Doch wo sich eine Tür schließt, öffnet sich bekanntlich ein Supermarkt. Oder ein Pflegeheim. Oder ein Restaurant. Willkommen in der paradoxen Jobwelt 2025: Rezession trifft Fachkräftemangel. Und mittendrin steht – mit wachsender Bedeutung – der Quereinstieg.

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Quereinstieg: Was steckt dahinter?

Ob Mechatronikerin an der Supermarktkasse oder Kulturwissenschaftler in der Pflege: Quereinstieg bedeutet, beruflich in einem Feld zu landen, für das man eigentlich nicht ausgebildet wurde oder so nicht bei beruflichen Überlegungen auf dem Schirm hatte. Nicht selten eine Mischung aus Mut, Notwendigkeit und dem Wunsch, nochmal ganz neu durchzustarten – ohne jahrelange Umschulung.

Karriere ohne Passierschein A38

Was früher mit einem Stirnrunzeln quittiert wurde – „Keine Ausbildung? Kein Job!“ – entwickelt sich langsam zum neuen Normal. Denn wenn qualifiziertes Personal fehlt, werden Lebensläufe plötzlich flexibler gelesen. Man drückt ein Auge zu – oder gleich beide. Hauptsache motiviert, verfügbar, lernbereit. Das jedenfalls sagen die Zahlen: Die Zahl der Quereinstieg-Jobs ist laut Indeed seit 2020 um satte 165 Prozent gestiegen. Und nicht nur das Angebot wächst – auch die Nachfrage. Immer mehr Menschen suchen gezielt nach Jobs, bei denen sie nicht bei Null anfangen müssen, aber auch nicht erst drei Jahre die Schulbank drücken müssen.

Fast 40 Prozent aller Arbeitnehmenden spielen mit dem Gedanken an einen beruflichen Neuanfang. Und rund ein Viertel sagt sogar: „Ich wäre sofort dabei – solange mir niemand eine neue Ausbildung aufs Auge drückt.“

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Supermarktkasse statt Konzernflur?

Am deutlichsten zeigt sich der Wandel im Einzelhandel. Hier zielt bereits jede dritte Stellenanzeige auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Bei Verkäufern sind es sogar über 50 Prozent –  ebenso bei Kassierern. Auch die Pflegebranche hat längst erkannt, dass Herz, Geduld und Zuverlässigkeit keine exklusiven Skills gelernter Pflegefachkräfte sind. Rund ein Viertel der Jobs ist hier offen für Menschen ohne branchenspezifische Ausbildung. In der Gastronomie ist es ähnlich. Wer bereit ist, anzupacken, bekommt einen Platz – nicht selten sofort.

Und dann gibt es da noch die Logistik. Ein Bereich, in dem körperliche Belastbarkeit und Organisationsgeschick oft mehr zählen als ein perfekter Lebenslauf. Auch hier wird inzwischen jeder fünfte Job für Quereinsteiger ausgeschrieben.

Tech? Eher nicht

Erstaunlich dagegen: In Branchen mit notorischem Fachkräftemangel wie IT, Data Science oder Accounting ist der Quereinstieg fast unmöglich. In der Softwareentwicklung liegt der Anteil bei drei Prozent. Bei Datenspezialisten sind es nicht mal zwei. Schlusslicht: Buchhaltung – kaum mehr als anderthalb Prozent.

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Warum so wenig Offenheit ausgerechnet dort, wo die Leute fehlen? Die Antwort ist ernüchternd einfach: Hier bedeutet ein Quereinstieg fast immer, dass Unternehmen erst einmal massiv investieren müssen – in Schulung, in Onboarding, in intensive Einarbeitung. Für viele Firmen ein zu hohes Risiko in wirtschaftlich angeschlagenen Zeiten.

Kleine Städte, große Chancen

Wer nun denkt: „Dann halt Berlin!“, sollte nochmal überlegen. Zwar ist die Hauptstadt mit einem Anteil von vier Prozent an allen Quereinstieg-Jobs vorne. Doch im Verhältnis zur Gesamtzahl offener Stellen liegt die Quote bei gerade mal sieben Prozent. In Aschaffenburg hingegen – einer Stadt mit knapp 73.000 Einwohnern – zielt fast jeder siebte Job auf Quereinsteigern ab. Auch in Chemnitz, Hagen und Leverkusen stehen die Chancen überdurchschnittlich gut.

Der Quereinstieg – das neue Normal?

Trotz einer leichten Delle – die Zahl der Quereinstieg-Jobs ist im Vergleich zum Vorjahr um knapp sechs Prozent gesunken – bleibt das Modell auf langfristige Sicht gefragt. Denn unsere Arbeitswelt wird nicht einfacher. Sie wird älter, technischer, fragmentierter. In dieser Gemengelage wird der klassische Lebenslauf mit geradem Karriereweg zum Luxusgut – und der Quereinstieg zur Überlebensstrategie.

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Was früher ein „Plan B“ war, wird für viele zur realistischen, oft sogar attraktiveren Alternative. Ein zweiter Anfang, ohne das Stigma des Gescheiterten. Sondern mit dem Mindset des Gestaltenden.

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