Hoch pokern beim Gehalt? Eine neue Forschungsstudie zeigt, welche Folgen aus zu hohen Forderungen im Bewerbungsgespräch resultieren.

Ein selbstbewusstes Auftreten bei Gehaltsverhandlungen ist en vogue. Verhandlungsgeschick ist von Vorteil. Aber es genügt nicht, um Wunschgehalt und Traumjob zu bekommen. Wer seine Chancen steigern will, sollte vor allem realistisch bleiben, wie eine aktuelle Studie des Verhandlungsforschers Yossi Maaravi und der Psychologin Sandra Segal nahelegt.

Die Wissenschaftler haben eine Pilotstudie sowie mehrere Forschungsexperimente mit Probanden, unter anderem mit Personalverantwortlichen aus verschiedenen Ländern durchgeführt, um zu bewerten, wie Gehaltsforderungen sich im Bewerbungsgespräch auswirken.

Die Forschungen hätten den Hintergrund, dass zwar mehrere Studien zu anderen Themen existierten, etwa zum Thema Mitarbeiterzufriedenheit, so die Wissenschaftler. Nicht ausreichend untersucht worden wäre jedoch das Vorgehen von Jobsuchenden bei ihren Verhandlungen um ihr Gehalt, wenn diese sich bei einem potenziellen Arbeitgeber bewarben.

Gehaltsforderung sollte hoch, aber nicht unrealistisch sein

Das zentrale Ergebnis der Forschungen fasst Autor Maaravi zusammen: Man solle als Bewerber schon zu Beginn die berufsspezifischen Gehälter kennen und sich auf diese fokussieren, um das bestmögliche Resultat für sich erzielen zu können. Dabei sei es vor allem wichtig, das höchstmögliche Gehalt, welches innerhalb der akzeptablen und üblichen Geldspanne liege, einzufordern – aber dabei auch realistisch zu bleiben und diese spezifische Grenze nicht zu überschreiten.

Denn eine zu hohe Gehaltsforderung hätte gleich zwei negative Effekte:

  1. Sinkende Chancen: Wer es übertreibt, muss mit einer Jobabsage rechnen und vermasselt sich damit vielleicht eine bedeutende Karrierechance.
  2. Unbeliebtheit: Ist das geforderte Gehalt so hoch, dass es weit über der branchenüblichen Grenze liegt, machen sich Bewerber unsympathisch. Je höher dieses lag, desto schlechter bewerteten Probanden die Jobkandidaten in Sachen Popularität.

Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Auch geschlechtsspezifische Auswirkungen wurden bei der Studie zum Thema Gehaltsverhandlungen im Bewerbungsgespräch unter die Lupe genommen. Laut Studienautoren seien in dieser Hinsicht jedoch keine gravierenden Unterschiede erkennbar. Sowohl männliche als auch weibliche Bewerber hätten demnach die gleichen Chancen, wenn sie zu hoch oder zu niedrig pokerten. In puncto Sympathie wurden sowohl Frauen als auch Männer insgesamt schlechter bewertet, wenn die Forderungen als „zu hoch“ eingeschätzt worden sind.

Warum wirken zu hohe Gehaltsforderungen unsympathisch?

Obwohl wegen des Bewerbermarktes immer wieder dazu geraten wird, selbstbewusst aufzutreten und mutige Forderungen zu stellen, gehen die Vorstellungen von Bewerbern und Arbeitgebern immer noch weit auseinander. Zwar sind viele Unternehmen bereit, mehr zu zahlen, um attraktiver für Fachkräfte zu werden. Dennoch halten sie sich an ihre Prinzipien und internen Vorgaben, die zum Beispiel eine spezielle Obergrenze bei Verhandlungen beinhalten.

Eine übertriebene Gehaltsforderung kann unsympathisch machen, weil sie vielleicht darauf hindeutet, dass jemand seinen Wert maßlos überschätzt. Dies kann auch ein Hinweis auf eine potenzielle Zusammenarbeit geben: Werden Fähigkeiten und Können überschätzt, fehlt der Realitätsbezug, sodass Entscheidungen immer auch mit größeren Risiken im Joballtag einhergehen, auch wenn ein gewisses Maß an Risikobereitschaft sogar förderlich sein kann.

Weitere Studie zeigt ähnliche Resultate

Auch eine Softgarden-Studie, die sich mit dem Gehalt in Bewerbungsgespräch befasst, zeigt eine ähnliche Tendenz: Bewerber, die über das Ziel hinausschießen und zu viel verlangen, manövrieren sich demnach eher ins Abseits. Gleichzeitig wird betont, dass die Gehaltsintelligenz auch dann fehle, wenn Jobkandidaten sich schlicht und ergreifend zu billig verkauften. Wer demnach zu niedrig pokert, erhalte nicht das, was dem eigenen Wert entspreche.

Zugleich wird darauf hingewiesen, dass auch Arbeitgeber gefragt sind: Die meisten Umfrageteilnehmer verlangen mehr Transparenz in Bezug auf die Bezahlung – und das schon im Bewerbungsprozess. Zudem sei es auch ein Problem, dass einige Arbeitgeber zu niedrige Angebote in Bezug auf Gehälter machten, denn das könne dazu führen, dass Bewerber frühzeitig vom Zug abspringen.

