„Ich raste gleich aus!“: Wut ist legitim, aber mangelnde Impulskontrolle oft problematisch im Job. So gelingt die Selbstbeherrschung.

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Du hast einen Kunden angeschrien oder bist beim Meeting mit Kollegen völlig aus der Haut gefahren? Wer oft wütend ist, hat Schwierigkeiten damit, seine Impulse zu kontrollieren. Dafür musst du nicht zwangsläufig ein Choleriker sein. Doch die übersteigerte Impulsivität von Cholerikern ist eines der besten Beispiele dafür, wie intensiv der Mensch ausflippen kann: Wir schreien, toben, zerstören.

Im Beruf, in der Partnerschaft, in der Familie – jeder verliert mal die Selbstbeherrschung. Gewisse Reaktionen als Folge eines Stressreizes bringen uns jedoch Nachteile im Job und im Leben ein. Wut ist zwar wichtig, berechtigt und natürlich. Aber fehlende Selbstbeherrschung kann dich selbst und auch dein Umfeld belasten, destruktiv sein und die Atmosphäre im Team vergiften.

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Geringe Frustrationstoleranz: Deshalb flippen wir aus

Menschen mit hoher Frustrationstoleranz verfügen über ausreichend Selbstbeherrschung, um in den schwierigsten Situationen gelassen zu bleiben. Obwohl sie manchmal auch innerlich toben: Sie schaffen es, ihre Impulse gut zu kontrollieren. Es bedeutet, dass sie der kurzweiligen Bedürfnisbefriedigung nicht nachgeben, damit es möglich ist, größere, langfristige Ziele zu verfolgen.

Die Entwicklung unserer Frustrationstoleranz beginnt schon in jungen Jahren. Wenn Kinder eine geringe Frustrationstoleranz besitzen und nicht abwarten können, den versprochenen Schokoriegel zu bekommen, werden sie womöglich um sich schlagen, um ihn sofort zu bekommen. Kinder mit ausgeprägter Frustrationstoleranz, denen mehr als ein Riegel versprochen worden ist, wenn sie etwas Geduld beweisen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich abwarten. Selbstbeherrschung ist nicht nur abhängig von Prägungen, sondern kann auch erlernt werden.

Das ist für das Berufsleben aus mehreren Gründen wichtig:

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  • Lösungen können konstruktiv und sachlich erarbeitet werden.
  • Eine gelassene, ruhige Kommunikation stärkt das Vertrauen.
  • Eine gesunde Impulskontrolle zeugt auch von Professionalität und Kompetenz.

Wie lerne ich Selbstbeherrschung?

Die Fähigkeit, unsere eigenen Affekte kontrollieren zu können, etwa im Joballtag, lässt sich nach und nach erlernen. Grundsätzlich hängt die Art und Weise, wie wir mit starken Gemütserregungen umgehen, von verschiedenen Faktoren ab. Maßgeblich aber ist, dass du Einfluss nehmen kannst und dich deiner eigenen Reaktion auf persönliche Trigger nicht ausgeliefert fühlen musst.

1. Impulse nicht zwanghaft unterdrücken

Zwanghafte Kontrolle unserer Impulse kann häufig zum gegenteiligen Effekt führen: Wir rasten irgendwann so richtig aus. Wer Wut oder Ärger spürt, sollte deshalb nicht krampfhaft und übereilt den Ausschaltknopf suchen, sondern innehalten und wahrnehmen, was in den Gedanken und im Körper passiert. Anstatt zu verdrängen, kann es helfen, sich unangenehmer Gefühle zunächst bewusst zu werden und sie auszuhalten.

Unterdrückung und Verdrängung verschieben nur den Zeitpunkt des Ausflippens. Es handelt sich demnach um eine kurzweilige Methode zur Impulskontrolle, die oft nur scheinbar wirkt, auf Dauer aber kaum von Nutzen ist.

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2. Auslöser (Trigger) und Muster erkennen

Was dich nicht provoziert, kann für deinen Kollegen ein echter Trigger sein – und umgekehrt. Auslöser können deshalb nicht pauschalisiert werden, was es wiederum schwierig macht, Ruhe zu bewahren, wenn wir nicht wissen, was uns zur Weißglut treibt.

Ein Weg, um zur Selbstbeherrschung zu gelangen, ist deshalb, seine persönlichen Trigger zu identifizieren. Einfach ist dieser Schritt keinesfalls, denn hinter vermeintlichen Triggern, die wir als solche einordnen, kann sich etwas anderes verbergen. Sich wiederholende Situationen können einen Hinweis darauf geben, was uns wirklich verletzt, provoziert, aufregt oder traurig macht. Die Kenntnis über Auslöser wird uns einen Schritt näher an die Ursache bringen, die es zu bearbeiten gilt, um im Joballtag ruhig und gelassen aufzutreten.

