Gleich vorweg: Leistung allein reicht nicht. Wer in Deutschland ein hohes Gehalt erzielen will, muss an ganz bestimmten Stellschrauben drehen – und nicht alle davon haben mit Fleiß zu tun. Die gute Nachricht: Viele dieser Faktoren lassen sich gezielt beeinflussen. Die schlechte: Einige eben nicht. Doch wer sie kennt, kann strategisch seine Karriere planen und damit das eigene Einkommen spürbar steigern.
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Ein Blick in aktuelle Gehaltsdaten, u. a. von Stepstone, dem Statistischen Bundesamt und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), zeigt: Bildung, Branche, Region – das sind keine abstrakten Parameter, sondern konkrete Gehaltshebel. Und sie entscheiden oft drastischer über das Einkommen als die individuelle Leistung.
1. Personalverantwortung: Der stärkste Gehaltshebel
Wer führt, verdient mehr – und das nicht zu knapp. In Deutschland ist Personalverantwortung einer der stärksten Gehaltsfaktoren überhaupt. Der Unterschied ist messbar und signifikant: Führungskräfte verdienen im Median rund 53.250 Euro pro Jahr, während Fachkräfte ohne Personalverantwortung bei 43.300 Euro liegen. Das entspricht einem Plus von 23 Prozent – für viele ein Sprung in eine ganz andere Gehaltsliga.
Doch Personalverantwortung bedeutet mehr als ein Titel auf der Visitenkarte. Wer ein Team führt, trägt nicht nur Verantwortung für Ergebnisse, sondern auch für Menschen, Konflikte und Entwicklung – und genau das wird bezahlt. Der Preis ist mehr Druck, der Lohn mehr Einkommen. Für Berufstätige stellt sich deshalb die strategische Frage, ob sie bereit sind, eine Führungsrolle zu übernehmen und damit auch mehr zu verdienen – denn in vielen Unternehmen ist beides untrennbar miteinander verbunden.
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2. Bildungsgrad: Investition in die Zukunft
Kaum ein Faktor beeinflusst das Einkommen in Deutschland so nachhaltig wie der formale Bildungsabschluss. Je höher der Abschluss, desto höher meist auch das Gehalt. Denn laut dem Statistischen Bundesamt (April 2024) verdienen Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Schnitt 3.287 Euro brutto im Monat. Mit einer abgeschlossenen Ausbildung steigt das Einkommen auf durchschnittlich 3.973 Euro. Wer einen Masterabschluss mitbringt, liegt bereits bei 6.850 Euro, Promovierte sogar bei durchschnittlich 9.296 Euro brutto monatlich.
Über die Lebenszeit gerechnet ergibt sich daraus ein massiver Gehaltsunterschied: Eine Studie des IAB zeigt, dass Hochschulabsolventen im Laufe ihres Erwerbslebens im Schnitt über 830.000 Euro mehr verdienen als Fachkräfte mit Ausbildung. Nicht, weil sie zwingend mehr leisten, sondern weil unser Arbeits- und Leistungssystem höhere Abschlüsse mit mehr Geld belohnt.
Das mag man kritisieren. Aber wer strategisch denkt, nutzt es. Besonders relevant: Auch berufliche Weiterbildung kann den gleichen Effekt erzeugen, etwa durch Fachwirt-, Meister- oder Technikerabschlüsse. Diese gelten als gleichwertig zum Bachelor und zahlen sich in vielen Branchen ebenfalls aus. Die entscheidende Frage ist, welche Zusatzqualifikation den eigenen Marktwert am stärksten erhöht.
3. Branche: Kapitalstarke Sektoren dominieren
Neben Funktion und Qualifikation entscheidet vor allem eines über die Gehaltshöhe: die Branche. Oder konkreter gesagt: Wie viel Geld in der Branche bewegt wird?
