Die Idee klingt verlockend und effizient: Mitarbeitende anhand ihrer Leistung in Kategorien einzuteilen. A-Mitarbeiter sind die Überflieger – die High Performer. B-Mitarbeiter sind die soliden Leistungsträger und Arbeitspferde, und C-Mitarbeiter? Naja, sie fallen meist durchs Raster. Dieses Denken, das vor allem in großen Konzernen verbreitet ist, verspricht Ordnung in einem chaotischen Arbeitsalltag. Aber was macht diese Schubladisierung mit den Menschen? Ist sie wirklich fair – oder ein Relikt aus einer Zeit, in der Leistung über allem stand?
Menschen in Schubladen: Woher kommt das System?
Die Klassifizierung von Mitarbeitenden ist kein modernes Phänomen. Einer der bekanntesten Verfechter dieses Ansatzes war Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electric. Er führte die sogenannte „Vitality Curve“ ein, bei der jedes Jahr die Belegschaft in drei Gruppen eingeteilt wurde:
- 20 Prozent A-Mitarbeiter, die mit Spitzenleistungen glänzen.
- 70 Prozent B-Mitarbeiter, die verlässlich abliefern, aber selten auffallen.
- 10 Prozent C-Mitarbeiter, die ihrer Meinung nach am wenigsten zum Unternehmenserfolg beitragen – und oft aussortiert wurden.
Welch nannte dies „differenziertes Management“. Seine Argumentation: Unternehmen sollten ihre besten Leute belohnen, die soliden Unterstützer stärken und sich von den Schwächsten trennen, um langfristig erfolgreicher zu sein.
Doch während dieses Modell im Management-Lehrbuch bestechend logisch erscheint, wirft es aus heutiger Sicht massive ethische und praktische Fragen auf.
Das Problem mit der Kategorisierung
Menschen sind keine Maschinen, die man einfach in „gut“, „mittel“ und „schlecht“ unterteilen kann. So simple ist das (Arbeits-)Leben einfach nicht – und das ist auch gut so. Trotzdem nutzen viele Unternehmen solche Modelle – inoffiziell sozusagen. Die Folgen – gravierend:
1. Stigmatisierung statt Motivation
Für die vermeintlichen A-Player mag die Einteilung ein Boost sein. Doch was passiert mit den anderen? B-Mitarbeiter gelten als durchschnittlich, C-Mitarbeiter als Problemfälle. Diese Labels brennen sich in Köpfe ein – nicht nur in die der Führungskräfte, sondern auch in die der Mitarbeitenden selbst. Wer als mittelmäßig abgestempelt wird, denkt irgendwann, ohnehin nichts Großes leisten zu können.
2. Druck auf die Leistungsträger
Selbst A-Mitarbeiter sind nicht immun gegen die Schattenseiten dieser Einteilung. Die ständige Erwartung, zu den Besten zu gehören, kann enormen Druck erzeugen. Was passiert, wenn die Leistung mal nachlässt? Die Angst vor einem Absturz von A nach B oder gar C treibt viele an ihre Grenzen – oft mit schweren Folgen wie Depressionen, Angstzuständen oder Burnout.
3. Kennzahlen verhindern Vielfalt
Das System setzt voraus, dass es objektive Kriterien für Leistung gibt. Doch nicht jeder Mitarbeitende glänzt in klassischen Kennzahlen. Manche sind leise, aber geniale Ideengeber. Andere sind keine High-Performer, halten aber durch ihre soziale Kompetenz das Team zusammen. Diese „weichen“ Qualitäten fallen in einem rigiden Bewertungssystem oft unter den Tisch – und damit auch ihr Wert für das Unternehmen.
Ist es ethisch vertretbar, Menschen so zu bewerten?
Die größte Kritik an der Kategorisierung von Mitarbeitenden ist wohl die Frage nach der Fairness. Kann ein Unternehmen wirklich für alle Mitarbeitenden gleich gerecht sein, wenn es sie in starre Leistungskategorien einteilt?
