Gefährlicher als Burn-out, tiefgreifender als gedacht: Im „Burn-on“ funktionieren wir trotz Dauererschöpfung weiter.

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Was bedeutet Burn-on?

Um zu differenzieren, wie Berufstätige mit Erschöpfung weiterarbeiten können und nicht im klassischen Burn-out – dem Ausbrennen – landen, haben Prof. Dr. Bert te Wildt, Facharzt für Psychiatrie, sowie Timo Schiele, Psychologe, den Burn-on-Begriff ins Leben gerufen. Dieser beschreibt eine andere Art der Erschöpfung als die, die vom Burn-out bekannt ist.

Burn-on steht für das „Weiterbrennen“. Obwohl du dich permanent an der Grenze deiner psychischen und körperlichen Ressourcen befindest, funktionierst du im Job. Du machst weiter – und brichst nicht zusammen, wie es beim weit bekannteren Burn-out der Fall ist. Während es sich beim Ausbrennen um einen akuten Zustand der Erschöpfung handelt, ist mit Weiterbrennen, dem Burn-on, ein chronischer Zustand gemeint; eine Dauererschöpfung.

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Und diese ist oft folgenreich: Wer die Warnsignale von Körper und Psyche nicht wahrnehmen kann oder bewusst ignoriert, riskiert eine tiefgreifende Chronifizierung, die häufig gefährlicher ist, weil sie nicht so einfach zu durchbrechen ist wie im Akutfall.

Wer ist von Burn-on betroffen?

Vor allem Arbeitnehmer, die als Workaholics bekannt sind, aber auch die, die nie gelernt haben, achtsam mit Körpersignalen umzugehen, leiden unter Burn-on. Schiele weist darauf hin, dass Menschen mit hohem Verantwortungsbewusstsein eine Tendenz zeigen, unter Burn-on zu leiden, weil diese ihren Aufgaben mit besonderer Hingabe nachkommen.

Ganz häufig sei es eine Herausforderung, so Psychologe Schiele, dass Betroffene rasch wieder leistungsfähig sein wollten. Vor allem die Arbeitnehmer, die nichts anderes als ihren Job kennen, hätten Probleme damit, einfach mal die Beine hochzulegen – und gar nichts zu machen.

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Treffen kann es aber jeden. Vor allem Menschen, die zum Beispiel in prekären Arbeitsverhältnissen unter Dauerstress leiden, berufstätige Eltern, Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen, die wenig Wert auf eine gesunde Pausenkultur legen.

Dass Burn-on auch zur New-Work-Ära passt, ist fast logisch: Mit wachsender Eigenverantwortung und aufgelockerten Hierarchien liegt es nun an Arbeitnehmern, die Konsequenzen für ihre Entscheidungen zu tragen, was den allgemeinen Leistungsdruck erhöht. Entscheiden sie selbst, wann Feierabend ist, neigen Arbeitnehmer der heutigen Arbeitswelt auch dazu, schlichtweg weiterzuarbeiten und damit ein hohes Pensum an den Tag zu legen. Manchmal mehr, als Körper und Psyche ertragen.

Welche Symptome zeigt ein Burn-on?

Psychosomatische Symptome sowie ein allgemeines Unwohlsein in Bezug auf das Seelenleben sind beim Burn-on-Syndrom häufig anzufinden. Psychologe Timo Schiele beschreibt die Ursachensuche beim Burn-on zudem als komplexer als beim Burn-out. Wer weiterbrennt, sehne sich oft nach seinem vergangenen Wohlbefinden – und sei überzeugt, einfach wieder „eingerenkt“ werden zu können. Doch so simpel ist es nicht.

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Die Anzeichen eines Burn-ons:

  • Unzufriedenheit
  • Unwohlsein
  • Erschöpfung
  • Stress und Gereiztheit
  • Kopf- und Nackenschmerzen
  • Verspannungen
  • Hoffnungslosigkeit
  • Traurigkeit

Wie kann Burn-on verhindert werden?

Um einer Dauererschöpfung zuvorzukommen, reichen bereits kleine Verhaltens- und Prioritätenänderungen in unserem Arbeitsalltag aus. Die Hürde, sie umzusetzen, ist in unseren Köpfen zwar groß, weil das menschliche Gehirn alles liebt, was mit Gewohnheiten zu tun hat. Wer es hinbekommt, sie zu knacken, tut sich selbst, seiner Gesundheit und seiner Karriere jedoch etwas Gutes. Sinnvolle Maßnahmen können sein:

1. Realitätscheck: Leistungsanspruch herunterschrauben

Niemand erwartet so viel Perfektion von uns, wie wir selbst glauben. Obwohl Leistungsansprüche von Unternehmen und der Gesellschaft nicht ohne sind, tragen wir mit unseren eigenen überhöhten Ansprüchen dazu bei, dass die Psyche leidet und der Stresspegel oben bleibt.