Das Mediangehalt in der Medizin liegt mit Abstand an der Spitze, Ärzte verdienen im Median 98.750 Euro jährlich. Dahinter folgen klassische Karrierebranchen wie das Bankwesen, Finanzen und Versicherungen (59.500 Euro), Ingenieurwesen (58.500 Euro) sowie IT (58.000 Euro) und Consulting (58.250 Euro).
Am unteren Ende der Skala: Gastronomie & Hotellerie (37.250 Euro) sowie der Einzelhandel (37.750 Euro). Es sind Sektoren mit hoher Personalintensität, geringeren Margen und oft geringen Möglichkeiten zur Ergebnisbeteiligung – hier fehlt häufig der Spielraum für überdurchschnittliche Gehälter.
Was das für Arbeitnehmer bedeutet: Wer sein Fachwissen branchenübergreifend einsetzen kann – etwa als IT-Spezialist, Controller, Ingenieur oder Projektmanager –, sollte sich bewusst fragen: Ist mein Know-how in einer anderen eventuell Branche mehr wert?
Natürlich kann nicht jeder von heute auf morgen von der Gastronomie ins Bankwesen oder gar in die Medizin wechseln. Aber: Viele Kompetenzen – etwa in IT, Controlling, Projektmanagement, Marketing oder Vertrieb – sind branchenübergreifend gefragt. Wer solche übertragbaren Fähigkeiten hat, kann durchaus von einer strukturschwachen in eine finanzstarke Branche wechseln und damit sein Gehalt um mehrere tausend Euro pro Jahr steigern, ohne dass sich die Tätigkeit im Kern grundlegend verändert.
4. Unternehmensgröße: Größe zahlt sich aus
Kleine Unternehmen bieten oft mehr Nähe, große Unternehmen oft mehr Gehalt. Der Zusammenhang zwischen Firmengröße und Einkommen ist in Deutschland eindeutig: Je größer das Unternehmen, desto höher der Lohn. Und zwar in fast allen Branchen.
Laut Stepstone verdienen Arbeitnehmer in Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden im Median 57.750 Euro, während Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden 40.500 Euro zahlen. Größere Unternehmen zahlen in der Regel höhere Gehälter und bieten strukturierte Entwicklungsprogramme sowie Investitionen in Weiterbildung und moderne Benefits.
Heißt: Wer ausschließlich im kleinen Mittelstand unterwegs ist, hat oft weniger Verhandlungsspielraum, unabhängig vom individuellen Können. Umgekehrt lässt sich mit einem Wechsel in ein größeres Unternehmen oft ein signifikanter Gehaltssprung erzielen, ohne dass man die Branche oder den Beruf wechseln muss. Das bedeutet nicht, dass Großunternehmen per se „besser“ sind. Aber sie belohnen systemisch anders und das spiegelt sich im Gehaltszettel wider.
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5. Region: Das Süd-Nord- und Ost-West-Gefälle bleibt real
Gleiche Arbeit, anderes Bundesland – und plötzlich sind es tausende Euro weniger oder mehr im Jahr. Wo du arbeitest, ist in Deutschland fast so entscheidend wie was du arbeitest. Denn das regionale Gehaltsgefälle ist nicht verschwunden, es hat sich nur verschoben.
An der Spitze liegt laut Stepstone Gehaltsreport 2025 die Hansestadt Hamburg mit einem Mediangehalt von 52.000 Euro, dicht gefolgt von Baden-Württemberg und Hessen mit jeweils 50.250 Euro. Diese Regionen profitieren von starker Industrie, einer hohen Unternehmensdichte und einer überdurchschnittlichen Tarifbindung.
Am unteren Ende stehen die ostdeutschen Bundesländer: Der Medianlohn in Ostdeutschland liegt bei 39.250 Euro, in Westdeutschland hingegen bei 46.900 Euro – ein Unterschied von fast 20 Prozent. Zwar wird oft argumentiert, dass auch die Lebenshaltungskosten niedriger seien. Doch diese kompensieren das Gefälle nicht im selben Maße, vor allem nicht in Städten wie Leipzig oder Dresden, wo die Mieten steigen, die Löhne aber ein Stück weit hinterherhinken.
