Nur wenige Sekunden, und unser Urteil steht: sympathisch oder nicht. Freundlich, aufgesetzt, kompetent, kalt. Der erste Eindruck, den wir von neuen Kollegen gewinnen, ist schnell gemacht – und noch schneller gefestigt. Und das hat Folgen. Denn dieser spontane Eindruck bestimmt nicht nur, wie wir einander sehen. Er beeinflusst, wer im Team dazugehört, wer Verantwortung übertragen bekommt und wer im Job aufsteigt. Kurz: Er entscheidet mit darüber, wie Karrieren verlaufen.
Worauf wir als Erstes achten
Die Psychologin Amy Cuddy beschäftigt sich seit Jahren mit genau diesen ersten Eindrücken. Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam hat sie in einer Studie herausgefunden: Menschen ordnen einander unbewusst entlang von zwei zentralen Fragen ein. Sie lauten:
- Kann ich dieser Person vertrauen?
 - Kann ich sie respektieren?
 
Vertrauen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, ob jemand ein Geheimnis für sich behalten kann. Sondern ob er oder sie als integer, interessiert, offen wahrgenommen wird. Respekt meint nicht bloß Höflichkeit, sondern ob jemand als kompetent, durchsetzungsfähig, entscheidungsstark gilt. Cuddy spricht hier von den beiden sozialen Dimensionen „Wärme“ und „Kompetenz“. Und: Wir prüfen diese beiden Komponenten in bruchteilen von Sekungen in genau dieser Reihenfolge. Also erste Wärme, dann Kompetenz.
Soziale Wirkung im Job ist oft wichtiger als Leistung
Es hat gravierende Auswirkungen auf das Miteinander in Teams, auf Führung, Aufstieg und Zugehörigkeit. Denn wer nicht als vertrauenswürdig abgestempelt wurde, bekommt oft gar nicht erst die Chance, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen. Oder wird – selbst wenn die Leistung stimmt – als kalt, manipulativ oder gar überheblich wahrgenommen.
Warum das so ist, erklärt ein Blick in die menschliche Evolutionsgeschichte: Früher mussten wir bei einer Begegnung – etwa auf der Jagd – blitzschnell einschätzen, ob jemand eine Bedrohung darstellt oder ein potenzieller Verbündeter ist. Erst danach war es relevant, ob er gut jagen oder Feuer machen konnte – also ein Gewinn für die Gruppe ist. Unser Gehirn funktioniert bis heute nach diesem Muster: Erst Sympathie und Vertrauen, dann Kompetenz.
Die Forschung zeigt: Vertrauen wirkt früher und stärker als Respekt
In ihren Studien zeigen Cuddy und ihre Kollegen, dass Menschen Informationen zu Wärme schneller verarbeiten als solche zu Kompetenz. Begriffe wie „ehrlich“ oder „zugänglich“ werden in Tests schneller erkannt als „effizient“ oder „klug„. Auch bei flüchtigen Begegnungen prägen sich Gesichter mit einem offenen, vertrauensvollen Ausdruck besser ein als solche mit bloß sachlich-nüchterner Miene. Kurz gesagt: Wer sympathisch wirkt, bekommt eher ein Ohr – und vielleicht auch eine Chance.
Diese Erkenntnisse erklären auch stereotype Wahrnehmungen in der Arbeitswelt: Menschen, die zwar als warm und zugänglich, aber wenig kompetent eingeschätzt werden, rufen unser Mitleid hervor, aber selten Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Umgekehrt erzeugen kompetente, aber kühl wirkende Menschen oft Skepsis oder Ablehnung. Anerkennung – und Vertrauen in Führung – entsteht aber nur dort, wo beides zusammenkommt: Wärme und Stärke. Denn gefolgt wird nur denen, denen man sowohl vertraut als auch etwas zutraut.
Wie man Vertrauen im Team und im Job aufbaut
Das heißt: Selbst im Job, wo vermeintlich Leistung und Objektivität zählen (sollten), entscheidet die soziale Wirkung mit. Wer sich zu sachlich gibt, desinteressiert zeigt oder distanziert wirkt, wird schwer Teil des Teams. Und das kann Folgen haben. Wer nie zum Mittagstisch mitkommt, kein Small-Talk mit Kollegen führt oder ausschließlich auf den fachlichen Austausch setzt, wird für spannende Aufgaben, besondere Projekte oder Beförderungen schlicht nicht in Betracht gezogen.
Amy Cuddy rät deshalb dazu, die eigenen sozialen Signale bewusst wahrzunehmen. Es geht nicht darum, sich zu verstellen oder gar anzubiedern. Nein, aber darum, offen aufzutreten, Gespräche zuzulassen, auch mal um Hilfe zu bitten oder sich am Smalltalk zu beteiligen. Also ganz normale Vorgänge eines konstruktiven Miteinanders. Dabei sei es wichtig, authentisch zu bleiben – denn gespielte Nähe durchschauen Menschen schnell. Wer jedoch aufrichtig Interesse zeigt und Vertrauen schafft, erhöht zumindest die Chance, dass seine Kompetenz überhaupt zur Geltung kommt.
Verantwortung bekommt, wer als Mensch überzeugt
Im Berufsleben überzeugt Leistung nur dann, wenn sie auf Resonanz trifft. Wer als Mensch greifbar ist, dem wird auch fachlich etwas zugetraut. Und genau das entscheidet oft darüber, wer Verantwortung bekommt – und wer nicht. Nicht was man kann, steht am Anfang einer beruflichen Beziehung. Sondern, ob man einem das überhaupt zutraut.
		
									 
					
 




