Mit zunehmendem Alter fällt es uns immer schwerer, etwas Neues zu erlernen – sei es eine Fremdsprache, ein Tanz oder der Umgang mit der aktuellsten Technik. Doch stimmt es wirklich, dass wir irgendwann zu alt zum lernen sind?

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Ist Lernen ausschließlich „Kindersache“?

Denken wir an die Tätigkeit des Lernens, haben wir meist ein klares Bild vor Augen. Da sitzt jemand fromm am Tisch und lehnt sich über Bücher und Aufzeichnungen. Unsichtbare Rauchsäulen stehen über dem Kopf des Lernenden und symbolisieren die pure Anstrengung. In unserer Vorstellung handelt es sich bei der Person außerdem häufig um ein Kind – schließlich müssen Kinder und Jugendliche weitaus mehr lernen als Erwachsene. Tatsächlich ist unser Leben gerade in der Anfangsphase von intensiven Lernperioden geprägt. Schon im Kindergarten prasseln unzählige Informationen auf uns nieder, die allesamt irgendwo im Gehirn abgespeichert werden wollen. Auch später in der Schule und an der Universität versiegt der endlose Strom des Wissens nicht.

Natürlich hat es einen Grund, dass wir besonders viel im ersten Drittel unseres Lebens lernen: Wir benötigen das Wissen schlichtweg für unseren weiteren Werdegang. Von der Zubereitung eines Omelettes über das Fahren eines Autos bin hin zum Ausüben eines Berufs – all das und noch viel mehr will gelernt sein.

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Aber bedeutet das wirklich, dass wir ab einem gewissen Alter nicht mehr lernfähig sind? Was ist mit Menschen, die mit Eintritt ins Rentenalter noch eine Fremdsprache lernen wollen? Oder denen, die sich erst mit über 40 Jahren trauen, ihre Führerscheinprüfung abzulegen?

Der Trott des Alters

Erwachsenen Menschen jenseits der 30 wird in regelmäßigen Abständen aufgetischt, dass das Ende (in welcher Form auch immer) bald naht. Man ist plötzlich zu alt für normale Partys, zu alt für Kissenschlachten und erst recht zu alt, um etwas Neues zu lernen. Stattdessen macht sich Gemütlichkeit breit. Mit zunehmendem Alter wächst der Einfluss der Gewohnheiten. Immer der gleiche Weg zur Arbeit, immer die gleiche Pizza vom Lieblingsitaliener und immer der gleiche Urlaubsort (weil man ja weiß, dass die Leute dort Deutsch sprechen können).

Im Alter verfallen viele von uns in einen alltäglichen Trott, der sich meist unbemerkt einschleicht und uns unsichtbar in die Mangel nimmt. Hinzukommt der Druck von außen, der maßgeblich durch die jungen Menschen bestimmt wird. Digitale Natives und die Generation Y erobern derzeit den Arbeitsmarkt und setzen völlig neue Maßstäbe. Die Führungsetagen sind begeistert, die älteren Mitarbeiter machen sich klein und verlieren mehr und mehr das Selbstbewusstsein.

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Das Ergebnis: Die Furcht vor dem Unbekannten. Anstatt einfach etwas Neues auszuprobieren, erfolgt die Flucht in Ausreden.

  • „Jetzt noch damit beginnen, eine neue Sprache zu erlernen? Besser nicht, das macht man doch idealerweise schon im Kindesalter.“
  • „Mit der Ehefrau einen Kurs für lateinamerikanische Tänze besuchen? Viel zu alt für so etwas!“
  • „Der Chef will mir einen neuen Computer zur Verfügung stellen? Ach was, der alte tut es doch noch.“

Mit dem Alter sinkt nicht die Fähigkeit zu lernen, sondern die Bereitschaft.

Von Autobahnen und Trampelpfaden

Stellen wir uns das menschliche Hirn einmal wie eine vielseitige Infrastruktur vor. Da sind zum Beispiel die gut ausgebauten und breiten Autobahnen mit klarer Beschilderung und eindeutigen Markierungen. Hierbei handelt es sich um unsere Fähigkeiten und alltäglichen Routinen, die permanent zum Einsatz kommen. Es ist das Aufsetzen einer Kanne Kaffee, das standardisierte Antworten auf Kundenmails oder auch das rückwärts Einparken mit dem eigenen Auto. Weiterhin gibt es Straßen, die weniger gut ausgebaut, aber immerhin asphaltiert sind. Das minimiert zwar die Gefahr des Stolperns, so richtig wohl wie auf der Autobahn fühlen wir uns aber trotzdem nicht. Tätigkeiten, die durch die weniger breiten Straßen symbolisiert werden, sind all jene, die wir zwar kennen, aber seltener ausüben. Und zu guter Letzt sind da die Straßen, die eigentlich eher als Trampelpfade bezeichnet werden müssen. Sie sind häufig Neuland und werden nur ganz selten genutzt. Viel zu groß ist die Gefahr, zu stolpern oder vom Weg abzukommen.