Berufstätige sollten sich daher fragen: Lohnt sich ein Standortwechsel – oder zumindest das Pendeln – strategisch? Denn dieselbe Qualifikation wird in Frankfurt, Stuttgart oder München deutlich besser bezahlt als in strukturschwächeren Regionen.
Das zeigt: Gehaltsoptimierung ist nicht nur eine Frage des Jobs, sondern auch der Postleitzahl – und manchmal auch der täglichen Pendelstrecke.
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6. Berufserfahrung: Zeit wird bezahlt – aber nicht überall gleich
Mehr Jahre im Job bedeuten automatisch auch mehr Geld, so die weitverbreitete Annahme. Und tatsächlich: Berufserfahrung wirkt sich positiv auf das Gehalt aus. Aber nicht automatisch und nicht überall in gleichem Maße.
Im öffentlichen Dienst ist die Gehaltsentwicklung weitgehend an die Jahre der Berufserfahrung gekoppelt. Hier entscheiden die sogenannten „Erfahrungsstufen“ (bei Beamten) bzw. „Entgeltgruppen“ und „Stufen“ (bei Tarifbeschäftigten) über den Verdienst – und diese steigen mit der anerkannten Erfahrung, auch aus vorherigen oder verwandten Tätigkeiten. Transparenz und Planbarkeit: sehr hoch. Dynamik: gering.
In der Privatwirtschaft hingegen hängt der Wert von Berufserfahrung stark vom Kontext ab. Wer zehn Jahre das Gleiche macht, hat nicht zwangsläufig einen höheren Marktwert als jemand mit fünf Jahren, der sich stetig weiterentwickelt hat. Erfahrung zählt, aber nur, wenn sie mit Kompetenzwachstum verknüpft ist.
Besonders wertvoll wird Erfahrung dort, wo sie knapp ist: in technischen Berufen, im Projektmanagement oder in Führungsfunktionen. In diesen Bereichen kann relevante Berufserfahrung der entscheidende Hebel sein, der aus einem Mittelklassegehalt ein Spitzengehalt macht – vor allem, wenn sie mit Verantwortung kombiniert wird.
Strategischer Gedanke: Wer mehr verdienen will, sollte nicht nur auf Jahre setzen, sondern darauf, was man in diesen Jahren erlent und bewegt hat. Denn Gehalt bemisst sich nicht an Zeit allein, sondern am Wert, den man einem Unternehmen liefert.
Qualifikation schafft Spielraum – auch beim Gehalt
Der deutsche Arbeitsmarkt ist in Bewegung. 49 Prozent der Unternehmen sehen 2025 laut aktuellen Studien die Arbeitnehmer immer noch in der stärkeren Verhandlungsposition. Der Fachkräftemangel ist also immer noch ein großes Thema, besonders in kleinen Betrieben: Dort geben sogar 57 Prozent der Betriebe mit unter 49 Mitarbeitenden an, dass Bewerber am längeren Hebel sitzen.
Gleichzeitig verstärkt der demografische Wandel den Druck: Bis 2039 erreichen rund 13,4 Millionen Erwerbspersonen der Babyboomer-Generation das Rentenalter – das sind knapp 31 % aller heutigen Beschäftigten. Die jüngeren Jahrgänge werden diese Lücke zahlenmäßig nicht füllen können. Das bedeutet: Wer gut qualifiziert ist oder sich gezielt weiterbildet, wird künftig noch mehr Auswahl, Einfluss und Spielraum auf dem Arbeitsmarkt haben und somit auch ein hohes Gehalt erzielen können.
Sechs Faktoren. Manche kannst du nicht ändern – Herkunft, Alter, Standort. Aber viele andere sehr wohl: Branche, Verantwortung, Weiterbildung, strategischer Jobwechsel.
Verwendete Quelle: Stepstone Gehaltsreport 2025, DESTATIS, DIHK, IAB, ifo Institut