Ihre Zitate sind längst Teil unserer Alltagskultur: Steve Jobs, Elon Musk, Jeff Bezos – die Glaubenssätze der Tech-Gründer zieren Präsentationen, Podcasts und LinkedIn-Profile. Sie tauchen auf in Keynotes, Bewerbungsgesprächen und Coaching-Seminaren. Sie versprechen Mut, Vision und Erfolg. Aber was, wenn sie mehr blenden als inspirieren?
Von der Persönlichkeit zur Projektionsfläche
Steve Jobs sagte einmal: „Innovation unterscheidet zwischen einem Anführer und einem Mitläufer.“ Elon Musk ließ auf X verlauten, dass Mitarbeitende seiner neuen DOGE-Behörde 120-Stunden-Wochen arbeiten würden. Und Jeff Bezos glaubt: „Deine Marke ist das, was andere über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.“
Was ursprünglich als persönliche Haltung begann, ist längst zur Projektionsfläche unserer Leistungsgesellschaft geworden. Wer in der Businesswelt etwas auf sich hält, hat ein Lieblingszitat eines Tech-Visionärs im Kopf. Die Sprüche dieser Männer wurden entkernt, verallgemeinert und schließlich idealisiert. Der Unternehmer als Halbgott, der allein durch Willen, Genie und Disruption die Welt verändert. Doch diese Form der Heldenverehrung birgt Risiken.
Steve Jobs: Der geniale Visionär
Jobs gilt vielen als Prototyp des genialen Visionärs. Seine Auftritte, seine Ästhetik, sein Perfektionismus – all das hat nicht nur Apple geprägt, sondern eine ganze Generation von Gründern. „Stay hungry, stay foolish“ – ein Satz, der Mut machen soll, anders zu denken.
Doch Jobs war auch bekannt für seinen fordernden, oft gnadenlosen Führungsstil. In internen Meetings genügte mitunter eine falsche Antwort, um öffentlich bloßgestellt zu werden. Mitarbeitende berichten von Kontrollwahn, unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen und dem Gefühl ständiger Bewertung. Wer ihm widersprach, riskierte den Rauswurf. Der „hero-shithead-rollercoaster“, wie das Phänomen bei Apple intern genannt wurde, machte aus dem gefeierten Visionär einen gefürchteten Chef. (Quelle: Handelszeitung)
Und doch: Trotz – oder vielleicht wegen – dieser Härte gelang es ihm, außergewöhnliche Talente um sich zu scharen. Er suchte die Besten, traf Personalentscheidungen intuitiv, stellte hohe Erwartungen – und forderte nichts weniger als emotionale Identifikation mit der Marke. Führung durch Leidenschaft, aber auch durch Druck.
Jobs bleibt eine der schillerndsten Figuren der Tech-Welt. Für manche ein Vorbild an Konsequenz und Klarheit. Für andere ein Beispiel für Führung im Alleingang.
Elon Musk: Fortschritt durch Leistung?
Kaum jemand hat die Vorstellung von Technologie als Erlösungsversprechen so geprägt wie Elon Musk. Ob Mars-Mission, Elektroautos oder Künstliche Intelligenz – Musk denkt in anderen Dimensionen. Und er fordert viel: von sich selbst, von seinen Teams – und auch indirekt von jenen, die ihm nacheifern.
„DOGE arbeitet 120 Stunden pro Woche. Unsere bürokratischen Gegner arbeiten optimistisch 40 Stunden pro Woche. Deshalb verlieren sie so schnell.“
Was wie ein provokanter Tweet klingt, lässt sich auch als Maßstab lesen – einer, der hohe Einsatzbereitschaft belohnt, aber die Gefahr birgt, Überlastung zu normalisieren. Natürlich: Musk hat Grenzen verschoben, Branchen transformiert, Fortschritt erzwungen. Doch gerade deshalb stellt sich die Frage: Welcher Führungsstil steckt hinter diesem Erfolg – und wie übertragbar ist er auf andere Unternehmen?
Jeff Bezos: Der Stratege unter den Visionären
Verglichen mit Jobs und Musk wirkt Jeff Bezos fast nüchtern. Kein exzentrisches Auftreten, keine religiöse Aura. Dafür: Langfristigkeit, Disziplin, ein klarer Fokus auf das Machbare. Bezos spricht weniger von Genialität, mehr von Prozessen. Von Kundenfokus. Von Entscheidungen mit hoher Tragweite.
