Umgang mit dem Ängstlichen

Nichts braucht er dringender als Sicherheit, auch am Arbeitsplatz. Lobe ihn gezielt für das, was er bereits gut im Griff hat. So stärkst Du sein Selbstvertrauen und seine Zuversicht. Fühlt er sich ermuntert und motiviert, empfindet er den Druck nicht mehr so stark – vor allem dann nicht, wenn Du ihn fragst, was er von Dir noch an Unterstützung gebrauchen kann. Er arbeitet meist besser, wenn er einen festen Zeitrahmen hat und sich die Erledigung seiner Aufgaben selbst einteilen kann. Also wird er sich von einer Frage wie „Nächsten Dienstag ist Abgabe. Bis wann kann ich deine Ausarbeitung sehen?“ nicht überrollt fühlen.

Kollegial und konstruktiv verhaltest Du Dich außerdem, wenn Du es übernimmst, die Risiken für den Angsthasen abzubauen. Das kannst Du tun, indem Du mit ihm vor einem Meeting beredest, welche Punkte er ausarbeiten möchte. Hilf ihm mit Referenzen oder Mustern, wie andere es bisher erledigt haben. Der Ängstliche ist froh, wenn er einen Leitfaden hat und eine Checkliste abhaken kann.

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Du darfst ihm auch anbieten, seine Ausarbeitung „vorsichtshalber“ noch einmal kurz zu prüfen, ehe er sie vorlegt. Dabei kann er Dir auch vortragen, was er dazu zu sagen hat. Dein Feedback sollte in erster Linie ermutigend wirken, aber Du musst unbedingt die Fallstricke benennen. Wenn Du sagst „So wird das nicht klappen!“, dann erkläre dem Ängstlichen, warum Du es so siehst. Mache ihm konkrete Vorschläge, die in die gewünschte Richtung gehen.

Auch ängstliche Menschen haben ihre Qualitäten

Diese wirst Du nach und nach kennen und schätzen lernen – wenn Du nicht so vor Selbstbewusstsein strotzt, dass Du Dich nur ständig über den Ängstlichen wunderst oder ihn leise belächelst. Es könnte ja sein, dass Du ihm unterstellst, er wolle sich mit seiner schüchternen und zurückhaltenden Art lediglich interessant machen. Ebenso gut ist es möglich, dass der Ängstliche Dich in Ungeduld versetzt, weil er kaum erkennbare Fortschritte zeigt.

Ferner liegst Du vollkommen richtig, wenn Du Dir sagst, es sei eigentlich nicht Dein Job, einem ängstlichen Kollegen zu mehr Selbstvertrauen zu verhelfen. Doch es zahlt sich auch für Dich aus, wenn Du Dich auf seine Eigenart einstellst. Je mehr Du es hinkriegst, ihn nicht zu laut und ohne Druck in der Stimme anzusprechen, desto mehr Zutrauen wird er zu Dir fassen. Ermutigende Signale wird er nicht übersehen – und irgendwann wirst Du feststellen, dass Du es mit einem Menschen zu tun hast, der durchaus selbstständig und kritisch denkt – sich bisher nur nicht traute, das offen zu zeigen.

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Bildnachweis: iStock.com/grinvalds

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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