Ob Chef, Partner oder Kollege: Du musst jemandem eine gute und eine schlechte Nachricht überbringen. Welche Reihenfolge wählst du?

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Stell dir vor: Dein Partner vertraut dir seinen Hund an. Dir passiert ein Missgeschick – und schon ist der Hund um die Ecke und verschwunden. Du brauchst nicht lange, bis die Nachbarn sich bei dir melden und dir mitteilen, dass der Hund bei ihnen und in Sicherheit ist. Gerade kommt dein Partner zurück. Jetzt musst du entscheiden: Teilst du zuerst die gute Nachricht, dass der Hund beim Nachbarn ist? Oder die schlechte, dass du den Hund verloren hast?

Viele Menschen teilen erst die guten Nachrichten

Worte können eine starke Wirkung haben. Deshalb neigen wir üblicherweise dazu, Hiobsbotschaften nett zu verpacken. Oft auch aus Angst vor der Reaktion des Gegenübers. Oder wir entscheiden uns dafür, zuerst die gute Nachricht zu überbringen und danach die schlechte, in der Hoffnung, der Hiobsbotschaft etwas die quälende Kraft zu nehmen und diese zu verharmlosen.

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Das Thema ist immer wieder Gegenstand der Wissenschaft und wird beispielsweise psychologisch und neurowissenschaftlich untersucht. Grundsätzlich ist es so, dass die Wahl der Reihenfolge davon abhängt, ob wir geben oder empfangen. Wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass wir als Nachrichtenüberbringer generell dazu neigen, zuerst die gute Nachricht mitzuteilen. Wenn wir uns aber in der Position des Empfängers befinden, wollen wir lieber zuerst die schlechte Nachricht hören.

Dieses Phänomen ist schnell erklärt: Niemand will verantwortlich für die vielleicht wütende oder enttäuschte Reaktion des Gegenübers sein, weshalb wir mit der positiven Nachricht einen weichen Weg für die schlechte Nachricht ebnen wollen. Also verschweigen wir zunächst, dass wir den Hund verloren haben.

Umgekehrt ist es aber so, dass wir, wenn wir nach der Reihenfolge gefragt werden und die Wahl haben, natürlich lieber die Katastrophe hören wollen. Denn in dem Moment, in dem wir wissen, dass da etwas im Busch lauert, beginnt die Sorge: „Ist etwas mit meinem Hund?“ Bis wir nicht die Gewissheit haben, um was es sich handelt, sind wir auch nicht empfänglich für eine positive Nachricht.

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Besser: Lieber erst die schlechten Nachrichten teilen

Auch wenn das Thema umstritten ist, sprechen viele Gründe dafür, dass nicht nur wir selbst die schlechten Nachrichten zuerst verlangen sollten, sondern auch fair genug sein sollten, unserem Gegenüber die schlechten Botschaften offen mitzuteilen.

Die Gründe:

#1: Es zeugt von emotionaler Intelligenz

Seit der Terminus „emotionale Intelligenz“ bekannt ist (zurückzuführen auf John D. Mayer und Peter Salovey), wissen wir, wie wichtig diese Fähigkeit für unser Privat- und Berufsleben ist. Emotionale Intelligenz zeugt davon, dass wir in der Lage sind, uns in unser Gegenüber hineinzuversetzen, aber auch eigene Gefühle gut zu spüren – und anschließend Handlungen daraus abzuleiten.

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Wenn wir bereit sind, schlechte Nachrichten aus dem Motiv heraus, dass eine Lösung gefunden werden kann, zuerst mitzuteilen, handeln wir deshalb emotional intelligent.

Oder anders gesagt: Wir handeln im Sinne unseres Gegenübers. Wir wollen dazu beitragen, dass unser Gegenüber nicht im Dunkeln tappt. Und wir helfen, wenn wirklich Not am Mann ist, bei der Suche nach der Problemlösung. Noch verständlicher wird dieser Punkt, wenn wir uns den nächsten ansehen.

#2: Wir handeln nicht aus egoistischen Motiven

Wer sich selbst schützen will und hofft, die Reaktion des Gegenübers abzuschwächen, handelt in erster Linie nur für sich selbst. In bedrohlichen Situationen ist das in Ordnung und verständlich. Wird das Verhalten, immer erst die gute Nachricht teilen zu wollen, aber zu einem Grundsatz, handeln wir nicht mehr im Sinne unseres Gegenübers. Und das hat besonders fatale Folgen für wichtige Beziehungen.

