In jedem Unternehmen sitzen sie: stille Könner, tief vergraben in ihren Spezialgebieten. Der Controller, der jede Kostenstelle im Griff hat, aber seinen Excel-Dschungel lieber für sich behält. Die IT-Kollegin, die das System versteht wie kein anderer – aber ungern erklärt, was sie da eigentlich tut. Man ist froh, dass sie da sind. Und komplett aufgeschmissen, wenn nicht. Denn ihr Wissen steckt oft nur in ihren Köpfen. Wird es gebraucht, fehlen Taschenlampe, Karte und Kompass. Fachwissen allein reicht nicht. Es muss raus. Es muss ins Team. Doch genau daran scheitert es in vielen Unternehmen.

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Der Fachkräftemangel hat aus Spezialisten eine begehrte Währung gemacht

Wer sich auf ein bestimmtes Thema versteht, kann sich seine Projekte und Arbeitgeber fast aussuchen. Die Kehrseite: In vielen Firmen entsteht eine Art Wissensmonarchie. Die Spezialisten sitzen auf ihren Themen wie der Drachen auf Gold – und lassen nur ungern andere daran teilhaben. Aus Angst, ersetzbar zu werden. Aus Zeitmangel. Oder schlicht, weil es ihnen nie jemand beigebracht hat. Dabei liegt der Schlüssel zum Unternehmenserfolg nicht in der Tiefe des Einzelwissens – sondern in der Fähigkeit, dieses Wissen anschlussfähig zu machen. Fachwissen wird erst dann wertvoll, wenn auch andere im Team es verstehen, weiterdenken und anwenden können. 

Doch warum tun sich viele Spezialisten so schwer damit, ihr Wissen weiterzugeben? Die Forschung liefert erstaunlich klare Antworten – und sie betreffen nicht nur Technik-Nerds oder Eigenbrötler.

Warum Fachexperten ihr Wissen ungern teilen

Was also hindert sie – die stillen Könner – daran, ihr Wissen weiterzugeben? Die Forschung kennt eine einfache Antwort: weil Wissen Macht ist. Und Macht gibt man nicht gerne ab.

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Aber so einfach ist’s dann eben doch nicht. Denn wer genauer hinschaut – zum Beispiel in Studien wie der von Connelly et al. (2012) – merkt schnell: Es gibt nicht nur einen, sondern gleich zwei Arten des Zurückhaltens. „Knowledge Hiding“, meint das bewusste Zurückhalten von Wissen, wenn jemand konkret danach fragt. Und „Knowledge Hoarding“ – das bewusste Horten von Wissen. Beides ist in Unternehmen verbreiteter, als man denkt. Und beides bremst.

Laut Gonçalves (2022) und anderen gibt es ein ganzes Bündel an Gründen – menschlich, organisatorisch, kulturell:

  • Angst, ersetzbar zu werden: Wer sein Wissen teilt, macht sich vielleicht überflüssig. Also lieber die Trumpfkarte im Ärmel behalten – nur für den Fall.

  • Keine Anerkennung: Es gibt kein Lob fürs Erklären, keine Bonuspunkte fürs Teilen. Warum also der ganze Aufwand, wenn’s keiner sieht?

  • Zu wenig Zeit: Zwischen Meetings, Mails und Firefighting bleibt keine Luft für Wissenstransfer.

  • Keine Ahnung, wie man’s erklärt: Nicht jeder, der viel weiß, kann’s auch rüberbringen. Und wenn die ersten Rückfragen nerven, lässt man’s lieber gleich.

  • Vertrauen fehlt: In Firmen, in denen jeder nur auf sich schaut, wird Wissen zur Waffe. Wer teilt, riskiert – also bleibt man lieber still.

Und genau da liegt das strukturelle Problem: Wissen verschwindet nicht – es versickert. Gerade in technischen oder hochspezialisierten Bereichen wird es regelrecht „geparkt“. Nicht aus Böswilligkeit. Sondern weil niemand den Rahmen schafft, in dem Teilen sicher, einfach und sinnvoll ist.

