Erst bleiben die Gehaltserhöhungen aus, dann verschwinden heimlich die kostenlosen Snacks aus der Kantine. Kollegen berichten von internen Sparrunden, Stellen werden nicht mehr nachbesetzt. Schließlich mehren sich die Berichte über Umsatzeinbußen, Umstrukturierungen und düstere Prognosen. Wer lange in einem Unternehmen arbeitet, ist emotional gebunden, doch wenn die Zukunft der Firma zunehmend ungewiss erscheint, stellt sich die Frage: Wann ist der richtige Moment, zu gehen?
Unternehmen sparen – Jobs auf der Kippe
Die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen in Deutschland hat sich drastisch verschlechtert. Firmen setzen vermehrt auf Personalabbau, statt neue Stellen zu besetzen. Das ifo-Beschäftigungsbarometer fiel im Februar auf 93,0 Punkte, ein weiteres Zeichen für die angespannte Lage am Arbeitsmarkt.
Besonders in der Industrie stehen Jobs auf dem Spiel, auch wenn es dort vereinzelt Lichtblicke gibt. IT-Dienstleister bremsen die Neueinstellungen, der Handel kämpft weiter, und selbst im Baugewerbe bleibt die Personallage angespannt.
Loyalität versus Realität: Warum es so schwerfällt, zu gehen
Gerade langjährige Beschäftigte zögern, den Absprung zu wagen. Das liegt nicht nur an finanziellen Einbußen, sondern auch an einem tief verwurzelten Gefühl der Zugehörigkeit. Schließlich hat man mit dem Unternehmen Krisen durchgestanden, Erfolge gefeiert, vielleicht sogar den eigenen Karriereweg eng mit der Entwicklung der Firma verknüpft.
Psychologen sprechen hier von der „Versunkene-Kosten-Falle“ („Sunk Cost Fallacy“): Wer viel investiert hat – Zeit, Energie, Loyalität – bleibt manchmal länger, als es rational sinnvoll wäre, weil das Verlassen des Unternehmens sich – wie ein Verlust – anfühlt. Dazu kommt noch die Angst vor Unsicherheit:
- Werde ich überhaupt einen besseren Job finden?
- Wird mein Wissen und mein Einsatz in einem anderen Unternehmen ausreichend wertgeschätzt?
- Was, wenn die neuen Kollegen mich nicht mögen?
- Braucht mich der Arbeitsmarkt in meinem Alter überhaupt noch?
Doch während man noch hofft, dass sich die Lage irgendwie verbessert, verliert man wertvolle Zeit. Wenn ein Unternehmen über Jahre rote Zahlen schreibt und keine überzeugende Strategie vorlegt, um das Ruder herumzureißen, ist das ein deutliches Alarmsignal. Gerade, wenn konkurrierende Unternehmen zukunftsfähige Geschäftsmodelle etablieren und den eigenen Arbeitgeber überholen, ist Bleiben riskant.
Fünf Warnsignale, dass es Zeit ist zu gehen
- Dauerhafte finanzielle Schwierigkeiten: Quartalsverluste, gestrichene Budgets und sich häufende Kündigungen sind ein deutliches Zeichen, dass das Unternehmen ernsthafte Probleme hat.
- Mangelnde Zukunftsstrategie: Unternehmen mit Perspektive kommunizieren klar, wie sie Krisen bewältigen und sich weiterentwickeln wollen. Bleiben Pläne vage oder unrealistisch, ist Vorsicht geboten.
- Abwanderung von Schlüsselkräften: Wenn erfahrene Kollegen oder Führungskräfte das Unternehmen verlassen, ist das ein Alarmsignal. Diese Personen wissen oft mehr über die interne Lage.
- Sinkende Motivation und raues Arbeitsklima: Wenn das Unternehmen angeschlagen ist, leidet auch die Unternehmenskultur. Interne Konflikte oder eine zunehmende Resignation im Team sind weitere Hinweise.
- Die eigene Karriere stagniert: Wenn das Unternehmen in Schwierigkeiten steckt, sind Beförderungen oder Weiterbildungen oft das Erste, was gestrichen wird. Wer vertröstet wird, sollte sich umsehen.
Den Absprung vom sinkenden Schiff strategisch planen
1. Den Arbeitsmarkt sondieren
Bevor die Kündigung eingereicht wird, lohnt es sich, die Lage am Arbeitsmarkt zu prüfen. Welche Branchen suchen Fachkräfte? Gibt es Weiterbildungsmöglichkeiten, um meine Skills aufzufrischen? Gibt es Jobs, die außerhalb meiner bisherigen Tätigkeit in Frage kommen?
2. Bekannte und Ex-Kollegen kontaktieren
Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass wirtschaftlich stabile Unternehmen gezielt nach erfahrenem Personal suchen – oft auch in Branchen, die von der Krise betroffen sind. Viele Firmen gehen aktiv auf Abwerbetour.
Wer schon länger im Berufsleben steht, kennt meist Menschen, die weitergezogen sind – zu Unternehmen, die besser dastehen. Ein Anruf bei ehemaligen Kollegen oder eine kurze Nachricht kann sich gerade jetzt lohnen. Manche Stellen werden gar nicht erst öffentlich ausgeschrieben, sondern intern kommuniziert oder über Empfehlungen besetzt.
3. Bewerbungsunterlagen aktualisieren
Einige Beschäftigte haben seit Jahren keine Bewerbung mehr geschrieben. Bevor man sich auf neue Stellen bewirbt, sollten der Lebenslauf und Online-Profile (Xing, LinkedIn etc.) überarbeitet werden.
4. Finanzielles Polster aufbauen
Falls es dauert, bis der nächste Job gefunden ist, sollte man ausreichend finanzielle Rücklagen haben. Hier empfiehlt es sich, mindestens drei bis sechs Monatsgehälter als Puffer einzuplanen.
5. Eine souveräne Kündigung einreichen
Auch wenn Frust oder Enttäuschung groß sind – eine professionelle und wohlüberlegte Kündigung ist Pflicht. Wer die Türen hinter sich nicht zuschlägt, hält sich mögliche Rückkehroptionen offen. Vielleicht kommt das Unternehmen doch wieder auf Kurs.
Ein Abschied ist auch ein Neuanfang
Einen Job zu verlassen, den man lange und gern gemacht hat, ist gewiss nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn man das Unternehmen mit aufgebaut hat, wenn Kollegen zu Vertrauten oder gar Freunden wurden und wenn man noch immer hofft, dass sich alles doch noch zum Besseren wendet. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem das Bleiben mehr kostet als das Gehen.