Rezession, Entlassungen, Unsicherheit – 2025 ist für viele Beschäftigte kein Jahr, in dem Gehaltsverhandlungen naheliegen. Doch genau das macht es zum idealen Zeitpunkt. Denn während Unternehmen sparen, wächst der Druck, gute Mitarbeitende zu halten. Wer jetzt klug sein Gehalt verhandelt, kann gutes Geld rausholen.
Zwischen Krise und Stillstand: Wo die Wirtschaft aktuell steht
Die Zahlen zeichnen ein angespanntes Bild: Im ersten Halbjahr 2025 meldete das Statistische Bundesamt 12.009 Unternehmensinsolvenzen – ein Anstieg von 12,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Im Juni lag das Plus sogar bei 18,4 %. Besonders betroffen sind Verkehr und Logistik, das Gastgewerbe sowie das Baugewerbe – Branchen, die ohnehin als besonders anfällig gelten.
Auch die Stimmung in den Unternehmen bleibt verhalten. Der ifo-Geschäftsklimaindex lag von Januar bis August 2025 bei nur 87,2 Punkten – kaum über dem Krisenwert von 2024, der das schwächste Jahr seit der Finanzkrise markierte. Viele Unternehmen blicken also weiterhin pessimistisch in die Zukunft.
Warum Krisenzeiten dennoch gute Chancen für mehr Gehalt bieten
Wer in dieser Lage nach mehr Gehalt fragt, bekommt oft reflexartig zu hören: „Mehr Gehalt ist aktuell nicht drin.“ Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn parallel kämpfen viele Unternehmen mit hoher Fluktuation, offenen Stellen und wachsender Unzufriedenheit im Team. Laut einer EY-Umfrage denkt derzeit jeder vierte Beschäftigte konkret über einen Jobwechsel nach.
Das heißt auch: Gute Leute zu halten war selten wichtiger – und schwerer. Jeder zweite Arbeitnehmer verlässt sein Unternehmen bereits im ersten Jahr wieder, wie aktuelle Studien zeigen. Wer bleibt, übernimmt mehr Verantwortung, springt ein, wenn andere gehen, und hält sozusagen den Laden am Laufen. Wer jetzt fest zum Unternehmen hält und Verantwortung trägt, hat die besten Karten – gerade jetzt lässt sich Loyalität zum Arbeitgeber in bares Geld verwandeln.
So überzeugst du in der Gehaltsverhandlung
Trotzdem zögern viele Beschäftigte, das Gehaltsgespräch zu suchen. Die Standard-Ausrede: „Ich warte lieber, bis es der Firma besser geht.“ Klingt vernünftig, ist aber ein strategischer Fehler. Denn die wirtschaftliche Erholung kommt schleppend. Für 2025 wird ein Wachstum von lediglich 0,2 % erwartet – nach einem rückläufigen Vorjahr. Unternehmen berichten branchenübergreifend von schwacher Nachfrage, sinkender Wettbewerbsfähigkeit und gedrückter Stimmung. Auch der Arbeitsmarkt zeigt Risse: Die Arbeitslosenquote könnte auf 6,3 % steigen.
Die Hoffnung auf eine schnelle Wende ist also trügerisch. Und wer zu lange wartet, riskiert, in der Masse unterzugehen. Sobald erste Budgets freigegeben werden, stehen viele gleichzeitig auf der Matte – und das schwächt deine Verhandlungsposition erheblich.
Taktik, Timing, Ton: So findest du den richtigen Moment
Natürlich zählt nicht nur das ob, sondern auch das wie. Wer inmitten von Stellenabbau und Krisenmeldungen einfach Forderungen stellt, wird zwangsläufig scheitern. Eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung beginnt mit der richtigen Vorbereitung – und mit dem klaren Ziel, die eigene Rolle im Unternehmen strategisch zu positionieren.
Frag dich: Welche Probleme hast du konkret gelöst? Welche Verantwortung trägst du heute – und wie hat sich das im Vergleich zum Vorjahr verändert? Welche Ergebnisse kannst du mit Zahlen belegen? Je klarer und belegbarer deine Argumente, desto weniger angreifbar wirst du.
