Einmal entschieden, für immer geblieben: Wer im falschen Job den Absprung nicht schafft und kündigt, leidet womöglich unter seinem „eskalierenden Commitment“.

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Was bedeutet eskalierendes Commitment?

Wer kennt es nicht: Obwohl du merkst, wie falsch deine Entscheidung war, willst du den Glauben daran einfach nicht verlieren – und verrennst dich möglicherweise in etwas. Einige unserer Entscheidungen kosten viel Kraft, Zeit und manchmal auch Geld. Trotz ausbleibendem Erfolg und Fehlinvestition neigen wir dennoch dazu, an solchen Entscheidungen festzuhalten. Weil wir annehmen, dass wir es müssen und nicht anders können.

Hinter dem Phänomen verbirgt sich das „eskalierende Commitment“. Der Begriff Commitment lässt sich, je nach Situation, mit „Verpflichtung“ oder „Loyalität“ gleichsetzen. Es besteht demnach eine Bindung. Der Theorie nach müssen für das eskalierende Commitment mindestens folgende Kriterien vorliegen:

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  • Wir haben schon größere Ressourcen geopfert: Kraft, Emotionen, Aufwand, Zeit, Geld.
  • Der Erfolg bleibt aus.
  • Wir haben die Wahl, abzubrechen oder noch mehr zu investieren.

Wann neigen wir zum eskalierenden Commitment?

Ob als Führungskraft eines großen Unternehmens, als Angestellter einer kleinen Firma oder gar im Privatleben in der Partnerschaft – es gibt viele Situationen, die dazu führen können, dass wir uns vor einem Abbruch scheuen. Dies kann auf soziale, psychologische, finanzielle oder organisatorische Gründe zurückzuführen sein. Einige Beispiele:

1. Es fehlen Handlungsalternativen:

Der Chef will einen Mitarbeiter im Unternehmen behalten, obwohl dieser sich falsch verhält, seinen Job nicht richtig erledigt oder nicht in den Betrieb passt. Weil Personalmangel vorherrscht und es zu wenig Bewerber gibt, fehlt es diesem aber an Alternativen. Trotz Fehlbesetzung wird nun daran festgehalten und sich geweigert, einen anderen Lösungsweg zu finden.

2. Zu viel Geld investiert:

Der Manager wird ein erfolgloses Projekt weiterführen, weil schon zu viel Geld in dieses investiert worden ist und es nun unlogisch und schmerzhaft erscheint, abzubrechen – obwohl es sich eindeutig um ein Projekt handelt, das scheitern wird. Die innere Überzeugung, dass eine hohe Investition sich auszahlen muss, ist aber ein fataler Trugschluss.

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3. Emotionales Investment:

Nach jahrelangem Zusammensein merkt ein Paar, welches zuvor eine Fernbeziehung geführt hat und nun zusammengezogen ist, dass der gemeinsame Alltag nicht funktioniert und die Gefühle sich langsam verabschieden. Gegenseitig verabschiedet man sich aber nicht – denn emotional wurde zu viel investiert.

4. Zu viel Kraft investiert:

Du hast dich für eine Stelle entschieden, bist für sie in eine andere Stadt gezogen und auch sonst war es nicht einfach, den alten Job hinzuschmeißen. Es hat dich viel Kraft und Mut gekostet. Aber du merkst, dass es eine Fehlentscheidung war. Dennoch lässt dich die investierte Kraft daran festhalten, obwohl du kündigen könntest.

Im falschen Job: Du willst kündigen, schaffst es aber nicht

Vor allem im „falschen Job“ gefangen zu sein, weil wir aufgrund von finanziellem Druck nicht davon loskommen oder zu viel Emotionen und Kraft investiert haben, um die Stelle zu ergattert, ist schmerzhaft und ärgerlich. Wir befinden uns in einer besonders ungünstigen Lage.

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Die Fälle sind nicht unbedingt selten. Nur gesprochen wird darüber nicht häufig, etwa aus Scham oder weil Betroffene den Erwartungsdruck anderer verspüren: Die Eltern erwarten, dass das Kind einem ordentlichen Beruf nachgeht. Oder der berufliche Status und die Reputation sind im sozialen Umfeld, in dem man aufgewachsen ist, wichtiger als die eigene Zufriedenheit. Und obwohl du unglücklich bist, der Karriereerfolg nicht kommt, du spürst, wie sehr dich dein Job belastet und wie gerne du kündigen würdest, tust du es nicht.

Was passiert, wenn wir am falschen Job festhalten?

Das hat gleich mehrere Folgen:

1. Burnout-Gefahr steigt deutlich an

Arbeitsplatzbedingte und seelische Erkrankungen wie Burnout entwickeln sich nicht nur, weil Beschäftigte überarbeitet sind, sondern auch Arbeiten ausführen, die sie nicht erfüllen. Denn Sinnhaftigkeit im Job wirkt als präventiver Gesundheitsfaktor. Dies belegte bereits eine im Jahr 2018 erschienene AOK-Studie. Demnach seien Beschäftigte häufiger krank, wenn sie ihre Arbeit als wenig sinnstiftend erachten. Tun sie es doch, fehlen sie insgesamt seltener und erleiden auch seltener eine Erkrankung der Seele, die sie arbeitsunfähig macht.

