Die 40-Stunden-Woche und der Nine-to-Five-Job sind in unseren Breitengraden seit vielen Jahren fest verankert. Doch die Digitalisierung rüttelt immer mehr an den Grundfesten unserer Arbeitsmodelle. Arbeitszeiten könnten flexibler sein, der 6-Stunden-Arbeitstag wurde bereits in verschiedensten Pilotprojekten getestet. Was könnte die „perfekte Arbeitswoche“ sein?

Generation Y macht es vor

Moderne Kommunikationsmittel haben im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten der flexiblen Zeiteinteilung geschaffen. Gerade die Generation Y, die sogenannten „Digital Natives“, sind im Umgang mit Smartphones, World Wide Web, Skype & Co versiert. Warum noch eine Stunde pro Tag im Feierabendstau vergeuden, wenn du auch bequem von zu Hause aus mit dem Laptop arbeiten kannst? Wieso alle Kollegen zu einem Meeting zusammentrommeln, wenn das via Skype oder Videokonferenz auch über Ländergrenzen hinweg möglich ist? Wieso von „Nine-to-Five“ im Büro sitzen, wenn du dieselbe Arbeit auch samstags, um Mitternacht oder von „Six-to-Three“ erledigen kannst, damit du dann rechtzeitig fertig bist, um die Kinder von der Schule abzuholen?

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Was für ältere Generationen vielleicht noch nach Zukunftsmusik und Wunschtraum klingt, ist für die jüngeren und heiß begehrten Fachkräfte bereits Alltag. Sie stellen neue Anforderungen an ihren Arbeitgeber – und flexible Arbeitszeiten sowie moderne Arbeitsmodelle à la Homeoffice oder Remote Work stehen dabei ganz oben auf der Liste. Sie fordern ein Maß an Selbstbestimmung, Flexibilität und persönlicher Freiheit ein, das früher nur in der Selbstständigkeit denkbar war. Noch sträuben sich viele Arbeitgeber gegen diese Entwicklung, doch wird sich das in naher Zukunft ändern. Wieso? Weil der Fachkräftemangel die Generation Y in eine bessere Verhandlungsposition rückt und wenn der Arbeitgeber nicht mitzieht, wird eben kurzerhand zur Konkurrenz gewechselt.

Umdenken für die „perfekte Arbeitswoche“

Dass dieses Umdenken vielen Arbeitgebern schwerfällt, hängt aber auch damit zusammen, dass sie mit den zahlreichen neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeiten überfordert sind. Neue Kontrollsysteme müssen entwickelt werden, damit die Arbeitnehmer im Homeoffice eben nicht nur die Füße hochlegen. Die Koordination und Kommunikation von Teams benötigt eine grundlegende Renovierung. Ein völlig neues Maß an Vertrauen ist zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern notwendig. Und zuletzt bedarf es auch noch einer modernen digitalen Infrastruktur.

  • Sind nun wirklich acht Stunden am Tag das beste Arbeitsmodell oder nicht doch eher sechs?
  • Bedeuten mehr Arbeitsstunden auch gleichzeitig mehr Leistung?
  • Wie frei dürfen die Arbeitszeiten bei der Remote Work sein?

Es stehen eine Menge Fragen im Raum. Die Arbeitgeber – und auch viele Arbeitnehmer – wissen nicht, wo sie dank neuer Zeitsouveränität mit der Entwicklung des „perfekten Arbeitsmodells“ ansetzen sollen.

Die „perfekte Arbeitswoche“: Wie sieht sie aus?

Wenn Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Selbstständige und digitale Nomaden nun also auf der Suche nach der „perfekten Arbeitswoche“ sind, müssen sie laut Wissenschaftlern keine neuen Ansätze finden. Sie müssen stattdessen einen Blick in die Vergangenheit werfen und sich von Sigmund Freud inspirieren lassen. Er hat sich vor Arbeitsbeginn erst einmal ein Stündchen Zeit für ein ausgiebiges Frühstück und ein wenig Schönheitspflege genommen. Nach dem Mittagessen gab es einen kleinen Spaziergang und Feierabend war um neun Uhr am Abend.

„Die individuelle Freiheit ist kein Kulturgut.
Sie war am größten vor jeder Kultur.“
(Sigmund Freud)

Die 40-Stunden-Arbeitswoche hat ausgedient

Nur zwei oder vier Stunden am Tag zu arbeiten, das klingt heutzutage utopisch. Selbst der Sechs-Stunden-Arbeitstag, wie er beispielsweise in Schweden als Pilotprojekt eingeführt wurde, wird weltweit eher kritisch beäugt – trotz herausragender Ergebnisse: erhöhte Produktivität, mehr Zufriedenheit und stabilere Gesundheit bei den Arbeitnehmern. Die Liste könnte lange weitergeführt werden.