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Indem wir eine neue Sprache oder etwas anderes lernen, wählen wir bewusst den unübersichtlichen Trampelpfad. Wir müssen ihn immer und immer wieder gehen, ehe daraus ein halbwegs passabler Feldweg und später eine asphaltierte Straße wird. Entscheidend ist es, nicht aufzugeben. Wird der Weg nicht mehr genutzt, wächst er – wie in der Natur – wieder zu. Irgendwann verschwindet er vielleicht sogar ganz.

Info: Das Prinzip der unterschiedlichen Wege und Straßen lässt sich auch auf gute Gewohnheiten übertragen. Erst wenn wir etwas immer und immer wieder tun, brennt es sich in unserem Gehirn und in unserem Verhalten ein und wird zur positiven Gewohnheit.

Man ist nie zu alt zum Lernen

Wir sind keine Biologen oder Mediziner. Daher können wir dir die komplexe Funktionsweise des menschlichen Gehirns an dieser Stelle nicht allumfassend erklären. Im Kontext dieses Beitrags ist auch nur ein Fakt von entscheidender Wichtigkeit: Unser Denkorgan ist nie zu alt, um dazuzulernen. Es stimmt, dass Menschen in jungen Jahren schneller lernen – einfach, weil das Gehirn in dieser Zeit noch schneller arbeitet. Die Leistung an sich lässt im Laufe des Lebens jedoch nicht nach. Es ist alles nur eine Sache des Wollens. Wenn du etwas dazulernen willst, musst du bereit sein, den Trampelpfad immer wieder zu gehen und somit eine Straße zu festigen. Experten sprechen auch davon, neue Muster ganz bewusst im Gehirn anzulegen.

Warum Hans sogar besser als Hänschen lernen kann

Weiterhin kann gesagt werden, dass ältere Menschen sogar im Vorteil sein können, wenn es um das Erlernen neuer Fähigkeiten geht. Konkret seien hierzu die folgenden Aspekte genannt:

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  • Geduld: Im Laufe unseres Lebens müssen wir uns immer wieder in Geduld üben. Je ausgeprägter diese Fähigkeit ist, desto leichter wird es uns fallen, etwas neues zu lernen.
  • Ausdauer: Rückschläge gehören genauso zum Leben wie Erfolge. Auch diese Erkenntnis ist Menschen im fortgeschrittenen Alter behilflich beim Lernen.
  • Erfahrung: Auch wenn wir es nicht immer mitbekommen, lernen wir permanent dazu. Das Resultat sind nicht nur neue Fähigkeiten, sondern auch ein reicher Erfahrungsschatz.

Nur nicht entmutigen lassen

Kleinkinder, die ihre Muttersprache bereits nach vier bis fünf Jahren perfekt beherrschen, gelten oft als Paradebeispiel für schnelles und effektives Lernen. Die Schlussfolgerung, die viele daraus ziehen: Je älter ein Mensch ist, desto schwerer fällt es ihm, eine Sprache zu erlernen. Das ist jedoch so, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.

Kleinkinder, die eine Sprache erlernen, haben extrem geduldige, liebevolle Lehrer (nämlich Eltern und andere nahestehende Menschen), die individuell auf Stärken und Schwächen eingehen und somit den Lernprozess optimal fördern. Dem gegenüber steht ein erwachsener Mensch, der in der Regel mit CDs, Büchern und ähnlichen Hilfsmitteln lernt und nebenher unzählige andere Dinge erledigen muss. Die Voraussetzungen sind einfach nicht gleichzusetzen.

Lasse dich nicht entmutigen. Ja, es ist unter Umständen im Alter schwerer, etwas Neues zu erlernen. Es ist aber keinesfalls unmöglich. Die wichtigste Voraussetzung ist dein eigener Wille. Nur wenn du es wirklich willst, wird dein Vorhaben auch von Erfolg gekrönt sein. Weiterhin gilt es, sich selbst nicht unter Druck zu setzen. Du kannst deinen Lernprozess nicht mit dem eines Kindes gleichsetzen. Finde stattdessen dein ganz eigenes Tempo und die Lernmethode, mit der du am besten zurecht kommst. Dann steht der Fremdsprache, dem Tanzstil oder auch dem neuen Computer im Büro nichts mehr im Wege.

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Bildnachweis: iStock.com/skynesher

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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