698.572 offene Stellen wurden laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Januar 2024 gemeldet. Die Personalnot ist unter anderem in der Gastronomie und im Tourismus groß. Wohin Fachkräfte plötzlich abwandern, warum sie wegbleiben und was jetzt hilft – ein Überblick.

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Trotz konstanter Arbeitslosenquote fehlen Arbeitnehmer

Eine gleichbleibende Arbeitslosenquote in Deutschland trifft auf schwindende Arbeitskräfte in einigen Branchen. Während die Quote von etwas über 5 Prozent sich demnach kaum verändert, fällt auf, dass vor allem in der Gastronomie und an Flughäfen Flaute herrscht: Es fehlen Arbeits- und Fachkräfte. Auch im Handwerk mangelt es an qualifizierten Arbeitnehmern.

Arbeitskräfte – Wie vom Erdboden verschluckt?

Aber: Wo sind alle Arbeitskräfte plötzlich hin, wenn die Arbeitslosenquote relativ konstant bleibt?

Fachkräfte aus den Bereichen Gastronomie und Tourismus scheinen wie vom „Erdboden verschluckt“. Das hat einen Grund – und dieser lautet Corona-Pandemie.

Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berichtet, sind während der Pandemie mehr als 10 Prozent der qualifizierten Beschäftigten abgewandert. So viele, wie in sonst keinen anderen Branchen. Laut Aufzeichnungen der BA aus dem Jahr 2022 soll sich jeder Vierte aus den genannten Branchen in einen neuen Beruf verabschiedet haben.

Die Meinungen sind geteilt: Enzo Weber (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) betont, dass die Abwanderung keine „Welle“ sei. Vielmehr ginge es darum, dass die von der Pandemie besonders betroffenen Branchen weniger Personal einstellen konnten.

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Diese Jobs üben abgewanderte Fachkräfte jetzt aus

Viele Fachkräfte aus der Gastronomie und der Hotel- und Tourismusbranche sind in den Verkauf gegangen. Denn dieser gilt als vergleichsweise krisensicher. Auf dem zweiten Platz liegen Berufe in Verkehr und Logistik. Danach folgen Jobs in der Unternehmensorganisation, Berufe in der Lebensmittelverarbeitung oder -herstellung und Reinigungsstellen.

Die 10 beliebtesten Berufsfelder nach dem Jobwechsel aus den Branchen Gaststätten, Hotel und Tourismus (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)

  1. Verkauf
  2. Logistik, Verkehr
  3. Unternehmensorganisation und -führung
  4. Lebensmittelverarbeitung und -herstellung
  5. Reinigung
  6. Erziehung, Hauswirtschaft
  7. Gesundheit
  8. Marketing und Werbung
  9. Transport und Führung von Fahrzeuggeräten
  10. Lehrberufe

Die Herausforderung

Schon immer haben Arbeitskräfte ihre Stellen häufiger gewechselt, wenn es sich zum Beispiel um Stellen wie Kellner- oder Servicejobs handelt. Eine vergleichsweise schnelle Einarbeitung macht derartige Berufe beliebt, aber auch anfällig für Fluktuation.

Fest steht: Während der Corona-Pandemie kündigten Arbeitskräfte, was zwar auch zuvor schon der Fall war. Es kamen jedoch, anders als sonst, weniger Arbeitnehmer dazu. Vor der Pandemie ein seltenes Problem und der Grund für die große Lücke an qualifizierten Kräften in jenen Branchen.

Das Ergebnis: Der Arbeitskräftemangel ist seit 2020 enorm angestiegen. Von 563.823 gemeldeten Arbeitsstellen im Juni 2020 auf aktuell 698.572.

Das Problem mit dem demografischen Wandel

Nicht nur die Pandemie hat zu Personalnot geführt. Auch der demografische Wandel schlägt zu.

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Altersaufbau der BevölkerungNach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist jede zweite Person in der Bundesrepublik heute älter als 45. Immer mehr Menschen beantragen den Renteneintritt, während die Versorgung des älteren Volkes auf den Schulten des jüngeren lastet – und auch das sorgt für Belastungen im Job.

Die gute Nachricht: Durch stärkere Zuwanderungen wuchs die jüngere Bevölkerung etwas.

Insgesamt bedeutet dies aber, dass weniger Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten werden, da Personen im erwerbsfähigen Alter fehlen. Die Babyboomer-Generation verabschiedet sich nach und nach; die Versorgungslücke für Rentner und Arbeitsmarkt wird größer.

Fachkräfte gewinnen und halten: Was hilft wirklich?

Das Problem des Arbeits- und Fachkräftemangels besteht weiterhin und spitzt sich zu. Was also unternehmen?

