Du sitzt im Meeting. Die Führungskraft präsentiert ihre Idee, alle nicken. Nur du denkst: „Das ist doch Murks.“ Du hebst die Hand und lässt sie wieder sinken. Weil du nicht anecken willst. Weil du nicht der oder die Einzige sein willst, die etwas sagt. Weil du Angst hast, dich zu blamieren.

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Was in diesem Moment fehlt, ist psychologische Sicherheit. Und genau sie ist der stille Erfolgsfaktor, den viele Teams nicht auf dem Schirm haben, aber dringend bräuchten.

Was bedeutet psychologische Sicherheit?

Der Begriff wirkt auf den ersten Blick nach Wohlfühlkultur, nach einem weiteren Buzzword im New-Work-Kosmos. Vielleicht sogar ein bisschen esoterisch. Aber tatsächlich steckt dahinter ein knallhartes Prinzip für funktionierende Zusammenarbeit.

Geprägt hat den Begriff Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School. Für sie bedeutet psychologische Sicherheit, dass Menschen im Team keine Angst davor haben, sich zu äußern. Sie dürfen Fragen stellen, Fehler zugeben, Zweifel äußern oder neue Ideen einbringen – ohne dafür bloßgestellt oder kritisiert zu werden. Es geht um ein emotionales Grundvertrauen, das es Menschen erlaubt, sich verletzlich zu zeigen. Und das ist nichts Weiches, sondern verdammt mutig.

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Denn nur wer keine Angst hat, kann offen sprechen. Nur wer offen sprechen kann, wird mitdenken. Und nur wer mitdenkt, kann beitragen. So einfach – und so herausfordernd – ist das.

Warum fehlt diese Sicherheit in so vielen Teams?

Viele Unternehmen schreiben sich Innovation groß auf die Fahne, erwarten Eigenverantwortung und kreative Ideen – belohnen aber in der Praxis vor allem Anpassung. Wer kritisch ist, gilt schnell als schwierig – als Nörgler. Wer fragt, riskiert als Dummkopf dazustehen. Und wer Fehler eingesteht, bekommt sie unter Umständen noch Jahre später aufs Brot geschmiert.

Die Mechanismen dahinter sind alt, wirken aber immer noch zuverlässig:

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  • Hierarchien führen dazu, dass sich Menschen mit weniger Macht oft nicht trauen, unbequeme Dinge auszusprechen – aus Angst vor Repressalien.
  • Führungskräfte, die selbst nie Unsicherheit zeigen, spiegeln genau das ins Team zurück.
  • Und viele von uns haben gelernt: Wer stark sein und wirken will, zeigt keine Schwächen. Also schweigen wir lieber.

Wie sich fehlende psychologische Sicherheit im Alltag zeigt

Du siehst sie nicht, aber du spürst sie. Diese beklemmende Stille, wenn niemand widerspricht – obwohl alle zweifeln und die Stirn runzeln. Diese gespielte Harmonie, die sich irgendwie falsch anfühlt. Diese leeren Floskeln in Meetings, die vor allem eins sagen: „Sag bloß nichts Falsches.

Typische Situationen? Die gibt es überall:

  • Beim Daily Standup sagt der Entwickler: „Alles im grünen Bereich.“ In Wahrheit hängt das Projekt. Zwei Wochen später gibt es ein Notfallmeeting.
  • Die neue Kollegin versteht zentrale Prozesse im Onboarding nicht – traut sich aber nicht zu fragen, weil sie nicht inkompetent wirken will.
  • Im Strategiemeeting liegt eine unausgereifte Roadmap auf dem Tisch. Alle sehen die Lücken, aber niemand kritisiert. Schließlich kommt der Plan von ganz oben.

Warum psychologische Sicherheit so entscheidend ist

Weil ohne sie kein echtes Lernen möglich ist. Keine Entwicklung. Keine Innovation. Und auch keine ehrliche Zusammenarbeit. Dabei zeigen Studien längst: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind produktiver, kreativer und machen weniger Fehler, weil sie eben offen über Fehler sprechen können. Sie sind schneller, weil niemand Energie darauf verwenden muss, stark oder perfekt zu wirken. Und sie sind motivierter, weil ihre Beiträge ernst genommen und aufgefriffen werden. Psychologische Sicherheit ist also die Grundlage für echte Team-Performance.

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Was Führungskräfte dazu beitragen können – und müssen

Führung hat einen enormen Einfluss auf das emotionale Klima eines Teams. Man kann es sich vorstellen wie eine Klimaanlage: Sie bestimmt, ob es warm und offen ist – oder kalt und angespannt. Und oft merken Führungskräfte gar nicht, wie stark sie dieses Klima prägen.

Wer als Chef nie eigene Fehler zugibt, schafft kein Vertrauen. Wer auf Kritik mit Abwehr reagiert, verhindert Diskussionen. Wer ständig monologisiert, bekommt keine Impulse.

Gute Führung bedeutet nicht, alles zu wissen. Sondern auch mal zu fragen: „Was seht ihr anders?“ Es bedeutet, Stille zu adressieren, nicht zu ignorieren. Und es bedeutet, eigene Schwächen nicht zu verstecken, sondern sie bewusst zu zeigen. Denn das macht auch anderen Mut.

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Aber: Psychologische Sicherheit ist nicht nur Chef-Sache

So groß die Rolle der Führung ist – sie ist nicht allein verantwortlich. Auch Teammitglieder gestalten das Klima mit. Durch ihr Verhalten. Ihre Sprache. Ihre Reaktionen.

Wer psychologische Sicherheit will, muss sie auch selbst mit aufbauen. Das kann heißen, ganz salopp eine Frage zu stellen. Es kann bedeuten, jemandem Rückhalt zu geben, der sich traut, etwas Kritisches zu sagen. Oder selbst einen unangenehmen Punkt anzusprechen. Ja, das ist manchmal unbequem. Aber es ist der einzige Weg raus aus der kollektiven Komfortzone.

Was passiert, wenn psychologische Sicherheit fehlt?

Dann wird im und mit dem Team nicht diskutiert, sondern genickt. Dann wird nicht gefragt, sondern geraten. Dann machen zwar alle irgendwie ihren Job – aber niemand mit Herzblut und echter Leidenschaft. Man kann sich fehlende psychologische Sicherheit wie ein Sandkorn im Getriebe vorstellen: Niemand sieht es, aber alle spüren und hören, dass etwas knirscht. Dass etwas nicht rundläuft. Ideen versickern. Probleme werden verschwiegen. Potenzial verpufft.

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Also: Fang an. Rede. Höre zu. Frag nach.

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