Auf den ersten Blick mag das System neutral wirken, da es auf Leistung basiert. Doch in der Praxis fließen oft subjektive Einschätzungen und Vorurteile ein:
- Wer besser sichtbar ist, wird oft höher bewertet.
- Wer still arbeitet, wird übersehen.
- Wer jung und dynamisch wirkt, hat bessere Karten als ältere, erfahrene Kolleg:innen.
Diese Dynamik schafft nicht nur Ungleichheit, sondern auch Frust. Und sie ignoriert eine zentrale Wahrheit: Leistung ist nie konstant. Niemand ist immer ein A-Player. Menschen haben Phasen, in denen sie aufblühen – und Phasen, in denen sie Unterstützung brauchen.
Kann ein Unternehmen nur aus A-Playern bestehen?
Der Traum vieler Führungskräfte ist ein Team voller A-Performer. Doch wie realistisch ist das? Und würde ein solches Team tatsächlich besser funktionieren?
1. Vielfalt schlägt Perfektion
Ein Team aus lauter Spitzenkräften klingt ideal – aber wer übernimmt dann die „kleineren“, die unliebsamen Aufgaben, die im Hintergrund anfallen? Es gibt einen Grund, warum Teams aus unterschiedlichen Rollen bestehen. Während A-Player strategisch und visionär denken, sind B- und C-Mitarbeiter oft diejenigen, die die Ideen umsetzen und den Laden am Laufen halten.
2. Konkurrenz statt Zusammenarbeit
A-Player neigen dazu, sich zu beweisen – nicht nur gegenüber der Führung, sondern auch gegenüber den Kolleg:innen. In einem Team voller High-Performer besteht die Gefahr, dass Konkurrenzdenken nicht nur entsteht, sondern sich manifestiert. Statt als Einheit zu arbeiten, wird Energie darauf ver(sch)wendet, die eigene Position zu sichern.
3. Nachhaltigkeit und Kosten
A-Mitarbeiter sind teuer – nicht nur im Gehalt, sondern auch in ihrer Betreuung. Sie erwarten Entwicklung, Anerkennung und Herausforderungen. Ein Unternehmen, das ausschließlich auf Top-Talente setzt, verbraucht enorme Ressourcen, um diese zu halten.
Wie Unternehmen auch jenseits der Schubladen erfolgreich sein können
Die wahre Stärke eines Unternehmens liegt nicht in der Förderung einzelner Stars, sondern in der Entwicklung des gesamten Teams. Statt Menschen in Kategorien zu pressen, sollten Unternehmen auf ein ganzheitlicheres Verständnis von Leistung setzen:
- Individuelle Stärken fördern: Jeder Mensch hat Talente. Führungskräfte sollten sich die Zeit nehmen, diese Stärken zu erkennen, sichtbar zu machen und gezielt zu entwickeln.
- Teamleistung belohnen: Der Erfolg eines Unternehmens entsteht selten durch Einzelne, sondern durch die Zusammenarbeit vieler. Teams zu fördern, schafft nachhaltigere Ergebnisse als der Fokus auf Einzelleistungen.
- Flexibilität statt Stagnation: Menschen verändern sich. Wer heute durchschnittlich erscheint, kann morgen brillieren – und umgekehrt. Unternehmen, die Mitarbeitenden Raum zur Entwicklung geben, profitieren langfristig.
Menschen sind mehr als Kategorien und Buchstaben
Die Einteilung in A-, B- und C-Mitarbeiter mag Ordnung und Kontrolle suggerieren, doch sie verstellt oft den Blick auf das Wesentliche – das Menschliche: Menschen sind keine starren Leistungsklassen. Sie sind Individuen mit Stärken, Schwächen und Potenzialen, die sich entwickeln können.
Wer wirklich erfolgreich führen will, sollte aufhören, Menschen in Schubladen zu stecken. Stattdessen braucht es einen Ansatz, der Vielfalt, Zusammenarbeit und Entwicklung in den Mittelpunkt stellt. Denn der wahre Erfolg eines Unternehmens entsteht nicht durch ein paar A-Player, sondern durch ein starkes, unterstützendes Team – in dem jeder seinen Platz hat.