Millenials sind „cool“ – oder das wären sie zumindest gerne. In Beziehungen, in Freundschaften und eben auch im Beruf geben sich viele gekünstelt entspannt, machen sich dadurch aber nicht selten selbst einen Strich durch die Rechnung. Was also hat es auf sich mit diesem neuartigen „Cool-Syndrom“ der Generation Y? Wir sehen einmal genauer hin!

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Emotionen sind „out“ – Coolness ist „in“

Bleibe cool, zeige dem Objekt deiner Begierde die kalte Schulter, gebe dich unnahbar, entspannt und gelassen – so oder so ähnlich klingt der Beziehungsratgeber von heute. Das schreit alles schwer nach „Nehme alles hin, zeige bloß keine Emotionen, verleugnen dich selbst“. Dennoch scheint eben diese Coolness das neue Lebensgefühl der Millenials zu sein, und zwar nicht nur in zwischenmenschlichen (Liebes-) Beziehungen, sondern auch im Job.

„Coolness ist das moderne Verfahren, eigene Wärme zu unterdrücken.“
(Almut Adler)

„Cool“ sein – das bedeutet nicht, kalt, verroht oder verbittert zu sein und eine niemals verschwinden wollende Zornesfalte auf der Stirn herumzutragen. Die Coolness der Generation Y ist eher eine Art Gelassenheit. Wer cool ist, lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, regt sich nicht über Kleinigkeiten auf und trägt stets ein Lächeln auf den Lippen. Gelassenheit ist prinzipiell nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine durchaus erstrebenswerte Erfolgseigenschaft.

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Das Problem an der Sache ist nur, dass diese Gelassenheit den wenigsten Menschen in die Wiege gelegt wird. Es braucht in der Regel eine Menge Zeit, Lebenserfahrung und persönliche Weiterentwicklung, um irgendwann diese tiefe, in sich ruhende Gelassenheit zu finden. Es ist also stark zu bezweifeln, dass eine ganze Generation – die Generation Y – deren älteste Vertreter derzeit kaum älter sind als Mitte 30, diese Coolness bereits gefunden und perfektioniert hat.

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Stattdessen steht eine ganz andere These im Raum: Der Großteil der Millenials ist überhaupt nicht so „cool“ wie er sich gibt!

„Cool“ ist das neue „motiviert“

Das neue Motto der Millenials scheint daher zu lauten:

„Wer nicht cool ist, gibt eben vor, es zu sein!“

In Bewerbungen, Gehaltsverhandlungen oder nach dem Berufseinstieg: Früher war Motivation das A und O. Junge Karriereanwärter wuselten durch das Unternehmen, versuchten sich hier und dort einzubringen und rannten nicht selten mit hochrotem Kopf gestresst durch die Büros. Das funktionierte: Langsam hangelten sie sich von einer Beförderung zur nächsten und dadurch nach und nach die Karriereleiter hinauf. Zumindest so lange, bis früher oder später das häufig unvermeidbare Burnout zuschlug und der Fall tief war.

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Vielleicht sind genau diese steigenden Zahlen stressbedingter Erkrankungen der Grund dafür, dass die Millenials ihr Arbeitsleben jetzt anders angehen möchten als ihre Vorgängergenerationen. „Besser machen“ will es doch jede Generation, das ist völlig normal und so ein Generationenkonflikt ist bis zu einem gewissen Maß auch durchaus als positiv zu bewerten. Ob die neue Coolness der Millenials hierfür aber die richtige Lösung ist, sei einmal infrage gestellt.

Coolness vs. Selbstentfaltung – Das Spannungsfeld der Millenials

Wer von Natur aus gelassen, also „cool“, ist, wurde mit einer wahrlich nützlichen Eigenschaft für das moderne Berufsleben geboren. Ein gewisser Grad an Gelassenheit schützt dich vor dem ständigen Termindruck der heutigen Arbeitswelt, vor einem hohen Blutdruck aufgrund ständiger Konflikte und vor stressbedingten Erkrankungen jeder Art.

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„Coolness“ bereitet dich optimal auf die harte Welt der Führungsetagen und ausgefahrenen Ellenbogen vor.

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Diese angeborene Coolness mag, wie bereits erwähnt, aber eher die Ausnahme sein als die Regel. Die meisten Menschen, vor allem im jüngeren Alter wie die Generation Y, haben ihre Emotionen noch nicht so gut unter Kontrolle. Sie sind vor einer Präsentation aufgeregt, nehmen Kritik viel zu persönlich und schäumen über vor Freude bei einer noch so geringen Gehaltserhöhung. Und das ist auch gut so. Denn „Coolness“ kann zwar aus Lebenserfahrung und einer gesunden Form der Gelassenheit resultieren. Was aber gerade bei älteren Arbeitnehmern und Führungskräften häufig zu beobachten ist, ist vielmehr eine Art der inneren Kälte, ein Abgeschottetsein von den eigenen Emotionen oder sogar eine Form der Resignation und Verbitterung.