Doch unser Arbeitsalltag wird immer komplexer. Auf der einen Seite scheint die Arbeitslast mehr und mehr zuzunehmen. Auf der anderen Seite wird propagiert, wir würden ohnehin bald alle von Robotern ersetzt.

Viele Arbeitnehmer klagen über ständigen Zeitdruck. Sie müssen gefühlt mehr Arbeit in weniger Zeit erledigen. In vielen Fällen täuscht dieses Gefühl nicht. Doch hängt das nicht mit einer weltweit zunehmenden Arbeitslast zusammen, sondern mit dem radikalen Einsparungswahn, der scheinbar alle Unternehmen unserer westlichen Industriegesellschaft infiziert hat. Dass der eine immer-gestresste-Mitarbeiter aber irgendwann krank wird und den Arbeitgeber dadurch teurer zu stehen kommt als die Investition in einen zweiten Mitarbeiter als Entlastung, sodass beide langfristig gesund und leistungsfähig bleiben können, daran wird leider zu selten und zu spät gedacht.

Aktuelle Studien beweisen zudem: Ob dieser Mitarbeiter acht oder sechs Stunden am Tag arbeitet, macht hinsichtlich der Produktivität nicht einmal einen Unterschied. Wissenschaftler sind sich deshalb einig: Die Zukunft der Arbeitszeiten liegt abseits der 40-Stunden-Woche – und zwar darunter.

Der Trend geht zur Work-Life-Integration

Genauer gesagt wird es wohl in Zukunft immer schwieriger, die genaue Wochenstundenzahl zu zählen. Denn Arbeits- und Freizeit beginnen miteinander zu verschmelzen. Routinen und regelmäßige Arbeitszeiten weichen der sogenannten „Work-Life-Integration“.

  • Eine Stunde arbeiten,
  • dann frühstücken,
  • die Kinder zur Schule bringen,
  • auf dem Heimweg im Supermarkt vorbeischauen,
  • zwei Stunden arbeiten,
  • ein bisschen Sport machen,
  • Mittagessen kochen,
  • nochmal eine Stunde arbeiten,
  • wieder die Kinder von der Schule holen und
  • am Abend, wenn diese im Bett sind, noch zwei bis drei Stunden arbeiten…

…so oder so ähnlich könnte der „normale“ Arbeitstag für dich schon in Kürze aussehen. Wer zeit- und ortsunabhängig arbeitet, kann den Arbeitsalltag perfekt mit der Freizeit in Einklang bringen. Die Work-Life-Balance wird zur Work-Life-Integration.

Lese-Tipp: „Work-Life-Balance war gestern! Das neue Ziel heißt Work-Life-Integration

Doch wenn du vor dem Schlafengehen nochmal schnell deine E-Mails auf dem Smartphone checkst und auch im Urlaub für den Chef erreichbar bist, macht sich auch die Schattenseite der Work-Life-Integration bemerkbar: die ständige Erreichbarkeit. Schnell wird sie zur gesundheitlichen Belastung. Denn von der Arbeit abzuschalten, ist für immer mehr Menschen beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. So kreisen die Gedanken 24/7 um die Arbeit. Der Körper befindet sich im Dauerstress. Die dringend benötigten Entspannungszeiträume werden durch eintrudelnde E-Mails oder Anrufe aus dem Büro unterbrochen. Kein Wunder also, dass die Diagnose immer häufiger „Burnout“ lautet.

Lese-Tipp:Burnout: Wie krank macht ständige Erreichbarkeit?

Der Vier-Stunden-Tag

Anders Ericsson, Autor des Buches „Peak: How All of Us Can Achieve Extraordinary“, ist sich sicher: Der Vier-Stunden-Arbeitstag ist die Lösung für das Problem. Im Zuge seiner Recherchen kam er nämlich zu dem Ergebnis, dass Nobelpreisträger ebenso wie viele Profi-Sportler und erfolgreiche Musiker gerade einmal vier Stunden pro Tag konzentriert sowie effizient arbeiten. Den Rest der Zeit verbringen sie mit Nebentätigkeiten – oder einfach Freizeitaktivitäten. Aufgefallen ist Ericsson zudem die ungewöhnliche Zeiteinteilung dieser „Erfolgsmenschen“: Sie legen häufige Pausen mit einer Dauer von 15 bis 20 Minuten ein, in der Regel nach spätestens einer Stunde durchgehender Konzentration.