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Wer einen Realitätscheck durchführt, merkt, dass wir Leistungsansprüche, die wir an uns selbst stellen, deutlich oder zumindest ein wenig herunterschrauben müssen. Wer keine fünf Aufgaben am Tag schafft, sollte mit dem Erfüllen einer Aufgabe zufrieden sein. Denn das ist die Realität: Wir funktionieren nicht perfekt – und wenn wir es tun, dann zu einem hohen Preis namens „Gesundheit“.

2. Entwickle Achtsamkeit deinem Körper gegenüber

Können wir die Signale unserer Psyche nicht wahrnehmen, bahnt sich der Schmerz der Seele häufig einen Weg über den Körper. Spätestens jetzt weißt du, dass etwas ganz verkehrt läuft. Sofern organische Ursachen bei einem Arztbesuch nicht ausgemacht werden können, handelt es sich um psychosomatische Probleme. Sei deshalb achtsam – vor allem mit deinem Körper. So lernst du, deine Psyche besser zu verstehen.

3. Me-Time: Priorisiere deine Bedürfnisse und Gesundheit

Samstags keine E-Mails öffnen, eine Stunde früher Feierabend machen, Wellness auf Balkonien oder im Garten: Wie Ich-Zeit aussehen kann, ist jedem selbst überlassen. Eine Erinnerung daran, sich selbst als wichtigste Priorität zu sehen, ist bedeutsam in einer Zeit, in der Arbeitsüberlastung und Dauerstress zum guten Ton der Arbeitswelt gehören.

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Work-Life-Balance bedeutet, den Work-Teil auch mal loszulassen und dem Life-Teil mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um keine chronische Erschöpfung zu riskieren.

4. Sei mutiger in Bezug auf das Setzen von Grenzen

Ob im Job oder wenn es um private Verpflichtungen geht: Du musst nicht für jeden und alles da sein oder dabei sein. Während die Aufgabenverteilung im Team klare Kommunikation voraussetzt, gilt gleiches für Absprachen mit dem Partner in den eigenen vier Wänden.

Vor allem Erlebnisse und wichtige Ereignisse mit deinen Liebsten, die du verpasst, weil der Job ruft, sind nicht nur ärgerlich, sondern besonders bitter. Umso wichtiger, dass du Entscheidungen triffst – denn es ist besser, sie zu treffen, als zu versuchen, überall anwesend zu sein, obwohl du dich nicht in zwei Hälften teilen kannst. Das wäre auf Dauer und im wahrsten Sinne des Wortes schmerzhaft.

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5. Reflektiere deine Arbeitssituation: Bist du glücklich?

Ist der Job, in dem du dich befindest, auch das, was du dir für deine Zukunft vorstellst? Wer die Frage deutlich mit einem „Ja“ für sich beantworten kann, brennt vielleicht auch aus Leidenschaft weiter. Positiver Stress kann sich im schlimmsten Fall aber in negativen verwandeln, wenn du es übertreibst.

Kannst du die Frage hingehen mit einem „Nein“ beantworten, weißt du, dass es an der Zeit ist, über eine gesündere Alternative nachzudenken. Halte aktiv Ausschau nach Arbeitsplätzen in Unternehmen, die sich mit der mentalen Gesundheit von Arbeitnehmern auseinandersetzen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf offerieren und Gesundheitsangebote anbieten.

Was kann ich tun, wenn ich von Burn-on betroffen bin?

Wer das Gefühl hat, kurz vor dem Ausbrennen zu stehen und dennoch weiter im Büro erscheint, riskiert nicht nur Gesundheit, sondern auch Berufsleben. Während Menschen mit Burn-out sich mittlerweile bewusst krankschreiben lassen, wählen Arbeitnehmer mit Burn-on-Symptomen den Weg des Weiterbrennens – trotz hoher Erschöpfung.

Zögere es nicht weiter hinaus, ein vertrauensvolles Gespräch mit deinem Chef zu führen und dir professionelle Unterstützung oder Hilfe von deinen Liebsten zu holen, wenn du kurz vor dem Zusammenbruch stehst. Aufgaben können umorganisiert, abgegeben oder manchmal auch neu terminiert werden.

Die wichtigsten Maßnahmen auf einen Blick:

  • psychologische Hilfe beanspruchen
  • Austausch mit Kollegen oder Chef
  • Schwierigkeiten und überfordernde Situationen direkt ansprechen und nicht warten
  • Gespräche mit engen Freunden und Partnern/Familie
  • bewusst Zeit für Ruhe, Erholung und ggf. Urlaub einplanen

Bild: Foto von Mizuno/Pexels.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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