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Wenn Fachwissen feststeckt, wird es teuer

Und genau da liegt der Haken: Wissen, das im Kopf bleibt, hilft niemandem. Und es kostet – Nerven, Zeit, Geld. 

In der Praxis sieht das dann so aus: Wissen wird nicht geteilt, sondern gehortet. Es zirkuliert in kleinen Kreisen, bleibt brav in der Abteilung oder landet tief unten in irgendeinem Ordner. Neue Kollegen? Bleiben außen vor. Fachfremde? Haben eh keine Chance. Und je spezieller das Wissen, desto dicker die Mauern.

Meetings werden zur Ein-Mann-Show. Übergaben zu Blackboxen. Projekte zu Solo-Performances. Innovation? Fehlanzeige. Zusammenarbeit? Gehemmt. Statt Austausch entsteht Abhängigkeit – von Einzelpersonen, die zu Schlüsselhaltern mutieren. Wenn die gehen, geht mit ihnen oft das halbe Know-how. 

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Und das hat Folgen. Schon der Verdacht, dass Wissen bewusst nicht geteilt wird, reicht, um das Vertrauen im Team zu zerschießen. Die Stimmung kippt, alle werden vorsichtiger. Kurz:

Wissen bringt nur dann Wertschöpfung, wenn es auch geteilt wird.

Natürlich bleibt es wichtig, dass Unternehmen über hochspezialisierte Fachkräfte verfügen. Ohne sie keine technische Exzellenz, keine regulatorische Sicherheit, keine strategische Tiefe. Aber diese Fachkräfte müssen auch lernen, ihr Wissen für andere zugänglich zu machen. Und das heißt nicht, jeden Vorgang bis in kleinste Detail zu dokumentieren wie eine Betriebsanleitung einer CNC-Maschine.

Es heißt vielmehr: regelmäßig den fachlichen Dialog zu suchen, Zusammenhänge verständlich zu machen, andere zu befähigen, mitzudenken. Wer Wissen teilt, multipliziert Wirkung.

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Wie Unternehmen Wissen in Bewegung bringen

Die Herausforderung dabei: Wissensweitergabe ist kein Selbstläufer. Sie kostet Zeit, braucht Kommunikationskompetenz und die Bereitschaft, sich über die eigene Expertise hinaus auf andere Perspektiven einzulassen. Viele tun sich schwer damit, weil sie nie gelernt haben, ihr Fachwissen laiengerecht zu vermitteln. Oder weil sie es als zusätzliche Belastung empfinden.

Gerade hier sind Führungskräfte gefragt. Sie müssen ein Arbeitsumfeld schaffen, in der Wissensaustausch regelrecht zur Jobbeschreibung gehört. Wo Kollegen sich gegenseitig briefen, statt sich einzeln mit Halbwissen durchzuwursteln. Und wo es normal ist, die eigenen Themen so zu erklären, dass andere sie wirklich verstehen – und nicht nur höflich, aber ahnungslos nicken.

Wie kann das konkret aussehen?

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  • Durch gezielte Tandemmodelle zwischen Junior- und Seniorpositionen
  • Regelmäßige „Wissenssprints“: kurze Sessions, in denen ein Thema teamweit erklärt wird
  • Feedback-Schleifen nach Projekten: Was lief gut? Was können andere daraus lernen?
  • Ein internes Wiki (auch per Video), das komplexe Sachverhalte verständlich aufzeigt
  • Und vor allem: ein Arbeitsklima, die nicht auf Status durch Geheimhaltung setzt

Denn klar ist: In Zeiten von Komplexität, Remote Work und Fachkräftemangel ist geteiltes Wissen eine Überlebensstrategie. Unternehmen, die weiterhin auf Silos und Wissenshoheit einzelner Experten setzen, werden auf lange Sicht langsamer, ineffizienter und unattraktiver – für Mitarbeitende wie für Kunden. 

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