Einige Beschäftigte glauben, sie könnten mit einem Konkurrenzangebot den eigenen Marktwert untermauern und so das gewünschte Gehaltsplus regelrecht erzwingen. Der Gedanke scheint zunächst auch nachvollziehbar: Wer begehrt ist, kann mehr Geld verlangen. Doch genau hier beginnt der Irrtum. Denn wer mit Abwanderung und Kündigung droht, führt keine Verhandlung mehr – er setzt unter Druck. Und Druck erzeugt immer Gegendruck.

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Statt wie bisher als engagierter, loyaler Mitarbeiter oder als wertvolle Führungskraft wahrgenommen zu werden, rückt man sich selbst in die Ecke des Unberechenbaren. Die Beziehungsebene bricht. Das Vertrauen wird beschädigt. Auch dann, wenn der Arbeitgeber das höhere Gehalt tatsächlich zähneknirschend zahlt.

Das Misstrauen bleibt – auch wenn du bleibst

Wer mit einem Jobangebot Druck ausübt, führt kein offenes Gespräch mehr, sondern beginnt ein Machtspiel. Die Botschaft, die beim Arbeitgeber ankommt, ist nicht: „Ich möchte gern hier bleiben, aber zu besseren Bedingungen.“ Sondern:

„Ich bin eigentlich schon auf dem Sprung – ihr müsst euch jetzt anstrengen, wenn ihr mich halten wollt.“

Selbst wenn man mit dieser Taktik kurzfristig punktet und tatsächlich ein besseres Gehalt einstreicht, ist der langfristige Schaden absehbar. Plötzlich ist man raus aus dem betrieblichen „Inner Circle“. Die neuen Projekte gehen plötzlich an Kollegen. Karrierepläne geraten ins Stocken . Man hat sich quasi markiert: als Risikofaktor.

Gehaltsverhandlungen sind keine reine Zahlendrescherei

Beim Gehalt geht es nicht nur um die Zahl auf dem Lohnzettel, sondern auch um Wertschätzung, um Bindung, um Perspektiven. Wer versucht, mit einem Drohszenario zu verhandeln, spielt nicht auf Augenhöhe, sondern stellt sich bewusst oder unbewusst über den Verhandlungspartner. Das erzeugt keine Partnerschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern ein Kräftemessen.

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Und genau das machen viele Arbeitgeber nicht mit. Sie zahlen vielleicht, um Zeit zu gewinnen oder laufende Projekte noch abzusichern, aber innerlich beginnt die Abgrenzung. Oft wird parallel schon nach Ersatz gesucht. Man bleibt, ja – aber auf Bewährung.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für Gehaltsverhandlungen?

Ein oft unterschätzter Punkt: Viele Arbeitnehmer finden es unangenehm, über ihr Gehalt zu sprechen. Kein Wunder also, dass viele nicht wissen, wann der richtige Moment gekommen ist. Hier einige konkrete Empfehlungen:

  • Nach erfolgreichen Projekten: Du hast ordentlich abgeliefert. Jetzt ist der Moment, deinen Beitrag in der Chefetage sichtbar zu machen.
  • Bei Beurteilungsgesprächen: Der Klassiker. Hier wird Leistung bilanziert und Zukunft geplant.
  • Wenn dir neue Verantwortung übertragen wurde: Mehr Aufgaben, mehr Verantwortung? Dann darf und muss natürlich auch die Vergütung wachsen.
  • In Krisenzeiten des Unternehmens mit Fingerspitzengefühl: Wenn das Wasser bis zum Hals steht, wirkt jede Forderung wie ein zusätzlicher Schlag in die Magengrube. Aber: Gerade dann ist es für Arbeitgeber wichtig, gute Leute zu halten. Der Ton macht die Musik und das Timing entscheidet über die Wirkung.

Der Honeymoon-Effekt nimmt ab – psychologisch und strategisch

Wer häufig den Arbeitgeber wechselt, verliert nicht nur an Glaubwürdigkeit. Auch der psychologische Kick des Neuanfangs wird jedes Mal schwächer. Forschung zeigt: Der sogenannte Honeymoon-Effekt, also die Anfangseuphorie nach einem Jobwechsel, flacht bei Wechsel deutlich ab. Wer also aus einer Drucksituation flieht, nimmt das Gift mit – und startet schon vergiftet.

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Lese-Tipp: Jobwechsel: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Es geht auch anders: Selbstbewusst, fair, loyal

Wer seinen Wert kennt, muss nicht mit Alternativen winken. Stattdessen geht es darum, die eigene Entwicklung ins Gespräch zu bringen:

  • Was wurde erreicht?
  • Wo liegt Potenzial?
  • Welche Bedingungen müssten sich ändern, damit beides zusammen weiter wachsen kann?

Diese Art der Kommunikation verlangt mehr als Mut. Sie verlangt Reflexion. Denn wer Forderungen stellt, sollte auch Verantwortung benennen können – für die eigene Rolle, für die eigene Entwicklung.

Und wenn der Arbeitgeber nicht reagiert?

Dann ist es vielleicht wirklich Zeit zu gehen. Aber ohne TamTam. Ohne Ultimatum. Ein sauberer Wechsel, klar kommuniziert. Denn das bleibt hängen. Nicht nur beim jetzigen Arbeitgeber. Auch bei künftigen. Die Branche ist oft kleiner, als man denkt. Und wer heute vermeintlich clever pokert, steht morgen vielleicht ganz ohne Karten – ohne Job – da. 

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