Wann sollten Bewerber nachverhandeln?

Im Idealfall können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits vor Vertragsbeginn auf eine Summe einigen, die beidseitig realistisch und angebracht ist. Sind Bewerber jedoch unzufrieden mit den Ergebnissen, sollten sie nicht lange zögern: Unter dem eigentlichen Marktwert sollte sich niemand verkaufen. Es gilt deshalb, schon in der frühen Verhandlungsphase im Jobinterview gut vorbereitet zum Gespräch zu gehen, die branchen- und berufsspezifischen Zahlen zu kennen und sich an ihnen zu orientieren.

Eine kurzfristige Nachverhandlung kann zwar auch dazu führen, dass der Job nicht zustande kommt. Dennoch empfiehlt es sich, offen mit dem eigenen Gehaltswunsch umzugehen, sofern dieser im Rahmen liegt und keine unrealistischen Größen annimmt. Je früher und je transparenter darüber gesprochen wird, desto vorteilhafter für beide Parteien.

Wie finden Bewerber heraus, wie viel Gehalt angemessen ist?

Orientieren sich Bewerber an den marktüblichen Löhnen und Gehältern, sind sie auf dem richtigen Weg, um eine angemessene Gehaltsspanne auszumachen, mit der sie zum Bewerbungsgespräch gehen. Zahlreiche Onlineangebote helfen weiter. Hierzu zählt zum Beispiel der Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit (BA), welcher über folgendem Link abrufbar ist: https://web.arbeitsagentur.de/entgeltatlas/

Die BA berücksichtigt das individuelle Anforderungsniveau. Bei einem Durchschnittsgehalt können Bewerber ihre speziellen Qualifikationen, die für den Job relevant sind, sowie ihre Berufserfahrung hinzunehmen, wenn diese bei anderen Onlinerechnern nicht berücksichtigt werden – und so einen kleinen, realistischen Aufschlag berechnen. Fast noch wichtiger ist, die Gehaltsforderungen gut mit nachweisbaren Argumenten zu untermauern.

Welche Möglichkeiten haben Jobkandidaten, um den Gehaltswunsch anzusprechen?

In der Regel steht die Gehaltsfrage nicht schon zu Beginn eines Bewerbungsgespräches im Raum. Üblicherweise wird erst gegen Ende des Interviews über Geld gesprochen. Anders sieht das zum Beispiel aus, wenn Unternehmen offen mit ihren Angeboten umgehen. So wird in Österreich aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes gar vorgegeben, dass Arbeitgeber in ihren Stelleninseraten unbedingt angeben müssen, was sie zu zahlen bereit sind. Ein solch offener Umgang erleichtert es vielen Bewerbern, Orientierung zu bekommen, während vage Angaben, etwa „attraktives Gehalt“, nicht aussagekräftig genug sind.

Wer den Gehaltswunsch im Jobinterview ansprechen möchte, kann entweder eine ungefähre Spanne oder aber eine konkrete Zahl nennen. Die erste Taktik gibt dem Gegenüber etwas mehr Raum für Verhandlung, weshalb es wichtig ist, dass du deine eigene Untergrenze selbst keinesfalls unterschreitest.

Zu hohe schriftliche Gehaltsvorstellungen können zur Jobabsage führen

Auch am Anfang des Bewerbungsprozesses kann es bereits zu einer Jobabsage oder gar nicht erst zu einer Einladung zum Bewerbungsgespräch kommen, wenn Bewerber unrealistische Forderungen stellen – etwa beim Ausfüllen eines Bewerbungsformulars, auf dem angegeben werden soll, wie die Gehaltsvorstellungen aussehen.

Auf diese Weise können Unternehmen direkt aussortieren: Bewerber, die die geforderten Qualifikationen zwar besitzen, aber zu viel Geld für den Posten verlangen, scheiden aus. Unternehmen, die sich hiervon jedoch nicht abschrecken lassen und primär auf die Skills und das Potenzial des Bewerbers setzen, wagen den Versuch und laden entsprechende Bewerber dennoch zum Gespräch ein. Verhandlungen und Kompromisse tragen hier, wenn es für beide Seiten passt, zur Lösung bei. In Zeiten des Fachkräftemangels ein durchaus nachvollziehbares Vorgehen, um hochqualifizierte Bewerber nicht zu verpassen.

Unternehmen mit fairem Gehalt locken Bewerber am ehesten an

Weil Personal zur Mangelware geworden ist, können Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, nicht zu knauserig in Sachen Geld sein. Immer wieder zeigen Untersuchungen, dass fairer Lohn, neben einem guten Arbeitsklima und Work-Life-Balance, zu den wichtigsten Forderungen von Arbeitnehmern gehört. Von hohen Gehaltsforderungen dürfen auch Unternehmen sich deshalb nicht abschrecken lassen: Stimmen Qualifikationen, Chemie und Wertvorstellungen überein, steigt die Chance, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Kompromissbereitschaft zeigen und sich in der Mitte treffen.

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