3. Selbstreflexion

In vielen beruflichen Situationen neigen wir dazu, voreilige Entscheidungen zu treffen oder sie gänzlich aufzuschieben. Ob Prokrastination oder unbedachtes Handeln: Wenn die Selbstreflexion fehlt, können uns unsere eigenen Gedanken und Vorgehensweisen so sehr ärgern, dass wir schnell reizbar und genervt sind und infolgedessen einen Wutausbruch erleiden.

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Selbstreflexion bedeutet, sich die richtigen Fragen zu stellen. Zum Beispiel:

  • Was fühle ich?
  • Was fehlt mir und was brauche ich?
  • Was ist mir besonders wichtig?
  • Was erwarte ich von mir selbst und was von anderen?
  • Was kann ich verändern/kontrollieren und was nicht?

4. Kleine statt große Schritte

Mangelnde Selbstbeherrschung ist manchmal das Ergebnis überhöhter Erwartungen, wenn diese nicht erfüllt werden können und die kurze Zündschnur, die wir uns gewissermaßen selbst verleihen, dann schnell zündet und uns zum Explodieren bringt. Anerkennung im Job oder eine Beförderung können wir zum Beispiel nicht erzwingen und wenn wir schon bei den kleinsten Rückschritten die Beherrschung verlieren, beschleunigt dies die Sache nicht.

Wer sich selbst unter Druck setzt und riesige und viele Schritte auf einmal geht, muss jederzeit damit rechnen, dass dieser Weg zu Misserfolgen führt. Selbstbeherrschung erlernen wir erst, wenn wir geduldig kleine Schritte gehen, um ans große Ziel zu kommen.

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5. Selbstwertstärkung

Wer es schafft, seine Selbstwertgefühle zu stärken, profitiert von mehr Selbstsicherheit im Job und gerät weniger schnell aus der Ruhe. Selbst Situationen, die uns früher zum Ausflippen gebracht haben, lassen sich dann gut ertragen. Wenn du deinen Selbstwert stärken möchtest, hilft Folgendes:

  • sich eigene Stärken regelmäßig vor Augen führen
  • sich bewusst in Dankbarkeit üben
  • auch kleinere Erfolge feiern und loben
  • Fortschritte bewusst machen und Rückschläge akzeptieren
  • Eigenverantwortung übernehmen
  • Grenzen setzen
  • eigene Ziele verbalisieren, aufschreiben, vor Augen haben

6. Außerhalb des Jobs auspowern

Wenn du künftig keine Kunden anschreien oder vor Kollegen die Beherrschung verlieren möchtest, ist es wichtig, außerhalb des Jobs ein Ventil zu finden. Denn Wut sollte nicht dort kanalisiert werden, wo sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen ernsthaften Schaden anrichtet. Mit regelmäßigen Ausrastern gefährden wir Karriere und Ruf, sodass es wichtig ist, sich zum Beispiel eine Tätigkeit zu suchen, die es zulässt, dass wir in einem gesunden Rahmen ordentlich ausflippen dürfen. Regelmäßige Sporteinheiten, aber auch Gespräche mit Freunden oder das Aufsuchen einer Gesprächstherapie können Abhilfe schaffen.

Ein Ausgleich zum Job ist ohnehin wichtig, um Energie tanken zu können. Fehlen diese besonderen Momente, die uns eine Pause ermöglichen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir unausgeruht, geladen und genervt auf der Arbeit auftauchen und häufiger die Kontrolle verlieren.

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7. Bei Provokationen emotionale Distanz wahren

Es gibt Kollegen und Chefs, die dich in den Wahnsinn treiben. Ob unklare Anweisungen, Unzuverlässigkeit, Machtkämpfe oder Druck, die Möglichkeiten, uns aufzuregen, sind unendlich.

Selbstbeherrschung bedeutet in solchen Situationen, dass du emotionale Distanz bewahrst. Dies gelingt zum Beispiel, indem wir nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Teamkollegen, die dich absichtlich provozieren oder gar persönlich werden, tun dies in erster Linie, weil sie sich möglicherweise selbst verunsichert oder angegriffen fühlen. Wer in einer solchen Situation Ruhe bewahrt und seine Impulse kontrolliert, lernt, mit schwierigen Menschen gelassen umzugehen. Es kann sich deshalb lohnen, nicht sofort zu reagieren oder sich unüberlegt von Emotionen leiten zu lassen, sondern eigene Gedanken stattdessen zu reflektieren.

Merke schließlich: Wer es nicht schafft, sich selbst zu beherrschen, muss bekannterweise damit rechnen, von anderen beherrscht zu werden.

Bild: filo/istockphoto.com

Anne und Fred von arbeits-abc.de
Foto: Julia Funke

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