Heute Führungskraft, morgen arbeitssuchend: Auch leitende Angestellte können entlassen werden. Kündigungsschutzexperten erklären, welche Fehler Betroffene jetzt vermeiden sollten.

Alexander Bredereck ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Seine Empfehlung: Wenn Führungskräfte gekündigt werden, sollten diese sich möglichst schnell um eine Beratung bei einem spezialisierten Anwalt kümmern. Denn die Zeit tickt.

Obwohl leitende Angestellte in erster Linie auch „einfach nur“ Arbeitnehmer sind und einen Arbeitsvertrag mit ihrem Arbeitgeber geschlossen haben, gibt es hier einige Besonderheiten zu beachten. So ist die Kündigung einer Führungskraft häufig auch mit einem Gesichts- und Statusverlust verbunden: Wer sich in einer hohen Position befindet, muss damit rechnen, dass die Kündigung in der Branche und unter der Belegschaft nicht geheim bleibt und wie ein Lauffeuer die Runde macht. Und die Gründe für die Entlassung einer so wichtigen Person mit viel Verantwortung müssen zweifelsohne gravierend sein und wecken Neugier.

Neben dem möglichen Imageschaden kämpfen Betroffene damit, ihre weitere Existenz durch einen neuen Arbeitsplatz zu sichern, zunächst aber über mehrere Monate kein Geld mehr vom Arbeitgeber zu bekommen und so manchmal auch in Sorgen und Zukunftsängste zu versinken. Es handelt sich um eine psychische und finanzielle Belastungssituation. Aber einfach so das Handtuch schmeißen? Kündigungsschutzexperte Bredereck rät zu einer schnellen Reaktion.

Ich habe eine Kündigung als Führungskraft erhalten – was tun?

Aus einigen wesentlichen Gründen sollten Betroffene laut Anwalt Bredereck nicht allzu lange damit warten, ihre Kündigung zu thematisieren und über Möglichkeiten nachzudenken, so viel Positives wie möglich für sich herauszuholen. Denn auch leitende Angestellte haben Rechte als Arbeitnehmer und sollten diese nicht unterschätzen.

1. Arbeitsplatz retten:

Betroffene leitende Angestellte genießen, wie auch bei anderen Arbeitnehmern, Kündigungsschutz, der nach einem halben Jahr Betriebszugehörigkeit wirksam wird. Der Nachteil: Der Schutz bei Führungskräften ist oft eingeschränkt. Denn anders als bei „gewöhnlichen“ Mitarbeitern, müssen Arbeitgeber einen Auflösungsvertrag bei leitenden Angestellten üblicherweise nicht begründen, wenn sie diesen vor Gericht stellen. Unter Umständen ist es aber möglich, den Arbeitsplatz vielleicht sogar zu retten. Anwaltliche Beratung und Hilfe wird deshalb empfohlen.

Auch Hochschullehrer und Jurist Prof. Dr. Arnd Diringer schätzt die Lage für gekündigte Führungskräfte etwas kritischer ein. Wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, so Diringer, müssen Arbeitgeber oft nicht einmal abmahnen. Der Maßstab bei Führungskräften sei insgesamt strenger. Eine Kündigung ist demnach häufig leichter durchzuführen.

2. Hohe Abfindung erkämpfen:

Kann der Job nicht gerettet werden, – und oft möchten gekündigte Führungskräfte wegen des Vertrauensverlusts auch gar nicht mehr für den entsprechenden Arbeitgeber arbeiten – sollte sich rechtzeitig um eine hohe Abfindung bemüht werden. Dabei gilt: Je eher ein Arbeitgeber bereit und bemüht ist, einen Arbeitnehmer so schnell wie möglich loszuwerden, desto größer die Chance für Betroffene, sich eine hohe Abfindung zu erkämpfen, so Bredereck.

Fehler vermeiden: Das sollten leitende Angestellte unbedingt wissen

Einen wesentlichen Fehler, den viele leitende Angestellte laut Experte Bredereck begehen: Sie stufen sich als Führungskraft ein, obwohl sie es – zumindest aus rein juristischer Sicht – gar nicht sind. Denn vor Gericht und im Ernstfall ist die eigene Einschätzung oft nicht von Belang, sofern spezielle Kriterien, die leitende Angestellte erfüllen müssen, nicht erfüllt werden. Auch wenn Arbeitnehmer Aufgaben erledigen, die „typisch“ für Führungskräfte sind, muss vor Gericht lediglich bewiesen werden, ob sie tatsächlich leitende Angestellte sind.

Wie aber werden leitende Angestellte von normalen Angestellten (vor Gericht) unterschieden? Ein einfaches Beispiel macht die Differenzierung besonders deutlich: Leitende Angestellte haben die Befugnis, Arbeitnehmer selbstständig zu entlassen und einzustellen. Wer für diese Aufgaben immer noch eine Unterschrift vom Arbeitgeber benötigt oder die Entscheidung mit anderen Kollegen gemeinsam treffen muss, besitzt kein alleiniges Entscheidungsrecht – und ist deshalb auch keine Führungskraft.

