An der Spitze kann es einsam werden. Wie das Ego von Führungskräften dazu beiträgt, in einer isolierten Blase zu landen, welche Gefahren Teams und Unternehmen drohen – und was dagegen hilft.

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Key Facts:

  • Hybris-Syndrom und Führungskräfte: Das Hybris-Syndrom beschreibt ein auffälliges Verhalten bei Führungskräften, das durch Übermut, Stolz und Arroganz gekennzeichnet ist und häufig zu einem übermäßig großen Ego führt.
  • Typische Anzeichen eines aufgeblähten Egos: Zu den häufigsten Symptomen gehören permanente Selbstüberschätzung, Unfähigkeit zur Selbstkritik, ständiger Kampfmodus, Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung sowie die Erniedrigung anderer.
  • Negative Auswirkungen auf Führung: Ein egozentrierter Führungsstil kann den Teamgeist ersticken, das Wachstum gefährden, die Entscheidungsfindung beeinträchtigen und Beziehungen sowie den Ruf schädigen.

Schon in der griechischen Mythologie gab es das Ego

In der griechischen Mythologie verkörpert die Nymphe „Hybris“ Übermut, Unverschämtheit, Stolz und Arroganz. Darauf basierend haben Psychiater Jonathan Davis und der ehemalige Politiker und Neurologe David Owen ein für Führungskräfte auffälliges Verhalten beschrieben. Sie tauften es „Hybris-Syndrom“.

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Was es damit auf sich hat: Den Untersuchungen der Wissenschaftler nach neigen Menschen in Machtposition dazu, ein übermäßig großes Ego zu entwickeln. Dieses würde sich so sehr aufblähen, dass es tendenziell zu Größenwahn kommt. Zwar wären im Gehirn keine physiologischen Veränderungen beobachtbar. Dennoch seien die Verhaltensmuster auffällig ähnlich. Prominente Beispiele seien George W. Bush und Margaret Thatcher.

Typische Anzeichen für ein aufgeblähtes Ego:

  • permanente Selbstüberschätzung
  • unfähig Selbstkritik zu üben
  • ständiger Kampfmodus, um sich immer ins rechte Licht zu rücken
  • die Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung
  • die Erniedrigung von anderen
  • oft Einsamkeit, die eintritt, sobald andere sich langsam distanzieren
  • häufig nur kürzere Beziehungen, um den Bestätigungsdrang immer wieder zu stillen
  • auffällig großes Konkurrenzdenken
  • unrealistische Erwartungen an andere
  • manipulatives Verhalten
  • Angeberei, Protzerei

Wozu dient unser Ego?

Dein Ego ist nicht per se schlecht. Diplom-Psychologe Christian Hemschemeier beschreibt es gar als eine Art Schutz. Es hilft uns zum Beispiel dabei, uns in ernsten Situationen zu verteidigen und uns für unseren Stolz und unsere Würde einzusetzen. Das Ego hat also seine Daseinsberechtigung.

Einen Haken gibt es aber: Wenn wir zu viel davon haben, kann es toxisch werden. Dann neigen wir insbesondere als Mensch in Führungsposition mit Entscheidungsmacht möglicherweise dazu, unser Ego ordentlich zu „polieren“. Denn bis zum Weg an die Spitze haben wir immer größere Erfolge verbucht. Das schmeichelt dem Ego. Generell schmeichelt dem Ego alles, was mit Anerkennung und den neidvollen Blicken der anderen zu tun hat.

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Egozentrierter Führungsstil und seine Folgen

Das Ego kann in der Führung zwei Gesichter. Während ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein notwendig für die Entscheidungsfindung und Risikobereitschaft ist, kann ein ungezügeltes Ego zahlreiche organisatorische und zwischenmenschliche Probleme verursachen.

Ein egozentrierter Führungsstil fokussiert sich auf das Selbst anstatt auf das Kollektiv, auf persönliche Anerkennung anstatt auf den Teamerfolg und auf Sturheit anstatt auf Anpassungsfähigkeit. Diese Haltung kann Wachstum, Innovation und Zusammenarbeit ersticken – alles essentielle Komponenten erfolgreicher Organisationen.

Typische Auswirkungen eines übermäßigen Egos

  1. Ego hindert Zuhören und Lernen: Eine der wichtigsten Eigenschaften guter Führung ist die Fähigkeit, von anderen zu lernen, unabhängig von deren Position oder Status. Eine egozentrische Führungskraft betrachtet Führung jedoch als eine Einbahnstraße, in der Anweisungen nach unten gegeben werden und Feedback ignoriert oder zurückgewiesen wird. Diese Denkweise entfremdet nicht nur die Teammitglieder, sondern schließt auch wertvolle Möglichkeiten für persönliches und organisatorisches Wachstum aus.

