Manchmal reicht schon ein einzelner Blick. Oder ein zu lautes Lachen. Ein schnippischer Kommentar, eine vermeintlich harmlose E-Mail – und plötzlich brodelt es unter der Oberfläche. Wir alle kennen sie: die Kollegin, deren Stimme uns innerlich zusammenzucken lässt. Den Kollegen, der immer das letzte Wort haben muss. Die eine Person, bei der man sich fragt: „Wie lange soll ich das noch aushalten?“

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Konflikte am Arbeitsplatz sind nichts Ungewöhnliches. Doch was passiert, wenn uns jemand so sehr triggert, dass es nicht mehr bei stiller Genervtheit bleibt – sondern unser psychisches Gleichgewicht gefährdet?

Das Büro als emotionales Minenfeld

Die meisten Berufstätigen empfinden Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen als stark belastend. Für viele ist der Arbeitsplatz kein neutraler Ort, sondern eine emotionale Arena, in der alte Beziehungsmuster, persönliche Unsicherheiten und Stressreaktionen aufeinandertreffen.

Wenn jemand „uns bis aufs Blut reizt“, hat das selten nur mit dieser Person zu tun. Vielmehr werden in solchen Momenten tieferliegende emotionale Themen angetriggert: das Gefühl, nicht respektiert zu werden, die Angst, übergangen zu werden, oder ein altes Muster aus der Kindheit, in dem man lernen musste, sich anzupassen oder zu kämpfen.

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Man kann in diesem Zusammenhang vom „inneren Kind“ entsprechen, das verletzt wird – und entsprechend reagiert. In einem Konflikt können wir so plötzlich nicht mehr wie Erwachsene handeln, sondern fühlen uns wie ein kleiner Junge oder ein trotziges Mädchen: wütend, hilflos, und manchmal einfach überfordert.

Zwischen Flucht und Angriff: Wie reagieren wir?

Unsere Reaktion auf einen als feindlich wahrgenommenen Kollegen folgt häufig einem von drei Mustern: Rückzug, Angriff oder Anpassung. Wir schweigen, machen Dienst nach Vorschrift. Oder wir kontern mit Sarkasmus, machen uns Luft – was meist nur weiteres Öl ins Feuer gießt. Oder wir geben klein bei, schlucken den Ärger runter – bis sich irgendwann körperliche Symptome einstellen: Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, innere Unruhe oder gar Aggression.

Doch wie kann man mit einer solchen Konfrontation umgehen, ohne sich selbst zu verlieren oder alles nur noch schlimmer zu machen?

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Der erste Schritt: Selbstreflexion statt Schuldzuweisung

So schwer es auch fällt: Der wichtigste Hebel zur Veränderung liegt in der Selbstwahrnehmung. Was genau triggert mich an dieser Person? Ist es ihr Tonfall, ihr Verhalten, ihre Überlegenheit? Und was löst das in mir aus?

Hier kann ein Tagebuch helfen – oder das Gespräch mit einem Coach oder Therapeuten. Denn erst wenn ich meine eigenen Reaktionsmuster erkenne, kann ich bewusst entscheiden, wie ich künftig damit umgehe.

Konfrontation – aber richtig: Wie man schwierige Gespräche führt

Konflikte zu vermeiden, scheint oft der einfachste Weg. Doch was wir unter den Teppich kehren, staut sich auf – bis es sich Bahn bricht: als Wut, Zynismus oder stille Kündigung. Der Weg heraus führt nicht über Harmonie, sondern über klare, aber achtsame Konfrontation. Aber wie spricht man an, was nervt?

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1. Die Vorbereitung: Was will ich?

Bevor man spricht, sollte man sich selbst zuhören. Nicht nur dem Ärger, sondern den darunterliegenden Bedürfnissen. Bin ich verletzt, weil ich mich angegriffen fühle? Oder weil ich mich generell nicht gesehen fühle? Klärung beginnt immer bei einem selbst.

