Plötzlich flattert eine Mail rein – oder eine Nachricht auf Xing oder LinkedIn. Betreff: „Lust auf ein Gespräch?“ Absender: Dein Ex-Arbeitgeber. Der, der deinen Wunsch nach einer Gehaltsverhandlung gekonnt überhört hat. Willkommen im Zeitalter des Unghostings – Personalnot macht eben erfinderisch.
Unghosting: Was soll das bitte heißen?
Unghosting ist das neue Ghosting – nur rückwärts. Wer nach der Kündigung oder dem Bewerbungsprozess wie vom Erdboden verschluckt war, taucht Monate später plötzlich wieder auf. Personaler, die sich nie auf deine Bewerbung gemeldet oder dich nach dem Vorstellungsgespräch hängen lassen haben. Chefs, die beim Offboarding kaum Tschüss gesagt haben. Und jetzt? Wollen sie plötzlich „in Kontakt bleiben“ oder „noch mal über deine Entwicklung sprechen“.
Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?
Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht und ist seither in Bewewegung. Fachkräftemangel, hohe Wechselbereitschaft, schlechte Candidate Experience – Unternehmen merken: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Und wer früher Ghosting betrieben hat, muss jetzt unghosten, um morade Brücken zu retten.
Recruiting wird zum Bumerang. Plötzlich gelten einst aussortierte Bewerber wieder als spannend. Man nennt das heute Boomerang-Recruiting oder auch Rehiring – oder etwas schicker: „Talent Relationship Management“. Auch begrifflich ist man hier sehr flexibel.
Wo trifft man auf Unghosting?
Nach monatelanger Stille nach dem Exit-Interview kommt plötzlich eine freundliche Mail mit einem Job- oder Entwicklungsangebot. Auch ehemalige Kollegen melden sich auf LinkedIn mit Sätzen wie: „Lass uns mal quatschen.“ Oder der frühere Chef lädt zu einem „Kaffee-Chat“ ein – natürlich remote. Manchmal trifft Unghosting also nicht nur Bewerber, sondern auch Ex-Mitarbeitende, die vor Monaten oder sogar Jahren gekündigt haben. Unternehmen hoffen auf ein Comeback – gern verpackt als Einladung zum Austausch.
Was früher ein klarer Fall von Funkstille nach der Trennung war, wird heute zur zweiten Chance stilisiert. Oder zum plumpen Versuch, die graue Karteileiche zu reanimieren.
Schon gewusst: Laut einer aktuellen JobTeaser-Studie aus 2024 wurden drei Viertel der Gen Z bereits im Bewerbungsprozess geghostet – oft nach einem guten ersten Gespräch. Auch die hälfte der befragten Personaler gaben offen zu, schon einmal Jobkandidaten geghostet zu haben. Das macht das spätere Unghosting nicht nur unglaubwürdig, sondern manchmal auch ärgerlich.
Warum ist Unghosting problematisch?
Weil Vertrauen ein Verfallsdatum hat. Wer sich beim ersten Mal mies behandelt fühlte, kommt selten mit offenen Armen zurück. Unghosting wirkt oft wie die Verzweiflungstat eines Arbeitgebers, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Employer Branding ist eben keine Einbahnstraße. Wer Kandidaten ignoriert oder dementsprechend behandelt, darf später nicht auf Loyalität oder Freudensprünge hoffen.
Wie sollte ich auf Unghosting reagieren?
- Gefühle sortieren: Ist da echtes Interesse – oder nur Not am Mann?
- Transparenz fordern: Warum jetzt? Warum gerade du?
- Grenzen setzen: Wertschätzung sieht anders aus als: „Wir haben da was.“
Und: Wer unghostet wird, hat plötzlich die Macht. Schön zurücklehnen und erinnern: Damals, als du auf ein Lebenszeichen gewartet hast…
Unghosting – zweite Chance oder zweite Enttäuschung?
Unghosting kann eine Chance sein, aber nur, wenn’s ehrlich gemeint ist. Wer im ersten Anlauf respektvoll behandelt wurde, darf beim zweiten Mal ruhig neugierig sein. Ein Comeback lohnt sich dann, wenn sich echte Veränderungen erkennen lassen:
Wenn neue Ansprechpartner im Spiel sind,
wenn dein Wert klar benannt wird,
und wenn konkrete Perspektiven geboten werden.
Anders gesagt: Wenn du das Gefühl hast, dass du heute mit offenen Armen, mit Respekt, mit echtem Interesse empfangen wirst, dann kannst du den Schritt zurück wagen. Alle anderen? Sagen besser höflich, aber bestimmt: Nein, danke. Denn in der Karriere ist es wie in der Liebe: Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch.