Wer heute weniger arbeitet, tut das nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung. Nicht alle wollen führen. Nicht alle wollen aufsteigen. Und das ist neu. Denn lange galt in deutschen Unternehmen: Wer etwas werden will, muss richtig ranklotzen.
Doch was, wenn das „Mehr“ nicht mehr als sinnvoll empfunden wird? Wenn Effizienz, Erreichbarkeit und Engagement irgendwann ins Leere laufen? Dann stellt sich die Frage: Ist Leistung wirklich noch das Maß aller Dinge?
In vielen Teams führt genau das zu Spannungen. Zwischen denen, die sich über Leistung definieren und jenen, die sich bewusst davon distanzieren. Zwischen alten Glaubenssätzen der Boomer („Du musst dich reinhängen“) und neuen Haltungen („Ich will nicht mehr als ich muss“).
Es geht nicht darum, faul zu sein. Sondern darum, neu zu bewerten, was ein erfüllter Arbeitstag eigentlich ist. Und das bedeutet auch: Erfolg nicht länger an Überstunden zu messen, sondern an Wirkung, den eigenen Bedürfnissen und der Fähigkeit, abends abzuschalten.
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Kein Bock auf Leistung? Die Zahlen sagen etwas anderes
Die Generation Z hat den Ruf, lieber zu chillen als Karriere zu machen – doch wer genau hinschaut, erkennt: Dieses Bild ist faktisch falsch. Während auf Social Media über „faule Zoomer“ gespottet wird, zeigt der deutsche Arbeitsmarkt ein ganz anderes Gesicht.
Die Erwerbsbeteiligung der 20- bis 24-Jährigen ist zwischen 2015 und 2023 um 6,2 Prozentpunkte gestiegen, so der Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Von einem Rückzug kann keine Rede sein – im Gegenteil: Junge Menschen arbeiten wieder mehr als noch vor zehn Jahren.
Auch die viel diskutierte Teilzeitquote zeigt kein klares Ausstiegsverhalten:
- Der Anteil junger Menschen in Teilzeit stieg von 20,4 % auf 24,9 %
- Auch die Vollzeitquote nahm leicht zu – auf 47,1 %
Der Trend zeigt: Es geht nicht darum, weniger zu arbeiten, sondern anders. Mehr Beschäftigung insgesamt, aber eben selbstbestimmt. Vor allem mit mehr Kontrolle über das Wieviel – und noch wichtiger: über das Wozu.
Besonders auffällig: Auch unter Studierenden steigt die Erwerbsquote deutlich – plus 19,3 Prozentpunkte seit 2015. Viele junge Menschen arbeiten also neben dem Studium, aus finanziellen Gründen, ja. Aber auch, weil sie ihren Platz in der Arbeitswelt aktiv gestalten wollen.
Zwischen Motivation und Müdigkeit
Doch wenn junge Menschen arbeiten, dann zu ihren Bedingungen. Sie folgen nicht mehr dem alten Mantra: „Erst die Arbeit, dann das Vergnüngen – also Leben.“ Sondern fragen: „Was bekomme ich dafür zurück – außer Stress?“
Laut dem ManpowerGroup Global Talent Barometer 2024 ziehen 46 % der Gen-Z-Arbeitnehmenden in Deutschland in Betracht, ihre aktuelle Position innerhalb der nächsten sechs Monate zu verlassen. Gründe sind dabei weniger mangelnde Motivation, sondern vielmehr die fehlende Passung zwischen Job und eigenen Bedürfnissen.
Mehr als die Hälfte der Gen Z berichtet zudem von regelmäßigem Stress im Arbeitsalltag (weltweit 52 %, in Deutschland 49 %).
Gefragt wird dabei nicht vorrangig nach mehr Geld, sondern nach:
Work-Life-Balance (56 %)
flexiblen Arbeitsmodellen wie Remote- oder Hybridarbeit (37 %)
sinnstiftender Tätigkeit: Für 86 % ist ein klarer „Purpose“ entscheidend für Zufriedenheit und Wohlbefinden.
Kulturkonflikt am Arbeitsplatz
Dieser Wandel bleibt in Unternehmen nicht unbemerkt und sorgt für eine gewisse Reibung. Führungskräfte, die mit „Durchbeißen!“ sozialisiert wurden, treffen auf Mitarbeitende, die fragen: „Warum eigentlich?“
- Warum Homeoffice nur mit Ausnahmegenehmigung oder stark begrenzt?
- Warum Präsenzpflicht bei Meetings, die auch eine Videschalte sein könnten?
- Warum Karriere nur auf dem Rücken der eigenen Gesundheit?
Viele Führungskräfte tun sich schwer mit diesen Fragen und haben zugleich Schwierigkeiten, sich auf die neuen Erwartungen einzustellen, weil ihre eigene Laufbahn auf traditionellen Leistungslogiken beruhte. Doch genau die bröckeln – mit Folgen für das Selbstbild ganzer Teams.
Solidarität der Beschäftigten durch Verzicht?
In dieser neuen Arbeitsmoral steckt noch eine andere Idee: Wer weniger leistet, entlastet auch ein Stück weit die anderen. Nicht im Sinne von Trittbrettfahren, die es einem haargenau gleichmachen, sondern als kollektive Entschleunigung:
- Wenn niemand mehr 40 Stunden arbeitet, wird 32 das New Normal.
- Wenn niemand ständig erreichbar ist, darf Feierabend wieder Feierabend sein.
- Bricht das Dogma Leistung, bleibt Platz für Menschlichkeit.
Was früher als Mittelmaß oder fast schon Leistungsverweigerung galt, wird zur neuen Maxime:
So viel arbeiten wie nötig, so wenig wie möglich – für ein gutes Leben.
Was wäre, wenn Mittelmaß das New Normal wäre?
Die Generation Z zieht sich nicht zurück, sie zieht eine Linie. Und diese Linie verläuft dort, wo Arbeit aufhört, sinnvoll zu sein. Wer das als Leistungsverweigerung deutet, verkennt: Dahinter steckt oft eine klare Vorstellung davon, wie Arbeit heute sein soll und wie nicht.
Leistung ja, aber nicht auf Kosten von Gesundheit, Wohlbefinden und Leben. Wirken ja, aber nicht rund um die Uhr. Verantwortung ja, aber nicht für Strukturen, die keine Rücksicht kennen. Und schon gar nicht schuften, um sich am Ende vielleicht ein paar müde Rentenjahre zu sichern – wenn überhaupt. Vielleicht ist genau das ihre größte Stärke: zu wissen, wann Einsatz Sinn macht und wann nicht.
Verwendete Quellen: IAB, MPG-Studie 2025