Lese-Tipp: „I need a break: So setzt du deine Pausen richtig

Tatsächlich scheinen sich die Experten einig zu sein: Fünf Tage hintereinander für jeweils acht oder mehr Stunden am Stück mit wenigen Pausen zu arbeiten, ist für die Produktivität eines Menschen alles andere als sinnvoll. Die Pilottests zum Sechs-Stunden-Arbeitstag haben bereits bewiesen, dass viele Arbeitnehmer in sechs Stunden nicht nur ebenso produktiv sind wie in acht Stunden, sondern durch die ausgewogenere Work-Life-Balance, den verringerten Stress, die gesteigerte Zufriedenheit und bessere Gesundheit auf Dauer sogar produktiver. Selbst, wer nur vier Stunden täglich arbeitet, wird nur geringfügig weniger leisten als in acht Stunden – wenn er diese vier Stunden effizient nutzt und eben „richtig“ einteilt.

…oder die 32-Stunden-Woche?

Jason Fried, Gründer der Firma Basecamp, setzt ebenfalls auf die Zahl Vier. Statt vier Stunden täglich, arbeiten seine Angestellten aber vier Tage pro Woche für jeweils acht Stunden. Seit Einführung der 32-Stunden-Woche seien seine Mitarbeiter eher in der Lage, Prioritäten richtig zu setzen und dadurch nicht nur die gleiche Leistung wie zuvor bei der 40-Stunden-Woche zu erbringen, sondern sogar in besserer Qualität. Zudem seien sie psychisch und physisch gesünder, so der fortschrittliche Unternehmer.

Die Industrie 4.0 könnte die „perfekte Arbeitswoche“ Realität werden lassen

Ob vier Stunden pro Tag oder vier Tage in der Woche: Eine solch „perfekte Arbeitswoche“ erscheint vielen Deutschen bislang unrealistisch. Doch an dieser Stelle kommt eine weitere magische Vier ins Spiel: Laut Experten könnte die Industrie 4.0 die Grundlagen für solch paradiesische Arbeitszeiten schaffen. Bislang fürchten viele Menschen zwar, ihre Arbeitsplätze könnten in näherer oder fernerer Zukunft durch Roboter ersetzt werden, doch in den meisten Fällen wird diese Befürchtung unbegründet bleiben.

Stattdessen sehen Wissenschaftler im technologischen Fortschritt die Chance, Arbeitszeit mithilfe von Computern, Robotern & Co in Zukunft so effizient zu gestalten, dass vier Stunden pro Tag oder vier Tage pro Woche plötzlich ausreichend sein könnten – und zwar flächendeckend. Doch nicht nur die Arbeitszeiten, sondern auch die gesamte Arbeitsweise, wie wir sie bislang gewohnt sind, könnte sich dadurch grundlegend verändern. Der Trend geht zum „Freelancer“ oder auch „E-Lancer“. Menschen könnten zeit- sowie ortsunabhängig arbeiten, sich für Projekte „einklinken“ und sich ihre Arbeitsinhalte sowie den Arbeitsrhythmus individuell einteilen. Ist ein Projekt abgeschlossen, folgt das nächste – vielleicht bei demselben Unternehmen oder einem anderen.

In einigen Branchen könnte das eine durchaus realistische Prognose sein.

Fazit: Unsere Chance auf die „perfekte Arbeitswoche“ ist jetzt!

Bei all den Unklarheiten, was die Zukunft schlussendlich bringen wird, scheint eines überraschend klar: Die Veränderungen werden groß sein – auch bei den Arbeitsmodellen und Arbeitszeiten. Der starre „Nine-to-Five-Job“ hat ausgedient. Jetzt liegt es an den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, neue Modelle zu finden, um diesen abzulösen. Es ist keinesfalls zu früh, um sich auf das Zeitalter von Robotern, Big Data & Co einzustellen. Und wenn ohnehin Veränderungen anstehen, wäre dann nicht genau jetzt der optimale Zeitpunkt, die Grundlagen für die „perfekte Arbeitswoche“ zu schaffen? Ob das schlussendlich in Form eines flächendeckenden Vier-Stunden-Arbeitstages sein wird oder ob wir doch irgendwann alle Freelancer sind, die zeit- sowie ortsunabhängig arbeiten, steht noch in den Sternen.

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