Auch wichtig: Ignoriere die wirtschaftliche Lage nicht, sondern sprich sie aktiv an. Ein Satz wie „Ich weiß, dass die Situation gerade angespannt ist – gerade deshalb möchte ich mit Ihnen über meine Perspektive sprechen“ zeigt Einfühlungsvermögen und Stärke zugleich.
Wähle den richtigen Zeitpunkt. Gute Gehaltsgespräche finden nicht in Hektik oder zwischen Tür und Angel statt, sondern im besten Fall im Anschluss an ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt oder bei neuen Zielvereinbarungen. Wer das Timing beherrscht, hat schon die halbe Miete.
So konterst du typische Einwände souverän
Wenn du das Gehaltsgespräch suchst, wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit auf standardisierte Abwehrreaktionen stoßen – oft reflexhaft, manchmal taktisch, meist vorhersehbar. Entscheidend ist, strategisch vorbereitet zu sein und mit messbaren Argumenten statt emotionalen Appellen zu antworten. Hier drei typische Einwände und wie du sie mit professioneller Verhandlungstechnik entschärfst:
1. „Im Moment ist kein Budget.“
Antwort: „Die aktuelle Budgetsituation ist verständlich. Gleichzeitig habe ich im vergangenen Jahr durch [konkrete Leistung, z.?B. Prozessoptimierung , Kundengewinnung oder Kosteneinsparungen] einen nachweisbaren Mehrwert geschaffen. Wäre es denkbar, diese Leistung durch eine erfolgsabhängige Komponente oder alternative Benefits, etwa zusätzliche Urlaubstage oder flexiblere Homeoffice-Regelungen, anzuerkennen?“
Warum das funktioniert: Du zeigst Verständnis, bleibst aber in der Gestaltung und nicht in der Defensive. Du bietest konkrete, auch kostenneutrale Alternativen an. Das nimmt den Druck vom Budget und schafft Spielraum für Wertschätzung.
2. „Lassen Sie uns nächstes Jahr sprechen.“
Antwort: „Gerne. Damit wir beide eine klare Orientierung haben, schlage ich vor, bereits jetzt konkrete Ziele zu definieren, an denen sich eine spätere Gehaltserhöhung messen lässt, etwa in Form von [z.?B. Projektabschlüssen, Umsatzsteigerungen, Verantwortungszuwachs]. Ich würde den Termin für ein Folgegespräch in sechs Monaten gleich mit eintragen.“
Warum das funktioniert: Du akzeptierst die Verschiebung, baust aber Verbindlichkeit und klare Messbarkeit ein. Das schützt dich vor dem klassischen Hinauszögern.
3. „Das würde ein Ungleichgewicht im Team schaffen.“
Antwort: „Teamgerechtigkeit ist mir wichtig, ebenso wie Diskretion. Gleichzeitig basiert mein Anliegen auf meiner individuellen Leistungsentwicklung und zusätzlichen Aufgaben, die ich übernommen habe, etwa [konkrete Beispiele]. Vielleicht finden wir eine leistungsbezogene Lösung, die meinem Beitrag gerecht wird, ohne Vergleiche im Team zu ziehen.“
Warum das funktioniert: Du nimmst den sozialen Druck raus, betonst deinen Einzelfall und zeigst, dass du auch sensible Themen mit Reife und Fairness behandelst.
Psychologie, die wirkt: Diese Antworten nutzen gezielt Elemente aus der Verhandlungspsychologie:
- Verständnis + Fakten statt Konfrontation
- Angebot von Optionen statt starrer Forderung
- Verbindlichkeit schaffen statt vager Hoffnung
So zeigst du nicht nur Verhandlungsgeschick, sondern auch unternehmerisches Denken, ein Signal, das bei wachstumsorientierte Führungskräften gut ankommt.
Der beste Zeitpunkt ist immer jetzt
Viele Unternehmen erwarten von ihren Mitarbeitern derzeit viel, oft mehr, als in normalen Zeiten üblich ist. Wer bleibt, füllt Lücken, hält Teams zusammen und übernimmt zusätzliche Aufgaben. Gerade deshalb ist es legitim, über die eigene Vergütung zu sprechen.
Eine Gehaltsverhandlung ist kein Risiko, sondern Teil einer professionellen Zusammenarbeit. Vorausgesetzt, sie ist gut vorbereitet, sachlich begründet und zum richtigen Zeitpunkt geführt.