Viele Führungskräfte kehren ihre Fehler unter den Teppich. Eine traurige Bilanz, laut EY-Studie vor allem in der folgende Branche.

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Fehler bieten Wachstumschancen. Aber sie haben bis dato einen desaströsen Ruf. In Unternehmen ist eine positive Fehlerkultur eine Art Exot. Zu den traurigen Spitzenreitern in Sachen Führungskultur und Fehler soll laut EY Fehlerkultur-Report 2023 die Finanzbranche gehören.

Ganze 82 Prozent der befragten Führungskräfte in der Finanzbranche sollen demnach angegeben haben, nicht ganz ehrlich zu sein: Sie verschweigen manchmal ihre Fehler. Eine traurige Bilanz. Nicht aber, weil Fehler vorkommen, sondern weil sie systematisch unter den Teppich gekehrt werden. Und weil Kollegen – und auch sich selbst – die Chance genommen wird, zu verstehen, zu wachsen und es besser zu machen.

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Fehler verschweigen sei „gefährlich“, findet New-Work-Experte

Nelson Taapken, Experte für Transformationsthemen, bezeichnet die Tendenz von Führungskräften, über Fehler nicht offen sprechen zu können, gar als „gefährlich“. Denn das Fehlermanagement dieser habe einen bedeutenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. So spielt die Führungskultur grundsätzlich eine wichtige Rolle, wenn es um die Innovationskraft, Stärke und Mitarbeiterbindung geht.

Ohne Fehler geht es grundsätzlich nicht; sie sind Voraussetzung, um wachsen zu können, doch das Zugeben dieser fühlt sich – nicht nur für Führungskräfte – manchmal wie eine Höllenqual an. Sie können beschämend sein und wir führen zumeist einen inneren Konflikt mit ihnen. Gerade aufgrund der Vorbildfunktion von Führungskräften aber ist es wichtig, Fehler als das zu betrachten, was sie eigentlich sind: eine Bedingung, um erfolgreich zu sein. Zu ihnen zu stehen, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Warum verschweigen Führungskräfte ihre Fehler?

Schauen wir uns die Zahlen des EY-Reports an, spielt die Scham, mit der wir Fehler häufig verbinden, eine wichtige Rolle. Rund 48 Prozent sprechen nicht über das, was sie falsch machen, weil sie sich vor einem Gesichtsverlust fürchten. Angst davor, die Sachen packen zu müssen, weil es zu einer Kündigung kommen könnte, wenn sie ihre Fehler zugeben, haben laut Report 53 Prozent der Führungskräfte.

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Das Verstecken der eigenen Fehler hat – für ca. 68 Prozent – aber grundsätzlich damit zu tun, dass es zu Karrierenachteilen kommen könnte. Dies wiederum lässt vermuten, dass nicht nur Fehler verschwiegen, sondern infolgedessen logischerweise auch häufiger geflunkert wird, um die Verantwortung für einen Fauxpas von sich zu schieben, beispielsweise in die Schuhe von Kollegen oder Mitarbeitern.

Beliebte Taktiken: Wie werden Fehler am liebsten verschwiegen?

Nun bedeutet Verschweigen aber nicht gleich Verschweigen. Es sind einige Taktiken aus der Führungsebene bekannt und verbreitet, um den Fokus von begangenen Fehlern schlichtweg in eine andere Richtung zu lenken:

1. Vertuschen: „Ist nicht mein Fehler. Ich war das nicht.“

Es ist die wohl gängigste Taktik, sich als unschuldig darzustellen, um Fehler so schnell wie möglich unter den Teppich zu kehren. Vor allem bei fehlenden Beweisen. Denn: Wer soll das Gegenteil belegen können?

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Bei dieser Art der Vertuschung handelt es sich zumeist um den ersten Schritt, um Fehler heimlich unter den Teppich zu kehren. Es folgen weitere Taktiken, die zwangsweise darin enden, sich eine Schwindelei nach der nächsten ausdenken zu müssen. Ein anstrengendes Unterfangen, welches in einem Konstrukt aus Lügen endet – und deshalb keineswegs eine Lösung darstellt, um einen gesunden Umgang mit eigenen Patzern zu finden.

2. Verantwortung abschieben: „Das ist deine Schuld.“

Eine durchaus clevere und bewährte, aber auch schädliche Taktik ist, andere in den Mittelpunkt zu rücken, um die Verantwortung für einen Fehler schlichtweg abzugeben. Für Führungskräfte, die sich in einer Machtposition befinden, ist ein solches Verhalten keine Kunst, sondern ein logischer und einfacher Weg, um erfolgreich von eigenen Fehlschlägen abzulenken.