„Coolness kannst du dir nicht kaufen. Cool bist du dann, wenn du ganz du selbst bist.
Aber versuch ja nicht, cool zu sein – das ist extrem uncool.“
(Will Smith)

Will Smith bringt es auf den Punkt: Cool ist, wer er selbst ist. Und genau das ist ein grundlegendes Streben der Millenials. Sie wünschen sich persönliche Freiheit und Raum zur Selbstentfaltung. Die vorgegaukelte Coolness ist davon aber das exakte Gegenteil. Sie ist eine Form der Anpassung an eine Arbeitswelt, in welcher sich die Generation Y erst einmal ihren Platz erkämpfen muss. Vielleicht ist es auch die Unsicherheit, wie „richtiges Verhalten“ im Job denn eigentlich geht. Also wird einfach nach rechts und links gesehen und von den anderen, angeblich so „coolen“, Millenials abgekupfert. Wenn Coolness also Anpassung bedeutet, die Millenials aber eigentlich nach Selbstentfaltung streben, entsteht daraus ein für die Gesundheit gefährliches Spannungsfeld.

„Ja und Amen“ – Die neue Mündigkeit der rebellischen Generation Y

Wir haben jetzt viel über die Coolness der Millenials im Berufsleben gesprochen. Aber wie genau äußert sich diese eigentlich? Ganz einfach: Die Generation Y, welche eigentlich einen rebellischen, schwierigen oder egoistischen Ruf genießt, sagt im Berufsleben immer häufiger zu allem „Ja und Amen“. Überstunden? Klar! Noch mehr Workload? Kein Problem! Gehaltserhöhung einfordern? Brauch‘ ich nicht!

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Das alles, kombiniert mit ein paar Floskeln à la „Yo, was geht“ oder „Klar Digger, kein Stress“ und einem stets entspannten Lächeln auf den Lippen, ergibt dann das neue Phänomen der Millenials, welches wir an dieser Stelle einmal als „Cool-Syndrom“ betiteln möchten. Der „coole“ Millenial ist unmündig und widerspricht dadurch all seinen Werten und seinem Ruf. Das mag Arbeitgebern auf den ersten Blick zwar besser gefallen als die öffentlich promotete Rebellion der Generation Y, auf den zweiten Blick schadet das „Cool-Syndrom“ aber vor allem einem: dem Arbeitnehmer selbst – und dadurch auf lange Sicht auch seiner Karriere.

Wie das „Cool-Syndrom“ der Gesundheit schadet

„Ja und Amen“ sagen – diese Einstellung hat in der Geschichte der Menschheit bereits viel Leid verursacht. Und auch für die Millenials ist sie eine alles andere als löbliche Arbeitsmoral. Wer vorgibt, „cool“ zu sein, verleugnet sich dadurch ein Stück weit selbst. Emotionen – vor allem negativer Art – werden unterdrückt, persönliche Grenzen überschritten und wahre Bedürfnisse verschwiegen. Was für das soziale Umfeld und den Arbeitgeber zwar angenehm sein mag, bedeutet für dich dann ein hohes Maß an Fremdbestimmung und Selbstverleumdung. Auf Dauer entstehen daraus (noch mehr) negative Emotionen wie Frust, Minderwertigkeitsgefühle und Aggressionen.

„Keine Depression ohne Repression.“
(Peter Rudl)

du beginnst, dein soziales Umfeld für die ständigen Grenzüberschreitungen und die hohen Erwartungen, deinen Job für die sinnentleerte Tätigkeit oder den andauernden Stress und dich selbst dafür, dass du all das ohne ein Widerwort erduldest, zu hassen. Aus unterdrückten Aggressionen entstehen früher oder später Depressionen. Gekoppelt mit physischer und psychischer Überlastung hätten wir es dann in Perfektion: das klassische Burnout-Syndrom.

Fazit: Im (Berufs-) Leben gibt es nichts geschenkt

Fakt ist einfach: Mit dem „Cool-Syndrom“ kommst du im Berufsleben nirgendwo hin außer in ein handfestes Burnout. Im Leben wird dir bekanntlich nichts geschenkt und wer im Job keine Persönlichkeit beweist, für sich selbst einsteht, authentisch ist und mutig, eignet sich nicht als Führungskraft und wird daher auch für immer in einem mittelmäßigen Job mit ebenso mittelmäßiger Bezahlung und mittelmäßiger Zufriedenheit verharren. Aber die Millenials sind ja angeblich stolz darauf, nicht so „karrieregeil“ zu sein wie ihre Vorgängergenerationen und alles besser zu machen. Die Frage ist nur, ob es sich bei dieser neuen „Coolness“ und der ablehnenden Haltung gegenüber hierarchischem Aufstieg nicht vielleicht von Vornherein um eine Art der Resignation handelt?

Die (gesundheitlichen) Folgen sind jedenfalls dieselben – und die Generation Y scheint doch nicht aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt zu haben. Zumindest solange sie nicht ihre Coolness ablegt und dem Ruf, der ihr vorauseilt, auch tatsächlich gerecht wird: Selbstverwirklichung, persönliche Freiheit und Sinnhaftigkeit – das sind angeblich die Ideale der Millenials. Und das klingt alles in allem doch viel „cooler“, oder? Menschen sind schließlich keine Roboter – nicht im Job und auch nicht in (Liebes-) Beziehungen. Zum Glück!

Bildnachweis: Photo by Eddie Kopp on Unsplash

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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