Und vielleicht liegt genau darin der Unterschied: Während andere sich als Schöpfer neuer Welten inszenieren, bleibt Bezos auf der Erde – mit beiden Füßen in der Realität der Wirtschaft. Seine Aussagen haben Substanz, lassen sich oft in die Praxis übertragen. Bezos taugt weniger für Heldenepen – aber vielleicht gerade deshalb besser als Vorbild.
Mark Zuckerberg: Der systematische Optimierer
Mark Zuckerberg hat Meta nicht nur gegründet, sondern immer wieder neu erfunden – mit klarem Blick für Technologie, Marktveränderungen und die nächste Welle digitaler Innovation. Anfang 2025 kündigte er ein „intensives Jahr“ an: ein Jahr der Fokussierung, der Effizienz – und auch der schwierigen Entscheidungen. In diesem Zuge wurden rund 3.600 Mitarbeitende entlassen. Laut offizieller Kommunikation betraf dies vor allem sogenannte „Low Performer“. Doch wie das Magazin Fortune berichtete, entsprach diese Darstellung nicht immer den individuellen Leistungsbewertungen – auch Mitarbeitende mit der Bewertung „übertrifft Erwartungen“ sollen betroffen gewesen sein.
Zuckerbergs Stil ist rational, zukunftsorientiert und datengetrieben. Er setzt auf Geschwindigkeit, klare Strukturen und strategische Straffung – gerade in einem Markt, der sich rasant verändert. Seine Entscheidungen sind selten populär, aber konsequent. Und sie zeigen: Für ihn bedeutet Führung, das große Ganze im Blick zu behalten – auch wenn das bedeutet, unbequeme Maßnahmen zu ergreifen. Ob man diesen Kurs teilt oder nicht – er steht für eine Form von Leadership, die Wandel nicht nur begleitet, sondern aktiv gestaltet.
Der Mythos der Ausnahmefigur
Der Glaube an außergewöhnliche Gründerpersönlichkeiten hat auch mit unserem Zeitgeist zu tun. Menschen sehnen sich nach klaren Meinungen, nach Führung, nach einfachen Wahrheiten. Wer sich dann auf einen Satz von Jobs oder Musk berufen kann, verleiht der eigenen Haltung Autorität.
Doch dieser Wunsch hat tiefere Wurzeln – psychologisch, evolutionär, gesellschaftlich. Menschen sind soziale Wesen. Schon früh in unserer Entwicklungsgeschichte waren wir darauf angewiesen, von den Erfahrungswerten anderer zu lernen – um zu überleben, um uns weiterzuentwickeln, um dazuzugehören. Wir beobachten, ahmen nach, orientieren uns.
Vorbilder liefern uns mentale Abkürzungen: So geht Erfolg. So wird man gesehen. So überlebt man in dieser Welt. Gerade in komplexen Zeiten, in denen klassische Sicherheitsstrukturen wegbrechen, wächst das Bedürfnis nach Identifikationsfiguren. Die Tech-Ikonen erfüllen genau diese Rolle – sie bieten Projektionsflächen für Ambition, Hoffnung, Relevanz.
Nur: Was wir dort sehen, ist selten das ganze Bild. Zitate sind oft aus dem Zusammenhang gerissen. Sie verschweigen die Brüche, die Zweifel, das Scheitern. Sie stilisieren aus Einzelgeschichten allgemeingültige Erfolgsformeln. Und sie ignorieren, wie viel Infrastruktur, Kapital, Glück – und ja, auch Privileg – hinter jeder dieser Karrieren steckt. Was als Inspiration gedacht war, wird zum Maßstab. Und der kann erdrückend sein.
Zwischen Faszination und Filter
Die Tech-Ikonen sind nicht per se gute oder schlechte Vorbilder. Ihre Leidenschaft, ihr Mut zur Vision, ihre Bereitschaft, Bestehendes radikal zu hinterfragen – all das kann inspirieren. Aber: Sie sind auch keine Superhelden. Und vor allem keine Blaupause. Es ist ein Unterschied, ob man sich von einem Gedanken anregen lässt – oder versucht, eine Persönlichkeit zu kopieren. Vorbilder sind wertvoll, solange man sie auch kritisch betrachtet. Und sich immer wieder fragt: Was davon passt zu mir? Was bewundere ich – und was übersehe ich vielleicht? Und vor allem: Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen, um irgendwann einmal ähnliche Ergebnisse zu realisieren?
Vielleicht sollten wir aufhören, ständig nach Vorbildern zu suchen. Und stattdessen beginnen, uns selbst ein Vorbild zu sein.