Laut dem aktuellen „State of the Global Workplace“-Report von Gallup sind 57 Prozent der Remote-Mitarbeiter aktiv oder passiv auf Jobsuche. Bei Arbeitnehmern, die ausschließlich vor Ort arbeiten, liegt dieser Wert gerade einmal bei 45 Prozent.
Das Büro oder die Firma war früher nicht nur ein Arbeitsplatz – es war ein sozialer Hafen. Man arbeitete mit Kollegen, Freunden oder gar mit der Familie zusammen. Mit dem Wegfall physischer Begegnungen geht ein Teil dieser Zugehörigkeit verloren. Unternehmen, die vermehrt auf hybride oder vollständig remote Arbeitsmodelle setzen, riskieren, diese emotionale Bindung weiter zu schwächen.
Die teure Illusion von Autonomie
Was Mitarbeitenden mehr Freiheit und Selbstbestimmung bringt, wird für viele Unternehmen zur Stolperfalle. Die Annahme, dass Beschäftigte im Homeoffice genauso loyal, verbunden und langfristig gebunden bleiben wie im Büro, hält den Daten nicht stand. Im Gegenteil: Der Gallup-Report zeigt, dass Distanz ohne gezielte Beziehungspflege zur Entfremdung führt – und Loyalität sich nicht von selbst entfaltet.
Die Folge: eine langsame Erosion der Bindung. Mitarbeitende, die daraufhin innerlich kündigen, bleiben – doch sie leisten weniger, identifizieren sich kaum noch mit dem Unternehmen und sind offen für neue Jobangebote. Laut Analyse ist das „der teuerste Typ von Mitarbeiter“: jemand, der bleibt, aber nur noch Dienst nach Vorschrift macht.
Der Glaube, Zugehörigkeit lasse sich über Tools, Meetings und hybride Policies herstellen, ist in Unternehmen noch weit verbreitet – und ebenso trügerisch. Denn je seltener der direkte Kontakt zu Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten, desto schwächer wird die emotionale Bindung. Und desto größer die Bereitschaft, zu gehen. Kein digitales Tool ersetzt das persönliche Gespräch, die Begegnung auf dem Flur, das gemeinsame Mittagessen in der Kantine.
Loyalität braucht Nähe – aber welche?
Es wäre zu einfach, jetzt auf eine „Zurück ins Büro“-Logik zu setzen. Präsenz allein garantiert keine Bindung. Entscheidend ist nicht der Raum, sondern die Qualität der Begegnungen. Viele Büros mögen zwar die Pandemie und deren Folgen überlebt haben – die Kultur, der Drive, das Flair, die sie einmal getragen haben, dagegen nicht. Die eigentliche Frage für Unternehmen lautet daher:
Wie viel Nähe braucht Loyalität? Und wie lässt sich diese Nähe schaffen, ohne die gewonnene Freiheit zu verlieren?
Es geht hierbei aber nicht darum die alte Präsenzarbeit wieder einzuführen. Entscheidend sind Rituale und Begegnungen, die wieder Verbindung schaffen – nicht nur dem Informationsaustausch dienen. Gelegenheiten und Orte, in denen sich ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln kann: gemeinsame Büro-Tage mit Fokus auf Austausch, Team-Retreats, Offsite-Workshops, hybride Events, aber auch informelle digitale Formate wie virtuelle Kaffeerunden oder After-Work-Chats.
Wer trägt eigentlich Verantwortung für Bindung?
Früher war es der Arbeitsplatz selbst: die Kantine, der Flur, das gemeinsame Mittagessen. Heute liegt diese Verantwortung bei jedem Einzelnen selbst – bei Führungskräften, bei HR-Abteilungen – und bei jedem selbst.
Unternehmen haben die räumliche Kontrolle verloren, aber keine kulturelle Alternative geschaffen. Loyalität bleibt dem Zufall überlassen – oder der Eigeninitiative einzelner. Das ist riskant. Denn je größer die Unverbindlichkeit, desto höher die Kosten: in Form von Fluktuation, Know-how-Verlust, sinkendem Engagement.
Arbeit ist auch Beziehungspflege
Remote? Hybrid? Vor Ort? Die Wahl des Arbeitsortes ändert wenig, wenn die Verbindung fehlt. Arbeit ist mehr als ein Vertrag – mehr als ein schuldrechtlicher Austausch, der Arbeitsleistung gegen Vergütung stellt. Sie ist mehr als Aufgaben, mehr als Ziele. Sie ist immer auch Beziehung. Zwischen Menschen, die sich sehen, die sich zuhören, die einander wichtig sind. Wenn diese Beziehung nicht gepflegt und gefördert wird, wird Arbeit einsam. Still. Belanglos.