  • Frage dich konkret: Was genau hat mich getriggert? Was wünsche ich mir stattdessen?
  • Tipp: Schreibe deine Gedanken vorher auf – nicht um sie später im Gespräch vorzulesen, sondern um sie zu sortieren.

2. Ich-Botschaften verwenden

Viele kennen den Satz: „Du nimmst mich nie ernst!“ Das klingt nach Vorwurf – und führt in der Regel zur Verteidigungshaltung. Besser wäre: „Ich merke, dass ich mich nicht ernst genommen fühle, wenn meine Beiträge nicht aufgegriffen und diskutiert werden.“

  • Formel: „Wenn X passiert, fühle ich Y – weil mir Z wichtig ist.“
  • Beispiel: „Wenn du im Meeting meine Idee sofort kritisierst, fühle ich mich entmutigt – weil mir konstruktive Diskussion wichtig ist.“

3. Klarheit geht vor Höflichkeit: Sag, was du meinst

In Konfliktsituationen neigen wir manchmal zur Überhöflichkeit: „Vielleicht ist das jetzt nur mein Eindruck, aber…“ Solche Formulierungen entschärfen, aber verwässern auch die Botschaft.

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  • Statt: „Es kommt mir manchmal so vor, als ob du mich nicht beachtest.“
  • Besser: „Ich nehme wahr, dass du meine Worte öfter übergehst. Ich wünsche mir, dass du mir konkret Rückmeldung gibst.“

4. Timing: Der richtige Moment

Gefühle brauchen Raum. Direkt nach dem Meeting störende Punkte ansprechen, wenn der Puls noch bei 180 rast, ist kein guter Zeitpunkt. Aber auch drei Wochen später ist viel zu spät. Studien zeigen: Konfliktgespräche gelingen am besten, wenn sie innerhalb von 48 Stunden geführt werden.

  • Tipp: Bitte um ein ruhiges Gespräch. Etwa: „Ich möchte kurz etwas mit dir besprechen. Hast du heute Nachmittag zehn Minuten?“
  • Wichtig: Nicht zwischen Tür und Angel – sondern mit mentalem Raum auf beiden Seiten.

5. Wenn alles nicht funktioniert: Mediation als Team-Investition

Manche Konflikte sind zu verstrickt, zu emotional, zu alt. Dann hilft professionelle Vermittlung. Mediation schafft hier einen strukturierten Raum, in dem beide Seiten gehört werden – und gemeinsam Lösungen entwickeln können. Externe Mediatoren mit arbeitspsychologischem Hintergrund sind besonders für hierarchische Spannungen geschult. Auch Supervisionen können helfen – vor allem in Teams, in denen Konflikte das Miteinander über längere Zeit belasten.

Grenzen ziehen – und für sich sorgen

Manchmal hilft alles nichts. Der Konflikt bleibt bestehen, die Reibung weiterhin spürbar. Dann ist es wichtig, sich selbst Schutzräume zu schaffen: Pausen an der frischen Luft, Gespräche mit wohlwollenden Kollegen, Tätigkeiten und Hobbys nachgehen, die einem Freude bereiten.

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In extremen Fällen – wenn der Konflikt gar toxisch wird – kann auch ein Teamwechsel oder ein Gespräch mit der Führungskraft nötig sein. Denn kein Job der Welt ist es wert, dass man dauerhaft unter ihm leidet.

Ein ehrlicher Blick auf das Menschliche

Konflikte zeigen, wie verletzlich wir sind – und wie sehr wir uns nach Respekt, Zugehörigkeit und Wertschätzung sehnen. Wer sich mit der eigenen Reizbarkeit auseinandersetzt, erkennt oft: Der Kollege, der mich so sehr triggert, ist nicht nur ein Nerv-Faktor. Er ist auch ein Spiegel. Und manchmal sogar ein unfreiwilliger Lehrer.

Denn dort, wo es schmerzt, beginnt nicht selten die echte persönliche Entwicklung.

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