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Lese-Tipp: Arbeitgeber in Not: Viele offene Stellen – mutlose Bewerber

Laut Weber hilft vor allem eine Sache: Arbeitgeber müssten zusehen, die Konditionen für einen Job nachhaltig attraktiver zu gestalten. Es gibt kurz- und langfristige Lösungsmöglichkeiten für zukünftige Auszubildende und bereits qualifizierte Fachkräfte, die in anderen Branchen tätig werden.

Lese-Tipp: War of Talents: Mitarbeiterbindung in Zeiten des Fachkräftemangels

Ein Lichtblick sind nach Angaben der IHK Nord Westfalen die inhaltlichen und strukturellen Änderungen, die in Kürze realisiert werden sollen. Die Änderungen betreffen zum Beispiel die Gastronomie, Küchen- und Hotelberufe. Ausbildungsberufe sollen demnach deutlich modernisiert werden.

Die Betonung liege auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und auf die Vorbereitung junger Fachkräfte auf Führungspositionen. Da es sich jedoch um eine Neuerung handelt, stehen die praktische Umsetzung und der Einfluss auf die Personalnot noch „in den Sternen“.

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Kurz- und langfristige Lösungsangebote der Bundesregierung

Sonderregelungen der Bundesregierung sollen dabei helfen, die Personalnot an Flughäfen sowie in Gastronomie und Hotellerie zu bekämpfen. Eine Maßnahme sei demnach die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Ausländische Arbeitskräfte sollen nach und nach unterstützend tätig werden.

Langfristige Lösungsansätze legen den Fokus auf inländische Fachkräfte. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschatz (BMWK) soll es zu Tätigkeitsänderungen durch die Digitalisierung in rund 35 Prozent der Berufe geben.

Das bedeutet, dass sich die Tätigkeitsprofile in den jeweiligen Jobs ändern. Deshalb liegt ein Schwerpunkt auf Maßnahmen, um die derzeitigen Arbeitnehmer zu qualifizieren und Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu bieten – denn das soll die Arbeitnehmer halten.

Arbeitgeberattraktivität: Sinnhaftigkeit, ein gutes Klima und Wertschätzung

Laut einer EY-Studie aus 2021 liege es unter anderem am Geld und an interessanteren Arbeitsinhalten, dass Arbeitnehmer sich für eine andere Stelle entscheiden könnten.

Wie die Pandemie gezeigt hat, spielt auch die Sicherheit eine bedeutende Rolle. Zudem ist die schnellere Anerkennung von Berufsabschlüssen ein Lösungsansatz. Weniger bürokratische Hürden für Arbeitskräfte, die lern- und arbeitswillig sind sowie einen Job suchen, könnten ebenfalls Abhilfe schaffen.

Zusammenfassend kommt es außerdem auf folgende Faktoren an, die einen Arbeitsplatz attraktiv machen:

Vor allem Arbeitskräfte, die bereits qualifiziert sind oder gerade in den Arbeitsmarkt eintreten, gelten als Zielgruppe für die Zukunft. Die Stärkung von Werten eben jener Zielgruppen gilt es, in Angriff zu nehmen. Zentrale Themen für Generation Y und Z sind etwa Digitalisierung, Möglichkeiten des ortsunabhängigen Arbeitens sowie Nachhaltigkeit.

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Aufstiegschancen und Fördermöglichkeiten

Tätigkeiten bleiben oft nur dann reizvoll, wenn sie auch persönlich bereichern und Potenzial für (berufliche) Weiterentwicklung bieten. Wer keine Aufstiegschancen oder Fördermöglichkeiten erhält, wird sich deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Alternativen umsehen. Ein Phänomen, das bisher unter anderem auch aus der Gastro-Szene bekannt ist.

Wer Fachkräfte gewinnen möchte und diese außerdem an sich binden will, sollte Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten anbieten. Das steigert die Arbeitgeberattraktivität nachhaltig. Durch Rücksprache mit dem Personal erfahren Arbeitgeber mehr über die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter und potenzielle Bewerber.

Fazit: Bessere Arbeitskonditionen, weniger Bürokratie

Nicht nur Corona zeigt seine desaströsen Spuren in der Arbeitswelt, sondern auch der demografische Wandel. Hotellerie, Gastro und Tourismus leiden besonders. Kurzfristige Maßnahmen der Bundesregierung können Abhilfe schaffen. Langfristig hilft es jedoch, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden.

Sowohl die Bedürfnisse der bereits qualifizierten Fachkräfte als auch die der zukünftigen Arbeitskräfte spielen eine wichtige Rolle, um strategische Konzepte zu entwickeln, Mängeln vorzubeugen und Mitarbeiter zu binden.

Für die Zukunft heißt es deshalb: Verbesserte Arbeitskonditionen, die Etablierung moderner Werte sowie die Abschaffung bürokratischer Hindernisse können zur Lösung beitragen.

Bildnachweis: RichVintage/istockphoto.com

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Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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