Will dein Boss dich trotz deiner Kündigungsabsichten behalten, solltest du vorsichtig sein – und im Zweifelsfall ablehnen.

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Chef macht Gegenangebot: Wie soll ich reagieren?

Zunächst klingt es nach einem Kompliment: Du hegst Kündigungsabsichten, dein Boss bekommt Wind davon und schon liegt ein Gegenangebot auf dem Tisch. Dein Chef will dich behalten. Du wirst umgarnt.

Die schlechte Nachricht ist: Im Grunde kommt ein solches Angebot zu spät, weil es dafür spricht, dass du nicht die Wertschätzung bekommen hast – sei es auf emotionaler oder finanzieller Ebene – die dir zusteht. Zudem lässt sich nicht einschätzen, was die Motive des Unternehmens sind. Wichtig ist, nicht sofort zu reagieren und gründlich darüber nachzudenken, ob du annimmst oder ablehnst.

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Ein Gegenangebot ist kein Garant für eine Besserung, sofern die ursächlichen Probleme nicht behoben werden können. Hast du zum Beispiel ein Problem mit der Führungskultur, wird dieses nicht durch mehr Lohn gelöst.

Welche Absichten stecken hinter einem Gegenangebot?

Die Motive für ein Gegenangebot sind vielfältig. Nicht immer steckt pure Wertschätzung hinter einem solchen Angebot. Mögliche Motive deines Arbeitgebers oder Chefs im Überblick:

1. Personaldefizit

An allen Ecken und Enden fehlt in Deutschland Personal. Ob IT, Pflege oder Bauberufe, es sind viele Branchen betroffen. Ein mögliches Motiv hinter einem Gegenangebot deines Chefs ist deshalb das Personaldefizit im eigenen Unternehmen. Trotz Rezession „horten“ Betriebe seit der letzten Wirtschaftskrise präventiv ihr Personal, auch wenn es hier und da zu Entlassungen kommt.

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Bekommen Arbeitnehmer mit Wechselabsicht ein Gegenangebot, weil das Unternehmen versucht, Fluktuation vorzubeugen, solltest du abwägen, ob das ein Grund für dich ist, um zu bleiben. Möglich ist, dass du genau unter dieser Situation leidest: Weil zu viel Personal im Unternehmen fehlt, leistest du unentwegt Mehrarbeit und suchst nun eine Möglichkeit, deine Stundenzahl zu reduzieren, indem du wechselst.

2. Kosten- und zeitintensive Suche nach Ersatz

Neues Personal finden, einstellen, einarbeiten – für Unternehmen ein nicht zu unterschätzender Prozess, den sie sich gerne ersparen, wenn sie gute Mitarbeiter haben. Hinter dem Versuch einer intensivierten Mitarbeiterbindung durch attraktiv erscheinende Gegenangebote sollen Kosten und Zeitaufwand für Firma und Personalabteilung entfallen.

3. Hinhaltetaktik

Gut möglich, dass deinem Chef etwas an deinem Talent liegt. Gute Mitarbeiter und vor allem Leistungsträger sollen um jeden Preis an das Unternehmen gebunden werden. Vielleicht handelt es sich beim Gegenangebot aber – so egoistisch das auch klingen man – um eine reine Hinhaltetaktik, um dich zum Bleiben zu bewegen, bis du ersetzt werden kannst. Das ist keine Seltenheit, sondern reiner Pragmatismus. Sobald dein Chef jemanden gefunden hat, werden die Bemühungen, dich zu behalten, mit hoher Wahrscheinlichkeit abflachen.

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4. Vorbeugung eines Imageschadens

Wer gute Mitarbeiter verliert, muss heute mit einem Ruf als unattraktiver Arbeitgeber rechnen. Da immer mehr Arbeitnehmer vor allem wegen der Führungskräfte gehen, haben Vorgesetzte einen Ruf zu verlieren. Damit es nicht dazu kommt, wird dein Boss vielleicht alles daran setzen, dich als Mitarbeiter behalten zu können. Auch in einem solchen Fall geht es in erster Linie um Eigeninteressen.

5. Dein Talent wird geschätzt

Hat dein bisheriger Chef dir Wertschätzung entgegengebracht und dich fair behandelt? Auch Bezahlung und Arbeitsklima stimmen, aber du möchtest zum Beispiel aus familiären Gründen in eine andere Stadt ziehen und deshalb kündigen? Wenn deine eigenen Motive nichts mit deinem jetzigen Arbeitgeber zu tun haben und auch dieser dir alles bieten konnte, was du dir gewünscht hast, hat eigentlich alles gepasst. In einem solchen Fall kannst du davon ausgehen, dass du tatsächlich als Talent geschätzt wirst und es ein großer Verlust für deinen Arbeitgeber wäre, dich ziehen zu lassen.

Wann solltest du ein Gegenangebot besser ablehnen?

