2025 ist das Jahr der ehrlichen Lebensläufe. Wer bislang glaubte, ein lückenloser Werdegang sei das Maß aller Dinge, wird sich neu orientieren müssen. Eine aktuelle Auswertung von 1,8 Millionen Lebensläufen durch das Karriereportal LiveCareer zeigt: Karriereunterbrechungen sind kein Ausreißer mehr – sie sind Normalität. Ob ein paar Wochen oder über ein Jahr: Immer mehr Menschen zeigen bewusst, dass Arbeit nicht immer linear verläuft. Und das aus gutem Grund.
Die Lebenslauf-Zahlen sprechen eine klare Sprache
Was lange als Makel in der beruflichen Laufbahn galt, ist plötzlich Massenphänomen. Die Datenanalyse der zwischen 2022 und 2025 erstellten Lebensläufe bringt überraschende Trends zutage:
- 30 % der deutschen Lebensläufe im Jahr 2025 zeigen eine Lücke von mehr als 12 Monaten – ein Anstieg um 8 Prozentpunkte gegenüber 2022.
- Lücken von mehr als 6 Monaten stiegen von 28 % auf 38 % – das ist ein Zuwachs von 36 %.
- Gleichzeitig sank der Anteil vollständig lückenloser Lebensläufe auf nur noch 46 %.
- Selbst kurzfristige Unterbrechungen von unter einem Monat nehmen zu.
Der gesellschaftliche Blick auf Lücken im Lebenslauf verändert sich. Und das aus gutem Grund: Die Corona-Pandemie, wirtschaftliche Unsicherheiten, Mental-Health-Pausen, Care-Arbeit, Sabbaticals und Kündigungswellen hinterlassen Spuren – auch in den beruflichen Biografien.
Ein Bruch im Lebenslauf – oder ein Statement?
Die Daten zeigen nicht nur eine Entwicklung, sondern ein Umdenken. Wo früher „Was war da los?“ gefragt wurde, rückt heute eine andere Haltung in den Fokus: „Was hast du in dieser Zeit gelernt?“
Jobpausen sind längst kein Zeichen von Scheitern oder gar unterstellte Faulheit mehr, sondern oft Ausdruck von Reflexion, Neuorientierung oder schlicht einer gesellschaftlichen Realität. Freiwillige Auszeiten, etwa für Weiterbildung, Angehörigenpflege oder mentale Erholung, gewinnen an Bedeutung, gerade bei Fach- und Führungskräften. Der Career Gap wird also strategisch genutzt.
Die letzten Jahre haben vieles verändert: Jobsicherheit wurde zur Illusion, Entlassungswellen haben auch gut ausgebildete Arbeitnehmer getroffen. Und obwohl der Fachkräftemangel groß ist, trifft er nicht alle Berufsgruppen gleich. Viele Menschen, gerade in der mittleren Altersgruppe, berichten von monatelanger Jobsuche – trotz hervorragender Qualifikation.
Warum Arbeitgeber jetzt umdenken müssen
Wenn 54 % der Bewerber Lücken im Lebenslauf haben, ist klar: Der Maßstab „lückenlos“ ist nicht nur unrealistisch, sondern auch diskriminierend. Unternehmen, die weiterhin Bewerber aussortieren, weil sie ein paar Monate ohne Anstellung waren, verschließen sich einem immer größeren Talentpool.
Es ist an der Zeit, dass HR-Teams, Recruiter und Führungskräfte ihre Bewertungskriterien hinterfragen:
- Ist Kontinuität wirklich wichtiger als Anpassungsfähigkeit?
- Ist Loyalität messbar an durchgearbeiteten Kalenderjahren – oder an dem, was jemand einbringt?
- Wie viel Potenzial bleibt unentdeckt, weil Menschen ihre Lebensläufe auf vermeintlich „perfekt“ trimmen?
Die Realität sieht anders aus: Wer heute offen mit seinen Career Gaps umgeht, zeigt Mut, Reflexion und nicht selten eine hohe Resilienz.
Wie Arbeitnehmer ihre Lücken sinnvoll nutzen – und erklären
Wer sich gerade zwischen zwei Jobs befindet oder bewusst eine Auszeit nimmt, sollte nicht in die Falle der Rechtfertigung tappen. Stattdessen lohnt es sich, proaktiv mit der Pause umzugehen:
- Offen kommunizieren: Erkläre, warum du pausiert hast und was du daraus mitgenommen hast.
- Lernen betonen: Ob Online-Kurs, Projektarbeit oder ehrenamtliches Engagement – jeder Lernprozess zählt.
- Selbstbewusst auftreten: Eine Pause ist ein Teil deiner beruflichen Entwicklung und geht hört zu dir.
Pro-Tipp für Bewerbungsgespräche: Vermeide passive Formulierungen wie „Leider war ich arbeitslos…“ und fokussiere dich auf den Handlungsspielraum: „Ich habe die Zeit genutzt, um…“
Lese-Tipp: Übergangsphase zwischen zwei Jobs: Die Zeit optimal nutzen
Career Gaps als Chance: Warum Arbeitgeber jetzt umdenken müssen
Der Anstieg der Career Gaps zeigt nicht nur eine ökonomische Realität, sondern auch eine gesellschaftliche Bewegung. Immer mehr Menschen fordern ein gesünderes, ehrlicheres Verhältnis zur Arbeit. Das „Always-on“-Ideal wankt – und mit ihm das Bild vom perfekten Lebenslauf.
Unternehmen, die dies erkennen, können sich als moderne Arbeitgeber positionieren:
- durch wertschätzende Kommunikation im Recruiting
- durch mehr Flexibilität bei Einstellungsprozessen
- durch Fokus auf Kompetenzen statt lückenlose Chronologie
Wer das verschläft, wird bald nur noch unterdurchschnittliche Bewerbungen erhalten, denn die besten Talente lassen sich nicht mehr in veraltete Raster pressen.
Nachgefragt: Hast du schon einmal erlebt, dass eine berufliche Lücke falsch verstanden oder zum Nachteil ausgelegt wurde.