Wer derzeit bei den großen Namen der deutschen Wirtschaft eine Karriere anstrebt, stößt auf eine Dürre. Statt Dutzenden nur noch eine Handvoll Jobs, die das Bewerber-Auge erfreuen. Laut einer aktuellen Analyse der Jobplattform Indeed hat sich das Stellenangebot der DAX40-Unternehmen seit März 2023 fast halbiert. Genauer: ein Minus von 41,3 Prozent – deutlich stärker als auf dem deutschen Arbeitsmarkt insgesamt, wo der Rückgang bei 27,8 Prozent liegt.
Doch was bedeutet dieser Rückgang für Bewerberinnen und Bewerber? Und was für die Unternehmen selbst?
Der Rückzug: Warum DAX-Konzerne Personal sparen
Warum suchen Traditionsunternehmen plötzlich weniger Mitarbeiter – obwohl der Fachkräftemangel allgegenwärtig und keine Entspannung in Sicht ist?
Die Antwort liegt in einem Spannungsfeld: einer anhaltenden Konjunkturflaute und dem gnadenlosen Blick der Investoren. Unsichere Zeiten verlangen mehr Kostendisziplin als Wachstumseuphorie. Der Druck, die Personalkosten zu senken, ist bei DAX-Konzernen besonders hoch. Aktionäre honorieren Effizienz – und rügen Großzügigkeit.
Der Rückgang an offenen Stellen ist nicht auf einzelne Branchen begrenzt, sondern zieht sich durch fast alle Fachbereiche. Besonders drastisch trifft es das Ingenieurswesen (-64 %) und die IT (-62,2 %). Führungskräfte-Positionen schrumpfen ebenfalls deutlich (-47,1 %).
Wer trotzdem noch einstellt
Trotz der allgemein schlechten Nachrichten gibt es Lichtblicke: Fresenius sucht nach wie vor intensiv – derzeit 3.100 neue Mitarbeitende, insbesondere in der Pflege. Auch die DHL Group bietet noch 2.730 Stellen an, vor allem in der Zustellung.
Doch auch hier täuscht die absolute Zahl: Bei DHL etwa war die Zahl der offenen Jobs 2023 noch fast doppelt so hoch. Der Rückgang um 43,9 Prozent zeigt: Auch die stabilsten Branchen schalten auf Vorsicht.
Überraschend: Einige Unternehmen haben ihre Stellenausschreibungen dennoch erhöht. Der Softwarekonzern SAP etwa sucht aktuell 38,1 Prozent mehr Mitarbeiter als noch 2023, vor allem in der IT und im Finanzwesen. Sartorius und Merck melden ebenfalls leichte Zuwächse.
Welche Unternehmen am stärksten auf die Job-Bremse treten
Einige DAX-Giganten haben ihr Stellenangebot radikal zusammengestrichen. Volkswagen etwa bietet heute nur noch 190 Stellen an – ein Minus von 73,8 Prozent. Auch Bayer (-71,7 %) und RWE (-70,7 %) haben ihre Personalpläne deutlich gestrafft. Vor allem Konzerne, die stark von weltwirtschaftlichen Unsicherheiten oder der Energiewende betroffen sind, reagieren mit harten Einschnitten.
Junge Talente haben noch Chancen – aber nicht überall
Für Einsteigerinnen und Einsteiger bleibt der Markt etwas freundlicher. Praktikumsplätze (-24 %) und Ausbildungsstellen (-0,9 %) sind vergleichsweise stabil. BMW etwa bietet aktuell 500 Praktika an. Die DHL Group schreibt 750 Ausbildungsplätze aus – ein strategischer Schachzug, um sich frühzeitig Fachkräfte zu sichern. Hier zeigt sich eine gezielte Personalstrategie: Nachwuchssicherung bleibt wichtig, auch wenn in anderen Bereichen gespart wird.
Was dieser Trend für Bewerber und Unternehmen bedeutet
Für Bewerbende bedeutet der aktuelle Stellenrückgang eine doppelte Herausforderung:
- Die Konkurrenz um verbleibende Positionen wird deutlich härter.
- Bewerbungen müssen gezielter und individueller erfolgen, um wahrgenommen zu werden.
Für Unternehmen droht langfristig folgendes Risiko: Wer heute zu stark auf Personalabbau setzt, wird morgen im Wettbewerb um Talente zurückfallen. Schon jetzt klagen viele DAX-Unternehmen über Nachwuchsmangel – besonders in Zukunftsfeldern wie IT, KI und nachhaltiger Produktion. Der internationale Wettbewerbsdruck tut sein übriges.
Der Arbeitsmarkt im Umbruch – oder erst am Anfang?
Die fetten Jahre auf dem deutschen Arbeitsmarkt könnten vorerst vorbei sein. Aber ist das wirklich nur eine Delle im Konjunkturzyklus – oder der Beginn einer fundamentalen Verschiebung?
Vieles spricht für Letzteres: Der Mix aus Digitalisierung, geopolitischer Unsicherheit und demografischem Wandel verändert die Spielregeln des Arbeitsmarktes tiefgreifend. Unternehmen agieren vorsichtiger, bauen Personal langsamer auf – und definieren ihre Anforderungen an Bewerbende neu. Gleichzeitig verlieren klassische Karrierewege an Stabilität. Flexibilität, lebenslanges Lernen und sektorübergreifende Kompetenzen werden zur neuen Währung im Arbeitsleben.
Wer sich heute bewirbt, konkurriert nicht mehr nur lokal, sondern zunehmend global – gegen Algorithmen, Outsourcing-Modelle und automatisierte Prozesse. Ob diese Entwicklung den Arbeitsmarkt weiter verengt oder neue Chancen in anderen Feldern schafft? Fest steht: Die Arbeitswelt wird rauer, unberechenbarer – und sie verlangt mehr Eigenverantwortung als je zuvor.