Klar, es fühlt sich gut an, eine Stellenausschreibung zu lesen und innerlich überall ein Häkchen zu setzen: Check, hab ich. Check, kann ich. Check, war ich schon. Doch dieser vermeintliche Volltreffer ist oft ein Karrieretiefschlag in Tarnung. Denn wer alles schon kann, was verlangt wird, lernt nichts mehr dazu. Und wer nichts dazulernt, bleibt stehen. Stillstand aber ist selten Teil eines Karriereplans.
Übersetzt heißt das: Wer zu 100?% passt, bewirbt sich auf den Job von gestern – nicht auf den von morgen.
Muss oder Kann? Die heimliche Jobformel
Was viele vergessen: Stellenausschreibungen sind keine Wunschzettel ans Christkind. Sondern eher ein „Best-Case-Szenario“ aus Sicht des Arbeitgebers. Die Kunst liegt darin, die Anforderungen klug zu lesen – und zu unterscheiden:
- Muss-Anforderungen: Ohne sie geht es nicht. Beispielsweise eine App-Entwicklungsrolle ohne fundierte Programmierkenntnisse? No-Go.
- Kann-Anforderungen: Nice to have – aber kein K.-o.-Kriterium. Etwa: „Erfahrung mit SAP“ bei einer Junior-Position im Controlling. Kann man lernen.
Warum reicht es, nur 70 % der Anforderungen zu erfüllen?
Die magische Zahl: 70 Prozent. Wer rund zwei Drittel der Anforderungen erfüllt, bringt genug fachliches Know-how mit, um reinzukommen und gleichzeitig genug Neugier, um sich reinzufuchsen. Genau dieses Lernpotenzial macht Bewerber spannend. Für Personalverantwortliche ist das mitunter attraktiver als ein Jobprofil mit Stillstands-Garantie.
Denn: Motivation, Lernbereitschaft und Problemlösefähigkeit wiegen fehlende Bullet Points im Lebenslauf oft auf – wenn sie überzeugend kommuniziert werden.
Aus dem Alltag: Die Top-Talente sagen „noch nicht“
In Bewerbungsgesprächen zeigen viele High Potentials eine Haltung, die verblüfft: „Das kann ich noch nicht – aber ich kann es lernen.“ Genau diese Aussage ist es, die Entwicklung verspricht. Und aus Personalersicht langfristig mehr bringt als ein „Passt perfekt“-Profil, das schon in der Probezeit die Herausforderung vermisst.
Was du stattdessen tun solltest
- Lies Stellenausschreibungen nicht wie eine Prüfung, sondern wie eine Einladung zum Wachstum.
- Markiere klar, was unverzichtbar für die Ausübung des Jobs ist – und was du dazulernen kannst.
- Erkläre im Anschreiben, warum du dich trotz „nur“ 70 Prozent bewirbst und was dich motiviert.
- Bring im Gespräch Beispiele, wie du dich in neue Tools, Themen oder Teams erfolgreich eingearbeitet hast.
Bewerben heißt nicht nur passen, sondern wachsen
Wer als Bewerber nur den Job antritt, bei dem alles schon perfekt sitzt, läuft Gefahr, auf der Stelle zu treten. Wer sich aber traut, sich auf Unbekanntes, Neues, Erfrischendes einzulassen, wächst über sich hinaus – und treibt seine Karriere voran.