Ein Mitarbeiter bringt eine neue Idee ein und wird sofort ausgebremst. „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Ein Satz wie ein Deckel auf allem, was sich verändern will. Er ist der Klassiker unter den Innovationskillern und er fällt täglich in deutschen Unternehmen.
Ein Satz, der lähmt
Du kennst ihn. Diesen Satz, der in Meetings, Workshops oder E-Mail-Verläufen auftaucht, sobald jemand einen neue Richtung oder Art von Problemlösung vorschlägt. „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Meist kommt er nebenbei, begleitet von einem Schulterzucken. Mitunter von einem Lächeln. Fast immer von denen, die schon lange im Unternehmen sind und meinen, genau zu wissen, wie der Hase läuft.
Was wie eine Erinnerung an Bewährtes klingt, ist in Wahrheit ein Warnsignal. Denn dieser Satz ist keine Begründung. Er ist eine Abwehr. Er sagt nicht: „Das funktioniert besser.“ Er sagt: „Ich will nichts ändern.“ Und genau das verhindert, dass Unternehmen sich entwickeln.
Warum wir am Alten festhalten – selbst wenn es nicht mehr passt
Wer „Das haben wir schon immer so gemacht“ sagt, verteidigt selten die Sache – sondern meist sich selbst. Veränderung bedeutet ja Aufwand, Unsicherheit, Kontrollverlust. Gerade in etablierten Strukturen sind Prozesse über Jahre gewachsen, optimiert, standardisiert. Sie infrage zu stellen, fühlt sich an, als würde man sich selbst infrage stellen: War das bisher falsch? Hätten wir es besser machen können?
Psychologen sprechen hier vom Status-quo-Bias, der Tendenz, bekannte Zustände beizubehalten und Veränderungen reflexhaft abzulehnen. Der Begriff wurde laut The Wharton School 1988 von William Samuelson und Richard Zeckhauser geprägt. Ihre Forschung zeigte: Menschen entscheiden sich selbst dann für das Alte, wenn bessere Alternativen vorliegen – einfach, weil sie vertrauter wirken und sich vormals bewährt haben.
Der Mechanismus dahinter ist eine Art Verlustangst. Neues bedeutet Risiko. Was man hat, kennt man. Was kommt, ist ungewiss. In der Praxis führt das dazu, dass Unternehmen an ineffizienten Prozessen, veralteten Tools oder alten Dienstleistern festhalten, weil ein Wechsel in erster Linie unbequem erscheint und natürlich Aufwand bedeutet.
Der Preis der Innovationslücke
Doch in der Wirtschaft kostet das Festhalten am Alten weit mehr als nur Tempo. Laut dem KfW-Innovationsbericht liegt die sogenannte Innovatorenquote im deutschen Mittelstand nur noch bei 39 %. Vor allem kleine Unternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten verlieren an Innovationskraft. Nur 35 % von ihnen haben in den letzten drei Jahren eine Produktinnovation hervorgebracht. Bei den größeren Mittelständlern (50+ Mitarbeitende) sind es dagegen 76 %.
Gleichzeitig entfallen 56 % der gesamten Innovationsausgaben auf nur 2 % der Unternehmen. Nicht, weil der Rest untätig wäre, sondern weil vielen schlicht die Strukturen, das Kapital oder das Personal fehlen.
Doch genau diese Innovationskonzentration ist gefährlich. Laut einer McKinsey-Analyse investieren sogenannte Tech-Champions im Schnitt 12 % ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung – der Rest der Unternehmen gerade einmal 4 %. Sie wachsen in Deutschland mit 7 % jährlich, in den USA aber mit 16 %. Was daraus folgt, ist nicht nur eine Lücke. Es ist ein Muster: Wachstum dort, wo Veränderung möglich ist – und Stillstand dort, wo am Alten festgehalten wird.
Wie man mit den Wiederholungstätern umgeht
In fast jedem Unternehmen gibt es sie: die Bewahrer. Die „So-war-das-schon-immer“-Fraktion. Sie halten am Alten fest, weil es ihnen vertraut ist und Sicherheit gibt. Wer sie direkt konfrontiert, provoziert Abwehr. Wirkungsvoller ist es, sie gezielt aus der Routine zu reißen – mit Fragen, die ihre Argumente entlarven:
- „Was war damals der Grund, warum man es so gemacht hat – und gilt dieser Grund heute noch?“
- „Angenommen, wir würden heute neu anfangen – würden wir es wieder so machen?“
Diese Fragen sind kein freundlicher Dialogtrick. Sie stellen klar: Gewohnheit ist kein Argument. Wer darauf keine Antwort findet, hat nichts außer Stillstand zu verteidigen.