Du kannst niemand motivieren, der nicht mitrudern will. Dieser Satz wirkt wie eine Absage an den Leistungsanspruch, ist aber eine überfällige Klarstellung. In Zeiten, in denen Führungskräfte zu Animateuren und Personalerinnen zu Sinnstifterinnen umfunktioniert werden sollen, lohnt es sich, innezuhalten und eine unbequeme Wahrheit auszusprechen: Ohne intrinsische Leistungsbereitschaft bleibt jede Motivationsstrategie ein Strohfeuer.
Leistungsbereitschaft ist nichts, was man anderen verordnen kann. Sie ist ein innerer Zustand, gespeist aus Haltung, Eigenverantwortung und einem Minimum an Selbstachtung. Wer dauerhaft nur das Nötigste tut, hat meist nicht zu wenig Anreize, sondern zu wenig Antrieb.
Natürlich ist nicht jede mangelnde Motivation Ausdruck von Faulheit. Manchmal steckt dahinter Enttäuschung, Überforderung oder schlichter Sinnverlust. Doch die Voraussetzung, überhaupt motivierbar zu sein, ist die Bereitschaft, leisten zu wollen. Wer innerlich längst gekündigt hat, braucht keinen Motivationsworkshop, sondern ein ehrliches Gespräch – oder Konsequenzen.
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Was bedeutet Leistungsbereitschaft heute?
Früher war Leistungsbereitschaft ein eher technischer Begriff. Wer fleißig war, nicht murrte und Überstunden machte, galt als leistungsbereit. Heute ist die Definition komplexer. Es geht nicht nur um das reine Abarbeiten von Aufgaben, sondern um Eigeninitiative, Mitdenken, Verantwortung übernehmen. Moderne Leistungsbereitschaft zeigt sich darin, wie sehr sich jemand mit seiner Arbeit identifiziert – und wie sehr er bereit ist, in kritischen Momenten für das Team einzustehen. Es geht um Präsenz, nicht nur Anwesenheit.
Diese Form von Leistungsbereitschaft setzt allerdings eine Arbeitsumgebung voraus, die Vertrauen, Sinn und Entwicklung ermöglicht. Doch selbst unter optimalen Bedingungen zeigt sich: Motivation bleibt eine Holschuld. Kein Bonusprogramm, kein Leadership-Coaching ersetzt die innere Entscheidung, etwas beitragen zu wollen. Und genau hier stoßen viele gut gemeinte Maßnahmen an ihre Grenze.
Warum du niemanden motivieren kannst, der nicht will
Die moderne Arbeitswelt hat sich auf seltsame Weise in ein Paralleluniversum verwandelt. Da wird über psychologische Sicherheit, emotionale Intelligenz und erfüllte Selbstverwirklichung gesprochen, während gleichzeitig die grundlegendsten Regeln der Zusammenarbeit missachtet werden.
Mitarbeitende, die Aufgaben ständig aufschieben oder Verantwortung konsequent abwälzen, stoßen dennoch oft auf Verständnis – als wären Engagement und Zuverlässigkeit optional. Dabei wäre es an der Zeit, Leistung nicht als unzeitgemäßen Begriff aus der industriellen Ära abzutun, sondern als Ausdruck von Respekt gegenüber dem Team, dem Projekt und sich selbst.
Führung im Erschöpfungsmodus
Führungskräfte geraten in diesem Klima oft in einen Erschöpfungsmodus. Sie sollen nicht nur führen, sondern auch inspirieren, auffangen, klären, coachen, balancieren. Vor allem aber sollen sie motivieren. Doch was passiert, wenn der Funke nicht zündet? Wenn die eine Kollegin seit Monaten auf Tauchstation ist und der andere Kollege zwar anwesend, aber innerlich längst abgeschaltet hat? Dann bleibt Motivation ein Monolog – und der führt selten zu etwas.
Natürlich gibt es strukturelle Faktoren, die Leistungsbereitschaft beeinflussen: schlechte Bezahlung, fehlende Perspektiven, toxische Führung. All das kann dem inneren Antrieb zusetzen. Aber selbst unter idealen Bedingungen wird es immer Menschen geben, die schlicht nicht leisten wollen. Der Reflex, diese Lücke dann mit noch mehr Fürsorge oder Incentives zu schließen, ist menschlich, aber naiv. Denn Motivation ist keine Einbahnstraße. Wer sich Leistung dauerhaft entzieht, bremst nicht nur sich selbst, sondern das ganze Team.
Woran sich Führung zerreibt, wenn Leistung fehlt
Vielleicht braucht es einen Perspektivwechsel: Wer ständig Energie auf die Demotivierten verwendet, vernachlässigt die, die Tag für Tag konstant und verlässlich liefern. Es geht nicht darum, eine Leistungsgesellschaft um jeden Preis zu feiern. Aber es geht darum, den Unterschied zwischen Können und Wollen wieder sichtbar zu machen. Motivation ist kein Dauerauftrag, den Führung übernehmen kann. Sie ist ein Angebot – das man auch annehmen muss.
Gute Führung bedeutet deshalb nicht, permanent motivieren zu müssen. Sie bedeutet, Bedingungen zu schaffen, in denen Motivation möglich ist – und deutlich zu zeigen, wenn sie ausbleibt. Das heißt auch: Rückendeckung für die Leistungswilligen. Konsequenzen für die chronisch Abwesenden. Und der Mut, die Komfortzone des „Wir wollen alle mitnehmen“ zu verlassen.
Leistungsbereitschaft kann man nicht verordnen
Aber man kann sie sichtbar machen, fördern und verteidigen. Denn wer Leistung bringt, verdient mehr als stille Duldung. Und wer dauerhaft nicht will, muss mit Konsequenzen rechnen.
Manchmal ist der ehrlichste Akt von Führung nicht, noch mehr zu geben – sondern klar zu sagen: bis hierhin. Leistung lässt sich nicht delegieren. Wer nicht will, wird auch durch gute Führung nicht wollen.