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2. Die eigene Karriereentwicklung nimmt schaden

Es droht ein Stillstand des persönlichen und beruflichen Wachstums, wenn wir uns in einem Job im Kreis drehen. Bei ausbleibendem Lernerfolg etwa können wir unsere Skills nicht schärfen. Zudem verpassen wir vielleicht wertvolle Jobchancen, wenn wir uns nicht bei anderen Unternehmen bewerben und uns trotz ausbleibendem Erfolg und das Gefühl, im falschen Film zu sein, weigern, Alternativen auszuloten.

Vor allem fehlende Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten können zum Stolperstein werden: Wenn wir uns später doch entscheiden, die Kündigung einzureichen und neu durchzustarten, haben wir das Potenzial eines höheren Marktwertes nicht gänzlich ausgeschöpft. Aber besonders in der heutigen Arbeitswelt sind Weiterentwicklung und ein Growth Mindset das A und O, um Karriere zu machen.

3. Innere Kündigung mit zahlreichen Folgen

Selbst kleine Erfolge im Arbeitsalltag helfen, an einer eher unpassenden Stelle festzuhalten. Denn sie wirken wie ein Antrieb und beflügeln. Wenn aber nicht einmal ein Fünkchen Erfolg in Sicht ist und wir uns antriebslos oder aber rastlos fühlen, kann es langsam zu einer inneren Kündigung kommen. Der schleichende Prozess findet manchmal unbemerkt statt, sodass die eigene Unzufriedenheit sich in Ruhe einnisten kann und hartnäckig bleibt.

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Eine innere Kündigung zieht zahlreiche Folgen nach sich. Unter anderem:

  • Die Leistung fällt rapide ab.
  • Die Motivation bleibt aus.
  • Die Atmosphäre im Team leidet.
  • Betroffene ziehen sich zurück und sind schneller gereizt.
  • Es kommt zu einem passiv-aggressiven Verhalten.

Deeskalation: Wie schaffe ich es, meinen Job zu kündigen?

1. Mache dir deine Fehlannahme bewusst

Grundsätzlich ist es eine Fehlannahme, dass wir an etwas festhalten müssen, weil wir Ressourcen investiert haben. Trotzdem tun wir es. Vielleicht, weil wir uns innerlich verpflichtet fühlen und versuchen, eine Balance zwischen dem herzustellen, was wir gegeben und bekommen haben. Denn es herrscht ein Ungleichgewicht.

Das eskalierende Commitment aber schadet uns langfristig. Es ist ähnlich wie mit der Verpflichtung, den eigenen Teller leer essen zu müssen: Zwar soll Verschwendung vorgebeugt werden – aber wenn es auf Kosten der eigenen seelischen oder körperliche Gesundheit erfolgt und sich zu einem Zwang entwickelt, sind eher ein gestörtes Essverhalten und Verunsicherung die Folgen.

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2. Suche aktiv nach Alternativen

Der scheinbare Mangel an Alternativen lässt uns oft verzweifeln. Die Betonung liegt auf „scheinbar“: Manchmal betreiben wir Selbstsabotage, wenn wir uns vor unserem eigenen Glück fürchten. Dann begeben wir uns nicht aktiv auf die Suche nach Handlungsalternativen, weil wir innerlich auf der Überzeugung beharren, dass wir es ohnehin nicht verdient haben, eine gute Stelle zu bekommen.

Zwar ist es nicht einfach, sich von diesem inneren Konflikt zu befreien. Aber es lohnt sich, sich zumindest aktiv damit zu beschäftigen, um früher oder später doch mutig den Absprung wagen zu können.

3. Konzentriere dich auf (neue) Ziele

So schmerzhaft es auch sein mag, sich eingestehen zu müssen, Zeit, Emotionen und möglicherweise auch Geld verschwendet zu haben, etwa aufgrund eines Umzugs extra für diese eine Stelle – es ist wichtig, sich jetzt nicht aufzugeben. Aus lauter Verzweiflung und wegen schlechter Erfahrungen verlieren wir dann unsere Ziele aus den Augen.

Es stimmt: Nicht immer werden wir zum Beispiel die Option auf Homeoffice angeboten oder etwa mehr Verantwortung übertragen bekommen. Enttäuschung ist manchmal vorprogrammiert. Aber vielleicht kannst du mit deinem neuen Arbeitgeber eine Lösung aushandeln. Ob es klappt, erfährst du nur, wenn du dich traust, die Sache auch anzupacken – und nicht, wenn du krampfhaft an dem festhält, was keine Zukunft hat und dir schadet.

Bild: Unsplash+/Andrej Lišakov

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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