Nur noch schnell die Präsi aufpolieren, ein paar Mails raushauen oder die Strategie fürs nächste Quartal durchdenken – viele Führungskräfte machen aus ihren Abenden eine zweite Schicht. Doch was nach Einsatz aussieht, rächt sich am nächsten Tag.

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Denn wer nach Feierabend nicht abschaltet, sondern im Kopf weiterarbeitet, gefährdet seine Führungsfähigkeit – und zwar schon am nächsten Morgen. Das zeigt eine aktuelle Studie von drei US-Wissenschaftlerinnen, veröffentlicht im Journal of Applied Psychology. Darin wird deutlich: Wer geistig präsent bleibt und emotional über die Arbeit grübelt, kommt am nächsten Tag nicht nur erschöpft ins Büro, sondern auch mit einer geschwächten Identifikation mit der eigenen Führungsrolle. Das Ergebnis: weniger Wirkung, weniger Fokus, weniger Leadership.

Psychische Distanz hingegen – also echtes Abschalten – hilft Führungskräften dabei, sich am Folgetag erholter und souveräner zu erleben. Und das hat Folgen: für ihre Entscheidungsstärke, ihr Auftreten gegenüber Mitarbeitenden und die Art, wie sie führen.

Lese-Tipp: Feierabend statt Überstunden-Frust: So bleibt Deine Arbeit auf der Arbeit

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Warum Grübeln gefährlicher ist als Überstunden

Die Studie der US-Forscherinnen stützt sich auf zwei sogenannte Experience-Sampling-Studien mit Führungskräften aus verschiedenen Organisationen. Das Ergebnis ist klar: Entscheidend ist nicht nur, wie viel nach Feierabend noch gearbeitet wird, sondern vor allem, wie sehr der Kopf an der Arbeit hängen bleibt.

Besonders schädlich wirkt sich das sogenannte affektorientierte Grübeln aus – also das emotionale Nachdenken über Probleme, ungelöste Konflikte oder anstehende Entscheidungen. Diese mentale Dauerbeanspruchung verhindert echte Erholung, raubt Energie und untergräbt am nächsten Tag die Fähigkeit, sich mit der eigenen Führungsrolle zu identifizieren.

Je weniger Erholung, desto schwächer das Selbstverständnis als Führungskraft. Und das wiederum wirkt sich messbar aus: weniger inspirierendes Führungsverhalten, unklare Kommunikation, schwächeres Auftreten. Mitarbeitende erleben ihre Chefin oder ihren Chef an solchen Tagen weniger überzeugend – und vor allem: weniger präsent.

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Interessant: Je erfahrener eine Führungskraft war, desto geringer fielen die negativen Effekte aus. Erfahrung scheint also ein Puffer zu sein – aber kein Schutzschild.

Schon gewusst? Laut einer Erhebung des Gesundheitsanalyseanbieters mesana schlafen 79 % aller Führungskräfte in Deutschland weniger als sechs Stunden pro Nacht. Zudem sind 43 % chronisch müde und 31 % regelmäßig erschöpft. 

Die Folgen: Erschöpfte Führungskräfte zeigen weniger inspirierendes Führungsverhalten und ein schwächeres Auftreten. Nicht erholsamer Schlaf kostet Unternehmen im Schnitt 2,7 % Produktivität. 

Laut einer Analyse von RAND Europe summieren sich die volkswirtschaftlichen Schäden durch Schlafmangel in Deutschland auf rund 29,1 Milliarden US-Dollar pro Jahr, was 0,73 % des BIP entspricht.

Was am Abend schiefläuft – und am Morgen Leistung kostet

Viele Führungskräfte verwechseln Verfügbarkeit mit Wirksamkeit. Wer spätabends noch E-Mails schreibt oder gedanklich bei der nächsten Strategiepräsentation ist, fühlt sich oft besonders pflichtbewusst. Tatsächlich passiert genau das Gegenteil: Die mentale Dauerpräsenz verhindert Erholung – und damit genau die kognitive Leistungsfähigkeit, die Führung am nächsten Tag erfordert.

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Die Forschung spricht hier von kognitiver Erschöpfung: Wer nicht abschalten kann, kommt am nächsten Morgen erschöpfter zur Arbeit, trifft schlechtere Entscheidungen und verliert den Blick für die eigene Führungsrolle. Die Folge ist eine operative Überlastung – statt klar zu führen, wird nur noch reagiert. Führung reduziert sich auf Abarbeiten.

Raus aus dem Kopfstress – so schützt du deine Führungswirkung

1. Mentale Übergänge schaffen – nicht einfach „umschalten“

Wer direkt vom letzten Call in die private Abendroutine springt, nimmt unbewusst die ganze Anspannung mit. Besser: den Tag bewusst abschließen. Zehn Minuten zur Reflexion – Was war wichtig? Was bleibt offen? Was kann warten? – helfen dabei, gedanklich einen Haken zu setzen. Führung braucht auch ein Ende.

2. Grübeln unterbrechen – mit gezielter kognitiver Distanz

Nicht jede Art von Nachdenken ist schädlich. Kritisch wird es, wenn Gedanken kreisen, ohne dass ein Ergebnis möglich ist – etwa bei ungelösten Konflikten oder persönlichen Zweifeln. Hier hilft ein einfacher Trick: gedankliche Umleitung. Ein Gespräch, ein Spaziergang, eine Aufgabe, die nichts mit dem Job zu tun hat. Wer das Grübeln stoppt, schafft Raum für Erholung.

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Lese-Tipp: „Grübelitis“ überwinden: Vom „Denker“ zum „Macher“ werden

3. Erreichbarkeit begrenzen – und das Team dazu befähigen

Viele Führungskräfte glauben, für alles verantwortlich zu sein – auch nach Feierabend. Doch ständige Erreichbarkeit verhindert nicht nur die eigene Erholung, sondern auch die Entwicklung des Teams. Klare Kommunikationsregeln, Verzicht auf Mails zu später Stunde und effektives Delegieren fördern Vertrauen. Und schaffen Luft zum Atmen – für beide Seiten.

Wichtig: Wir reden und predigen viel über Resilienz, Selbstführung und engagierte Teams. Aber was ist das wert, wenn wir abends nicht mal für unsere eigene Regeneration sorgen?

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