Wenn ein Betroffener um seine Rechte kämpfen will und auf größeren Erfolg hofft, muss dieser deshalb schlicht und ergreifend beweisen, dass die eigenen Entscheidungen erst gültig werden, wenn der eigentliche Chef diese absegnet. Es sei zumeist günstiger, so Bredereck, wenn Betroffene im Fall einer Kündigung in Wahrheit tatsächlich „normale“ Arbeitnehmer sind. Denn dann genießen sie andere Rechte; beispielsweise, dass Arbeitgeber einen Auflösungsvertrag begründen müssen. Falscher Stolz sollte im Rechtsstreit also abgelegt werden, weil es in Wahrheit aus juristischer sogar hilfreich sein kann, eigentlich keine Führungskraft zu sein.

Leitende Angestellte sind in Wahrheit eher „selten“

In vielen Fällen, so Jurist Diringer, sei der leitende Angestellte ohnehin ein recht rares Stellenprofil. Heißt: In Wahrheit fehlt vielen die Personalbefugnis und Entscheidungsmacht, sodass sie rein juristisch, und das ist am Ende im Streitfall entscheidend, einfach keine leitende Angestellten im Unternehmen sind.

Kommt es tatsächlich zum Streitfall und ist die Führungskraft eigentlich gar keine, genießt sie aber einen noch weiteren Vorteil: Wer bereits über mehr Verantwortung als gewöhnlich besitzt und als leitender Angestellter im Unternehmen behandelt wird, kennt das Unternehmen zumeist so gut wie die eigene Westentasche. Internen Abläufe sind bekannt. Der Zugriff auf Informationen und Dokumente, die anderen Arbeitnehmern verwehrt bleiben, ist ebenfalls kein Problem. Dieses Wissen ist häufig ein Benefit. Denn damit ist es manchmal einfacher, sich ein faires Urteil zu erkämpfen, indem Schwachpunkte gezielt aufgedeckt und verwendet werden, um sich im Ernstfall zu wehren.

Kurz: Die „goldene Kombination“ im Falle einer Entlassung ist also, zumindest einen Teil der Führungsverantwortung zu haben, ohne Personalbefugnis zu besitzen.

Neustart für entlassene Führungskräfte – oft kein Zuckerschlecken

Ob ein höheres Alter bei der Kündigung, hohe Erwartungen von neuen Arbeitgebern oder die Überqualifizierung für offene Stellen: Wer bisher Leitungsaufgaben übernommen hat, landet oft im kalten Wasser – denn für Menschen mit Führungserfahrung und einer entsprechenden Qualifikation ist es nicht immer leicht, eine neue Stelle zu finden. Neben den überhöhten Erwartungen an Arbeitnehmer, haben Betroffene auch mit einer kleineren Stellenauswahl zu kämpfen, obwohl Personal an allen Ecken fehlt.

Dennoch sollten ehemalige Berufstätige, die sich plötzlich auf dem Abstellgleis befinden, nicht aufgeben: Wenn es realistisch ist, kommt ein Branchenwechsel und damit ein kompletter Neustart infrage. Sofern Ex-Leitende eine Position suchen, die ihrer alten ähnlich ist, kann es sich aber auch lohnen, einen Headhunter mit entsprechenden Kontakten mit ins Boot zu holen.

Übrigens: Wer über ein breiteres berufliches Netzwerk verfügt, sollte dieses jetzt nutzen, um neue Karrierechancen auszuloten. Ob Selbstständigkeit oder eine neue Führungsposition – nach dem Schock und der Trauer um den alten Arbeitsplatz wird es Zeit, nach vorne zu blicken.

Fazit

Wer als Führungskraft plötzlich selbst eine Kündigung in der Hand hält, sollte sich vom Fachanwalt beraten lassen. Vor allem bei Unsicherheiten gilt es, die juristische Expertise zu nutzen, um in keine Fettnäpfchen zu treten. Denn die Wahrheit ist, dass viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich nicht einmal darüber bewusst sind, ob aus rein juristischer Sicht das Kriterium der Personalbefugnis vorliegt und ob Betroffene leitende Angestellte sind – oder eben nicht. Dieser Unterschied kann im Streitfall entscheidend sein.

Bist du selbst von einer Kündigung betroffen, ist der Schock verständlich und auch die Phase der Wut und Trauer fühlt sich lähmend an. Dennoch lautet der Rat vieler Kündigungsschutzexperten, dass wir uns möglichst rasch darum bemühen sollten, Klarheit zu schaffen und um unsere Rechte zu kämpfen.

Hinweis: Der Artikel informiert, kann eine Rechtsberatung aber weder ersetzen, noch besteht der Anspruch darauf. Betroffene sollten sich deshalb an einen Fachanwalt wenden, um Unterstützung zu erhalten.

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