In deutschen Büros wird über alles geredet: das Wetter, den lauen Kantinenkaffee – und ganz besonders gerne über die eigene Führungskraft. Im Zweifel ist sie: inkompetent, rücksichtslos, entscheidungsschwach oder alles zusammen. Boss-Bashing ist zum Volkssport geworden. Doch was steckt hinter diesem Dauer-Frust auf Vorgesetzte?

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Was ist Boss-Bashing?

Boss-Bashing bedeutet, über den eigenen Chef herzuziehen – gerne lautstark, oft im Flurfunk, manchmal auch hinter vorgehaltener Hand im Zoom-Chat. Es ist die moderne Variante des kollektiven „Meuterns auf der Bounty„. Nur dass heute niemand mehr ins Wasser springt, sondern maximal in den Feierabend.

Lese-Tipp: Nein, pünktlich Feierabend zu machen, ist kein Zeichen für wenig Engagement im Job

Frustventil und Gruppenkitt zugleich

Wer über den Chef schimpft, lässt Dampf ab. Und das tut gut. Für einen kurzen Moment wird aus ohnmächtiger Unzufriedenheit ein Hauch von Macht. Man steht nicht allein da mit seiner Wut, sondern findet im gemeinsamen Lästern Bestätigung. Boss-Bashing ist Team-Building à la carte: Wir gegen die da oben. Und mal ehrlich: Wer will sich schon unbeliebt machen, indem er die Chef-Ehre verteidigt?

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Schon gewusst? Laut der Studie „Talking About the Boss“ von Ellwardt, Wittek und Wielers (2012) dreht sich negatives Lästern über Vorgesetzte vor allem um Vertrauensverlust und Machtgefälle. Die Forschenden fanden heraus: Je weniger Vertrauen Mitarbeiter zu ihrer Führungskraft haben und je seltener freundlicher Kontakt besteht, desto stärker ist in dem Sinne das Boss-Bashing.

Besonders spannend: Das Chef-Lästern verstärkt sich, wenn Mitarbeitende untereinander ein enges Vertrauensverhältnis haben. Das Lästern wird zur Art Frühwarnsystem – man schützt sich gegenseitig vor als toxisch empfundenem Führungsverhalten. Tratsch als Gruppenkitt. 

Woher kommt die Lust am Chef-Bashing?

Studien zeigen: Fehlende Anerkennung, schlechte Kommunikation und autoritäre Entscheidungen führen zu Frust. Wenn Feedback ausbleibt und Führung eher an Kontrolle als an Vertrauen erinnert, entladen sich Emotionen nicht selten in Spott und Sarkasmus. Besonders in hierarchisch geprägten Strukturen wird gerne nach oben gebissen. Und je weniger Einfluss Mitarbeitende auf Entscheidungen haben, desto größer die Versuchung, im Schatten der Kaffeemaschine die verbale Peitsche zu schwingen.

Typische Szenen aus dem Arbeitsalltag

  • „Hat der Chef heute wieder seine Karaoke gehalten?“
  • „Wenn Ahnungslosigkeit eine Superkraft wäre, wäre er Marvel-Held.“
  • „Sie hält uns für blöd, aber wundert sich über die Kündigungswelle.“

Ob am Pissoir oder im Chat – der verbale Höhneregen gehört zum Arbeitsalltag. Und oft trifft er nicht nur inkompetente Führung, sondern auch jene, die einfach unbeliebt sind oder schlicht unnahbar wirken.

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Lästern ist wie Kettenrauchen für die Teamkultur

Tut kurz gut, stinkt aber langfristig. So entlastend das Lästern manchmal ist – es vergiftet das Betriebsklima. Wer ständig über „die da oben“ herzieht, macht es sich zu einfach. Statt Dinge zu verändern, wird lieber gemeckert. Und wer hintenrum schießt, sollte sich nicht wundern, wenn irgendwann keiner mehr ehrlich miteinander redet. Denn: Wer nur im Häme-Modus funkt, stört jedes konstruktive Signal. So wird aus berechtigter Kritik nur noch Krawall.

Aber was hilft gegen Boss-Bashing?

1. Feedback nach oben normalisieren

Viele Teams reden über ihre Chefs, aber nicht mit ihnen. Ein ehrliches Feedbackgespräch auf Augenhöhe wirkt oft Wunder. Gerade junge Führungskräfte sind auf Rückmeldung angewiesen – und oft dankbar dafür.

2. Statt pauschal zu meckern: Situationen schildern

„Du bist ein schlechter Chef“ bringt niemanden weiter. „Ich habe das Gefühl, dass meine Meinung im Meeting keine Rolle spielt“ schon eher. Wer Gefühle benennt, statt Schuld zu verteilen, öffnet den Raum für Gespräche.

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3. Psychologische Sicherheit fördern

In Teams, in denen man Fehler zugeben und Kritik üben darf, ohne Repressalien zu fürchten, sinkt der Lästerbedarf deutlich. Denn wer sich sicher fühlt, muss nicht hintenrum sticheln.

4. Führungskräfte nicht nur fordern, sondern fördern

Ja, auch Chefs sind Menschen. Und sie machen Fehler. Anstatt sich im Kollegenkreis über jede Panne lustig zu machen, hilft es, Verbesserungsvorschläge zu machen oder sich mal in die Perspektive der Führungskraft zu versetzen. Ein ganz wichtiger Punkt für alle passionierten Lästermeuler da draußen.

5. Humor nicht verlernen – aber gezielt einsetzen

Ein bisschen Ironie schadet nie. Aber Dauerzynismus ist Gift. Wer über den Chef lacht, sollte auch über sich selbst lachen können. Und das Ganze bitte mit Würde.

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Der Chef ist nicht dein Blitzableiter

Vielleicht hilft da auch ein Perspektivwechsel. In der DDR gab es eine Fernsehsendung, die hieß: „Mach mit, mach’s nach, mach’s besser“. Kinder traten in sportlichen Wettbewerben gegeneinander an. Heute wäre das ein gutes Motto fürs Berufsleben: Wer über andere lästert, sollte sich fragen, ob er es selbst besser machen würde. Also: Mach mit, versetz dich rein, mach’s nach – und vielleicht sogar besser.

Merke: Wer dauerhaft über seinen Chef ablästert, baut keine bessere Arbeitswelt. Sondern zementiert genau das Klima, das man eigentlich kritisiert. Boss-Bashing ist wie Zucker: kurzzeitig befriedigend, langfristig ungesund. 

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