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Nehmen wir das Beispiel mit dem verlorenen Hund: Wer unaufmerksam war, Mist gebaut hat und sich nun schlecht fühlt, erhofft sich mit der „guten Nachricht“ oft eine Art Vergebung oder Erlösung von den Schuldgefühlen. Verantwortungsvoller wäre es aber, sich in die Gefühlswelt unseres Gegenübers hineinzuversetzen. Denn: Würdest du nicht auch lieber erfahren wollen, was wirklich passiert ist?

#3: Wir lassen unserem Gegenüber die Chance, mit eigenen Emotionen zu spüren

Wenn wir versuchen, die Emotionen unseres Gegenübers in eine bestimmte Richtung zu lenken (triggern), um eine Reaktion zu erzeugen, reden Wissenschaftler auch vom sogenannten „Priming-Effekt“. Wir bereiten die zukünftige Reaktion also vielleicht mit warmen, netten, beruhigenden Worten und Botschaften vor. Diese Methode wird beispielsweise in Werbung und Marketing eingesetzt, um (potenzielle) Kunden in die gewünschte Richtung lenken zu können. Es ist auch als Reiz-Reaktions-Modell bekannt.

Fairer wäre es, die Reaktion unseres Gegenübers nicht bewusst zu beeinflussen. Sondern diese einfach zuzulassen, indem wir die Hiobsbotschaft offen teilen – auch wenn wir eine negative, wütende Reaktion schlecht aushalten. Ziehen wir das Pflaster also lieber schnell ab. Anstatt jemanden hinzuhalten und diesem die Chance zu nehmen, eigene Emotionen selbstständig zu verarbeiten, wenn sie aufkommen.

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Hinweis: Der Priming-Effekt, welcher auf den Psychologen John A. Bargh zurückzuführen ist, wurde in der Wissenschaft mehrfach diskutiert. Er wird häufig zitiert und sorgt für geteilte Meinungen.

#4: Wir machen keine falschen Hoffnungen

Wer in wirklich schlimmen Situationen zuerst die gute Nachricht übermittelt, könnte den Eindruck erwecken, dass dort, wo etwas endgültig gelaufen ist, noch Hoffnung ist. Häufig ist vom sogenannten „Feedback-Sandwich“ die Rede, wenn wir negative Rückmeldungen lediglich in eine Verkleidung (in eine Art Sandwich) verpacken, indem wir nette Worte und Botschaften wählen – obwohl die Message eine negative ist.

Auch deshalb lohnt es sich, lieber direkt und ehrlich zu sein. Andernfalls riskieren wir selbst, nicht mehr ernst genommen zu werden, indem wir unsere Authentizität zerstören und Misstrauen wecken. Nur damit eine schlechte Nachricht bekömmlicher wird, sollten wir uns nicht dazu entscheiden, immer wieder eine Schutzhülle darüber zu stülpen und den eigentlichen Inhalt zu verfälschen.

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Wie überbringe ich eine schlechte Nachricht?

Wenn du dir diese Frage beantworten möchtest, dann frage dich: Wie möchtest du selbst schlechte Nachrichten überbracht bekommen? Auch wenn Freunde oder Partner beispielsweise dazu neigen, uns vor schlechten Gefühlen schützen zu wollen, tendieren wir eher dazu, sie zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit zu ermutigen.

Denn das wünschen sich die meisten Menschen: Sie möchten wissen, was Sache ist. Wenn du also schlechte Nachrichten überbringen möchtest, dann

  • bleibe bei den Fakten,
  • bleibe sachlich,
  • rede nicht um den heißen Brei herum,
  • rede nichts „schön“
  • und biete – je nach Situation und Bezug – Hilfe oder eine Lösung an.

Besonders in Situationen, in denen wir selbst etwas vermasselt haben, ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen und eine mögliche Lösung anzubieten. Überbringen wir hingegen eine Nachricht, die uns selbst nicht direkt betrifft, sondern unser Gegenüber (zum Beispiel ein Verlust), bietet sich ein „offenes Ohr“ an.

Zusatztipp

Du hast auf der Arbeit eine Aufgabe verbockt, aber so richtig? Auch hier ist es wichtig, direkt und offen zu sein. Versuche nicht, deine gute Nachricht als eine Art Wiedergutmachung zu nutzen, wenn sich keine Lösung für das Problem ergeben hat. Häufig geht es im ersten Moment lediglich darum, das, was schiefgelaufen ist, wieder geradezubiegen. Das kann beispielsweise einen Kunden oder ein Projekt betreffen, welches Vorrang hat. Teile die Hiobsbotschaft mit – und gedulde dich anschließend mit der guten Nachricht, um diese im richtigen Moment mitzuteilen, bis das akute Problem gelöst werden konnte.

Bildnachweis: lolostock/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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