Einerseits spielen die Motive deines Chefs eine Rolle bei deiner Entscheidung. Andererseits sind da deine eigenen Gründe, die schlussendlich schwerer wiegen. Deine ganz persönlichen Motive, das Unternehmen zu verlassen, sollten durch ein Gegenangebot nicht an Bedeutung verlieren. Erinnere dich deshalb daran, warum du deinen Arbeitsplatz aufgeben möchtest:

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1. Du vertraust deinem Chef nicht

Toxische Führungskräfte sind ein Kündigungsgrund. Wenn dir das Vertrauen fehlt und du spürst, dass die Situation sich nicht ändern wird, hast du ein bedeutendes Motiv, um dich nach neuen Möglichkeiten bei anderen Unternehmen umzuschauen. Liegt dieser Fall vor, lohnt es sich oft, ein Gegenangebot abzulehnen. Denn die Art der Führung kann bei Arbeitnehmern Stress verursachen und sich auf die Produktivität und Arbeitszufriedenheit auswirken.

Übrigens: Vor allem narzisstische Führungskräfte wissen ihren Charme gekonnt einzusetzen. Lass dich davon aber nicht verwirren. Wenn du den Führungsstil deines Chefs ablehnst, solltest du dich nicht im letzten Moment blenden lassen, auch wenn die Verführung jetzt groß ist. Die verdächtige Charmeoffensive solcher Führungskräfte erfolgt aus rein egoistischen Gründen.

2. Du wirst nicht fair entlohnt

Zugegeben: Nur aus Geldgründen den Arbeitsplatz zu wechseln, ist nicht immer eine gute Idee. Dennoch kann es sein, dass dein Lohn unterirdisch ist und nicht deinem Marktwert entspricht. Konnte dein Chef dir auch nach mehreren Verhandlungen keine Erhöhung anbieten und liegt ein Angebot erst kurz vor deiner Kündigung auf dem Tisch, ruft alles nach einem verzweifelten Versuch, dich irgendwie zum Bleiben zu bewegen. Denke daran, dass künftige Verhandlungen sich deshalb wieder schwierig gestalten könnten, falls du das Gegenangebot doch annimmst.

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3. Du siehst keine Möglichkeiten, dich weiterzuentwickeln

Die meisten Arbeitnehmer sehnen sich nach beruflicher Entwicklung und persönlichem Wachstum, doch viele erleiden einen Karrierestillstand. Firmen, die keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder Aufstiegschancen bieten, verlieren heute zwangsläufig mindestens einige ihrer Mitarbeiter, weil Konkurrenten gewappnet sind.

Solltest du ebenfalls aus diesem Grund wechseln wollen und hast du ein entsprechendes Angebot eines anderen Unternehmens vorliegen, empfiehlt es sich, das Gegenangebot abzulehnen. Überlege dir deshalb gut, wie du vorgehen möchtest: Existieren keine Aufstiegschancen für dich, wird dich auch kein Gegenangebot zufriedenstellen, welches dir beispielsweise mehr Geld verspricht.

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4. Du wünschst dir mehr Flexibilität und Work-Life-Balance

Deine jetzige Stelle lässt es möglicherweise nicht zu, genügend Zeit für Familie und Freunde zu haben. Wenn dein Chef darauf zählt, dass du Mehrarbeit leistest, bei allen Meetings dabei bist und viel Verantwortung übernimmst, obwohl du versuchst, flexibler zu werden und eine bessere Work-Life-Balance zu genießen, kommt ihr zu keiner Einigung. Ein ausreichender Kündigungsgrund.

Auch bei einem solchen Wechselmotiv ist es von großer Bedeutung, nicht einzuknicken. Gegenangebote, die auf einmal mehr Flexibilität versprechen, sind mit großer Vorsicht zu betrachten. Wenn die Arbeit es bisher nicht zugelassen hat, dass du dir mehr Zeit für dich nimmst, weil Personal fehlt, wird die Situation sich nicht plötzlich verbessern. Liegen konkrete Pläne und Vorschläge deines Chefs vor, die dich überzeugen und die plausibel und machbar klingen, kannst du dir das Angebot jedoch durch den Kopf gehen lassen.

Gegenangebot: Im Zweifel lieber ausschlagen

Deine Kündigungsabsicht steht? Berücksichtige, dass du gute Gründe hast, das Unternehmen zu verlassen und dass du dich durch ein Gegenangebot nicht grundlos umstimmen lassen solltest. Zumeist liegt es im Interesse des Unternehmens, gute Mitarbeiter nicht zu verlieren. Schaue dir das Angebot genau an und vergleiche es mit den Perspektiven, die dir dein neuer Arbeitgeber bietet. Möglicherweise kannst du dich doch mit deinem jetzigen Chef einigen. Sollten deine Zweifel aber schon länger bestehen, heißt es: Gegenangebot lieber ablehnen.

Bild: pixelfit/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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