    Ein Beispiel für ein solches Versagen ist der Niedergang von Nokia, dessen Führungskräfte Marktanforderungen und Innovationen von Wettbewerbern ignorierten.
  2. Ego erstickt Teamgeist: Ego kann die Bindungen innerhalb eines Teams gefährden und harte Wettbewerbskultur statt Teamwork schaffen. Ein positives Beispiel hierfür ist Satya Nadella bei Microsoft, der eine „Wachstumseinstellung“ betonte und die Zusammenarbeit sowie die kollektiven Erfolge über persönliche Anerkennung stellte.
  3. Ego gefährdet Wachstum: Ein übertriebenes Ego kann die Anpassungsfähigkeit erheblich behindern, indem es Führungskräfte in eine starre Denkweise verstrickt, die regelrecht gegen Veränderungen und frische Ideen resistent ist.
  4. Ego beeinträchtigt die Entscheidungsfindung: Eine übermäßige Selbstüberschätzung kann zu voreingenommenen Entscheidungen führen, die eher auf persönlichem Stolz und Eitelkeit als auf objektiven Daten basieren.
  5. Ego schädigt Beziehungen und den Ruf: Ein ungezügeltes Ego kann den Ruf einer Führungskraft erheblich und des gesamten Unternehemnes schädigen, indem es Empathie verhindert und Misstrauen fördert.

Was sind die Ursachen für ein zu großes Ego?

Grundsätzlich kann hinter einem großen Ego ein geringes Selbstwertgefühl stecken. Erlangen wir Macht und Einfluss, kommt dieses besonders gut zur Geltung. Deshalb sind Menschen mit großem Ego nie „unauffällig“. Sie protzen, zeigen, was sie haben und holen sich überall und zu jeder Zeit ihre Bestätigung ab. Denn das Mitteilungs- und Geltungsbedürfnis ist hoch.

Wichtig: Manchmal handelt es sich auch um ein narzisstisches Verhaltensmuster, welches wir in den Chefetagen häufiger vorfinden. Der ausgeprägte Narzissmus ist jedoch eine Persönlichkeitsstörung, die nicht zwingend vorliegen muss, wenn es um ein aufgeblähtes Ego geht.

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Was kann man gegen ein übermäßig großes Ego tun?

Möglicherweise landest du in einer Art „Führungsblase“: Niemand steht mit dir auf einer Ebene und du distanzierst dich räumlich und gedanklich immer mehr von deinen Mitarbeitern und Kollegen. Suchst du die Nähe, wirst du schnell feststellen, dass du gemieden wirst. So kann das Ego dazu beitragen, dir mehrere Stolpersteine zu stellen. Es hindert dich daran, eine authentische, rücksichtsvolle Führungskraft zu werden.

Was du jetzt tun kannst:

  • Suche aktiv die Nähe der anderen, ohne zu prahlen. Das bedeutet auch: Versuche dich nicht aufzudrängen oder in den Mittelpunkt zu stellen.
  • Gib dich vermehrt mit Kollegen ab, die dein Ego ruhenlassen. Wenn du dich in einer Machtposition befindest, wirst du häufig merken, dass Menschen um dich herum versuchen, dir zu gefallen – und das füttert dein Ego zusätzlich. Umso wichtiger ist die Verbindungssuche nach Gleichgesinnten, die dir jederzeit Paroli bieten können und dir auch mal ihre Meinung sagen.
  • Übe dich unbedingt in Dankbarkeit. Denn Dankbarkeit steht im Kontrast zu unserem Ego, welches es uns manchmal nicht ganz so einfach macht.
  • Sei bereit für eine persönliche Weiterentwicklung. Auch wenn du viel weißt und dein Wissen gerne teilst – wir lernen nie aus.
  • Verstecke deine Fehler nicht und zeige dich nahbar, um nicht arrogant zu wirken und dein Umfeld zu verscheuchen.

Wann Ego zur Gefahr werden kann

Eine echte Gefahr kann unser Ego dann werden, wenn wir bereit sind, für Ruhm, Anerkennung und Bestätigung Grenzen zu überschreiten. Dann beginnst du, andere emotional zu manipulieren. Auch von dir unterschätztes Feedback kann zur Gefahr werden, wenn du dieses nicht ernst nimmst.

Menschen mit einem großen Ego neigen auch dazu, bevorstehende Aufgaben als lächerlich leicht abzutun. Das bedeutet, dass wir eine echte Herausforderung wegen unserer Selbstüberschätzung schlichtweg unterschätzen – und das kann in ernsten Situationen zur Gefahr werden.

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Tipp: Wer als Führungskraft an sich arbeiten möchte, sollte seinen eigenen Wert besser kennenlernen. Geht es dir um Geltung und Bestätigung von anderen? Oder handelst du doch intrinsisch motiviert, also „für dich“ und nicht, um andere zu beeindrucken?

Fazit: Dein Ego hat mehrere Funktionen

Dein Ego erfüllt gleich mehrere Funktionen: Es schützt dich einerseits und führt oft dazu, Höchstleistungen zu erbringen. Denn du befindest du dich dauerhaft in einem Kampfmodus; die Konkurrenz lauert schon.

Andererseits kann zu viel davon auch giftig werden, wenn du in Führungsposition bist. Dann neigst du als Vorgesetzter möglicherweise dazu, die Nähe zu deinen Angestellten und deinen Teamkollegen zu verlieren – und landest so in einer Isolationsblase.

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Merke dir: Unser Ego steht einer guten Führung eindeutig im Weg. Ist es zu groß, versperrt es dir den Weg zum Erfolg. Deshalb gilt es, an sich zu arbeiten, um seinem Team ein guter Chef sein zu können.

Bild: Arbeits-ABC/Midjourney