Der Traum von der obersten Sprosse der Karriereleiter hat deutlich an Strahlkraft verloren. Warum? Ganz einfach: Chef zu sein bedeutet heute vor allem eines: ständige Erreichbarkeit, enormen Druck und eine immense Verantwortung – oft rund um die Uhr.
Für viele gleicht der Chefsessel somit einem goldenen Käfig: Außen glänzend, doch innen kalt, starr und einsam. Die Vorstellung, dass der Chef stets das große Ganze im Blick haben muss und alle Fäden in der Hand hält, ist ebenfalls längst überholt. In der Realität kämpfen viele Führungskräfte damit, überhaupt noch klare Entscheidungen treffen können, da nicht nur die Bürokratie, sondern auch Unternehmensstrukturen und interne Vorgaben immer komplexer werden.
Will denn keiner mehr Verantwortung übernehmen?
Eine repräsentative Karrierezuversichtsumfrage der Initiative Chef:innensache
aus dem Jahr 2024 zeigt, dass nur noch 26,5 % der befragten Beschäftigten und Studierenden eine Führungsposition anstreben – ein historischer Tiefstand seit Beginn der Studienreihe im Jahr 2018. Die Zuversicht, eine solche Position tatsächlich erreichen zu können, ist allerdings etwas größer. 35 % der Befragten zeigten sich optimistisch, eine Führungsrolle zu erreichen, wobei die Werte bei Männern jeweils höher als bei Frauen ausfielen.
Viele träumen noch davon, Chef zu werden – doch wenn es ernst wird, überwiegt die Skepsis. Status und Gehalt wiegen für die meisten nicht mehr die Schattenseiten auf.
Dieser Rückgang zeigt vor allem eins: Der Reiz, Verantwortung zu übernehmen, schwindet rapide. Insbesondere Millennials und Gen Z haben ganz andere Prioritäten als ihre Vorgänger, Gen X und Babyboomer. Sie suchen nach Sinn in ihrer Arbeit, nicht nach Statussymbolen.
Führung als Auslaufmodell?
Die Arbeitswelt verändert sich rasant, doch die Anforderungen an Führungskräfte bleiben dennoch veraltet. In flachen Hierarchien, mit agilen Teams und Homeoffice, wirkt der klassische Chef wie ein Dinosaurier – aus der Zeit gefallen. Zudem dominieren Meeting-Wahnsinn und ständig wechselnde Zielvorgaben den Arbeitsalltag vieler Führungskräfte. Wo bleibt da die Freiheit, Menschen wirklich zu führen und zu entwickeln?
Wie moderne Führung aussehen kann
Trotz aller Kritik: Führung wird immer gebraucht – damals wie heute. Doch sie muss neu gedacht werden. Folgende Ansätze dienen als Denkanstoß:
- Jobsharing und geteilte Führung: Warum nicht die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen? Das reduziert Stress und sorgt für mehr Ausgeglichenheit.
- Mentale Gesundheit stärken: Führungskräfte müssen besser in Stressbewältigung und Resilienz geschult werden, um den hohen und ständig wechselnden Belastungen standzuhalten.
- Klare Grenzen setzen: Auch Chefs müssen lernen, Grenzen zu setzen – sowohl für ihre Teams als auch für sich selbst. Ständige Erreichbarkeit brennt zwangsläufig aus und verhindert Wachstum.
- Empathie fördern: Führung bedeutet heute mehr zuhören als anweisen. Unternehmen sollten Führungskräfte gezielt im empathischen Führen schulen – nur wer versteht, kann auch begeistern.
Ist der Chefposten überhaupt noch attraktiv?
Am Ende bleibt die Frage: Lohnt es sich noch, Chef zu werden? Das hängt stark davon ab, wie wir Führung gestalten. Arbeitgeber, die an alten Strukturen festhalten, werden es schwer haben, neue Talente für eine Führungsposition begeistern zu können. Moderne, flexible und vor allem menschenzentrierte Führungsmodelle könnten jedoch den Job wieder attraktiv machen. Die Zeiten, in denen „Chef sein“ allein wegen des Titels auf der (digitalen) Visitenkarte war, sind definitiv vorbei. Heute zählt mehr, wie du führst – nicht, dass du führst.
Also, hast du noch Lust, Chef zu werden?