Ergo: Scheitert ein Projekt aufgrund eines eigenen Fehlers, ist es naheliegend, sich Mitarbeiter herauszupicken und sie als Zielscheibe zu nehmen, um Beschämung und einen Gesichtsverlust abzuwenden.

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3. Gegenangriff und Empörung: „Was fällt dir überhaupt ein?“

Ein weiterer Weg, um Fehler gekonnt unter den Teppich zu kehren, ist, zum Gegenangriff überzugehen: Kollegen und Mitarbeiter werden beschämt, denn es könne doch nicht sein, die Autorität des Chefs in Frage zu stellen? Die Empörung wird dramaturgisch kunstvoll aufbereitet – ein Weg, um noch besser von einem Fauxpas ablenken zu können.

Vor allem toxische Chefs nutzen gezielt Manipulationstechniken, um Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, dass diese tatsächlich für den Fehler der Führungskraft verantwortlich sind. Und es klappt – vor allem bei Mitarbeitern, die ohnehin verunsichert sind.

Schwerwiegende Fehler zugeben: Ein Drahtseilakt für unsichere Persönlichkeiten

Lappalien lassen sich zumeist ausbügeln. Fehler, die Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens nehmen, Mitarbeiter einschränken und schädigen oder dazu führen, dass bedeutende Projekte gefährdet werden, haben hingegen ein anderes Gewicht. Sie zuzugeben, ist oft ein Drahtseilakt für Führungskräfte. Je größer der Fehler, desto komplizierter.

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Aber es lohnt sich. Chefs, die Fehler zugeben, sind zumeist vertrauenswürdiger und vor allem berechenbarer. Zwei wichtige Faktoren, um in der neuen Arbeitswelt erfolgreich bestehen zu können.

Um zu einem Fehler zu stehen, muss zumeist jedoch verstanden werden, was sich hinter der Fluchtreaktion verbirgt, wenn wir zu keinem Preis die Schuldigen sein möchten. Es sei eine evolutionsbedingte Reaktion, so Psychologin Silke Datzer. Menschen versuchten demnach, Fehler unbedingt von sich fernzuhalten, sagt die Nürnbergerin, die in ihrer Praxis auch Coachings für Führungskräfte anbietet.

Die Expertin verweist auf einen wichtigen Einflussfaktor: Vor allem selbstsicheren Personen falle es insgesamt leichter, zu einem Fehler zu stehen. Schwierigkeiten hätten Menschen mit einem ohnehin geringeren Selbstwert – denn Fehler, die wir begingen, bestätigten unser inneres Selbstbild. Umso herausfordernder ist es demnach, für einen Fehltritt geradezustehen und zumeist hilft die Stärkung des Selbstwerts, um einen besseren Umgang zu finden. Der Weg kann kompliziert sein und führt oft zurück zu unseren Wurzeln und schließt Kindheitsprägungen ein. Sich diesen stellen zu müssen, kann mitunter schmerzhaft sein.

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New Work: Positive Fehlerkultur gehört zum Erfolgsfundament

Wer unter einem festgefahrenen psychischen Abwehrmechanismus leidet und vor Fehlern davonläuft oder diese immer wieder unter den Teppich kehrt, muss mit Konsequenzen rechnen. So soll Verdrängung auf Dauer nicht nur unglücklich machen, sondern auch eine Belastung für die Seele darstellen, die zu ernsthaften psychischen Problemen führen kann.

Für Führungskräfte bedeutet dies, in einer ohnehin stressigen Position, Ballast bei Angestellten eines Unternehmens abwerfen zu müssen. Impulsive Reaktionen sind dann keine Seltenheit. Dabei erfordert die Arbeit in New Normal, dass vor allem Chefs als Vorbild vorangehen und bereit sind, an sich zu arbeiten.

Ob in der Finanzbranche oder in anderen Sektoren: Die erfolgreiche Transformation von Unternehmen und Arbeitgebern baut unter anderem darauf, dass Führungspersonen Verantwortung übernehmen, weil sie im Wandel eine Schlüsselrolle einnehmen. Für Unternehmen, für Mitarbeiter, für sich selbst, für alle Beteiligte kann es eine Wohltat sein, einen konstruktiven Umgang mit Misserfolgen zu finden, die auf eigenen Fehlern beruhen. Nicht nur das – eine tolerante Fehlerkultur ermöglicht, Fehler als das einzuordnen, was sie eigentlich sind. Sie sind keine Schwäche. Sie sind eine Möglichkeit, um zu wachsen und Verantwortung zu übernehmen.

Bild: MangoStar_Studio/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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