Laut einer Umfrage von CV-Genius haben 34 Prozent der Generation Z zumindest in Großbritannien diesen „Negativ-Trend“ bereits begangen. Doch was steckt hinter diesem Verhalten? Ist es „nur“ Drücketismus oder Ausdruck einer tiefergehenden Arbeitskrise?
Ein Jobangebot – und dann?
Allgemeinhin gilt eine Zusage für eine Stelle als bindend. Man hat sich beworben, das Auswahlverfahren durchlaufen, eine hoffentlich fundierte Entscheidung getroffen – und dann beginnt der erste Arbeitstag. Doch immer häufiger geschieht genau das nicht. Arbeitgeber warten vergeblich auf neue Mitarbeitende, die sich nicht einmal die Mühe machen, abzusagen.
Das Phänomen, das in den sozialen Medien bereits als „Career Catfishing“ diskutiert wird, zeigt eine wachsende Entfremdung vom klassischen Arbeitsmodell. Es ist ein radikaler Bruch mit den Erwartungen, die Unternehmen an Bewerber haben. Aber warum gehen junge Menschen diesen Schritt?
Die neue Unlust der Generation Z?
Die Umfrageergebnisse von CV-Genius deuten darauf hin, dass nicht nur die Generation Z sich mit neuen Formen der Arbeitsverweigerung beschäftigt. Arbeitsvermeidung – nennen wir es mal so – liegt offenbar im Trend und zieht sich durch alle Altersgruppen.
- „Bare Minimum Monday“: 60 Prozent der Befragten geben zu, den Wochenstart so entspannt wie möglich anzugehen.
- „Quiet Quitting“: 58 Prozent machen nur noch das Nötigste, ohne darüber zu sprechen.
- „Coffee Badging“: 27 Prozent erscheinen kurz im Büro, um Präsenz zu markieren, ohne wirklich zu arbeiten.
- „Quiet Vacationing“: 22 Prozent fahren in den Urlaub, ohne offiziell frei zu nehmen.
Diese Begriffe zeigen, wie kreativ die Strategien sind, mit denen Menschen sich langsam aber sicher der Arbeitswelt entziehen. Doch warum ist das so?
Generation Z zwischen Überforderung und Desillusionierung
Die Generation Z tritt in eine Arbeitswelt ein, die von Vielfalt, aber auch von Unsicherheit und Überforderung geprägt ist. Wirtschaftliche Krisen und der ständige Wandel der Arbeitskultur haben ihre Erwartungen stark verändert. Die Vorstellung, sich jahrzehntelang in einem Unternehmen „hochzuarbeiten“, wirkt auf viele schlicht unattraktiv.
Hinzu kommt die permanente Reizüberflutung: Über soziale Medien prasseln unzählige Jobmöglichkeiten, Karrierewege und Lebensentwürfe auf sie ein. Wer sich für eine Option entscheidet, hat oft das Gefühl, etwas Besseres zu verpassen – das sogenannte „Fear of Better Options“ (FOBO).
Psychologisch betrachtet, könnte „Career Catfishing“ eine Form der Vermeidung sein: Der Job klingt gut – aber je näher der erste Arbeitstag rückt, desto größer wird die Unsicherheit. Und plötzlich scheint der einfachste Ausweg: einfach nicht auftauchen.
Fehlende Konsequenzen und ein Wertewandel
Doch warum fühlen sich so viele junge Menschen nicht verpflichtet, ihren Job tatsächlich anzutreten? Ein zentraler Grund ist der Wertewandel in der Arbeitswelt. Während frühere Generationen – etwa die Babyboomer – Leistung und Disziplin als selbstverständlich betrachteten, legt die Generation Z mehr Wert auf Sinnhaftigkeit und mentale Gesundheit.
Hinzu kommt: Die Konsequenzen von „Career Catfishing“ sind oft überschaubar. In einem angespannten Arbeitsmarkt riskieren junge Menschen wenig, wenn sie einfach nicht erscheinen – es gibt meist genug andere Optionen. Ghosting ist in Beziehungen längst normal geworden. Warum also nicht auch im Job?
Was bedeutet das für die Zukunft der Arbeit?
Die klassische Arbeitswelt hat an Attraktivität verloren – besonders für junge Menschen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Verlässlichkeit und Engagement neu zu definieren. Doch anstatt nur über die vermeintliche Unzuverlässigkeit der Generation Z zu klagen, sollten sie sich fragen: Warum fühlt sich ein Drittel der jungen Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ihren eigenen Job anzutreten?
Ein möglicher Grund: Der Bewerbungsprozess ist entmenschlicht. Junge Menschen klicken sich durch automatisierte Recruiting-Systeme und werden oft kommentarlos aussortiert. Dass sie dieses Ghosting irgendwann spiegeln, ist keine Überraschung.
Ein Umdenken könnte so aussehen:
- Transparente Kommunikation von Anfang an: Statt Bewerbern wochenlang in Unsicherheit zu lassen, braucht es schnellere, ehrlichere und persönlichere Rückmeldungen.
- Flexiblere Einstiegsmodelle: Probearbeiten, Projektverträge oder stufenweise Einarbeitungen könnten es jungen Menschen erleichtern, sich an eine neue Stelle zu binden, ohne sich sofort festzulegen.
- Gegenseitige Verbindlichkeit statt Einbahnstraße: Unternehmen erwarten, dass Bewerber ihr Wort halten, doch halten sie selbst ihre Versprechen? Weniger Employer-Branding-Floskeln wären ein Anfang.
Hinter dem „Career Catfishing“ steckt nicht einfach nur Faulheit, sondern oft eine Mischung aus Unsicherheit, Überforderung und Misstrauen gegenüber einem Arbeitssystem, das selbst nicht immer verlässlich ist.