„Lieber TikTok als Teammeeting?“ – diese Frage steht sinnbildlich für die Frustration vieler Führungskräfte, wenn es um junge Mitarbeitende geht. Die sitzen still im Büro, vermeiden Blickkontakt, antworten auf Mails mit Emojis – und lassen das verpflichtende Teamfrühstück einfach ausfallen. Für viele ist die Diagnose klar: sozial inkompetent, realitätsfern, unfähig zur echten Zusammenarbeit.

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Doch so einfach ist es nicht. Die Generation Z ist nicht sozial gestört, sie ist nur nicht sozialisiert wie die Generationen davor. Aufgewachsen in einer Welt, in der Kommunikation nicht mehr nur über Augenkontakt, sondern über Sprachnachricht läuft. In der Bindung nicht durch Büropräsenz entsteht, sondern durch geteilte Docs. Und in der man sein Gegenüber nicht riechen muss, um ein Projekt gemeinsam zum Erfolg zu führen.

Schweigen ist kein Desinteresse

Dass viele Berufseinsteiger als kühl, distanziert oder gar „asozial“ wahrgenommen werden, liegt weniger an mangelnder Empathie, sondern an einem völlig anderen Set an sozialen Codes. Die klassische Betriebsfamilie mit Geburtstagskuchen und Flurfunk interessiert sie herzlich wenig. Nähe bedeutet für sie nicht, gemeinsam auf dem Sommerfest zu stehen, sondern zu wissen, wann man einander in Ruhe lässt. Und Kommunikation ist keine Kunstform mehr, sondern ein Werkzeug – präzise, effizient, möglichst störungsfrei.

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Natürlich wirkt das auf Menschen, die mit Teambuilding-Seminaren, Kaffeekränzchen und Montagsrunden aufgewachsen sind, befremdlich. Wer Smalltalk als „wichtiges Schmiermittel der Zusammenarbeit“ gelernt hat, fühlt sich schnell vor den Kopf gestoßen, wenn die 24-Jährige im Team lieber tippt als spricht. Doch wer sagt eigentlich, dass Reden automatisch Nähe schafft? Vielleicht ist das kollektive Schweigen in einem Call nicht Ausdruck von Desinteresse, sondern schlicht von Konzentration. Vielleicht bedeutet das Vermeiden von Bürogeplänkel nicht soziale Kälte, sondern Respekt vor der Zeit anderer. Ich weiß vielleicht.

Wer Gen Z zumindest ansatzweise verstehen will, sollte sich TikTok anschauen: Ein Like sagt „find ich gut“, ein Repost „seh ich genauso“. Ein Emoji reicht als Antwort, manchmal auch nur ein Augenzucken in Form eines Duett-Videos. Für sie braucht Kommunikation keine langen Sätze, sondern klare Zeichen. Kein Gesäusel, kein Drumrum. Einfach kurz, direkt, eindeutig. Warum also in Meetings lange ausschweifen, wenn ein Emoji im Chat alles sagt?

Die Generation Z weiß sehr wohl, dass sie anders kommuniziert

Und dass genau das zum Problem werden kann. Laut einer aktuellen Fortune/Harris-Poll-Studie geben 65 % der jungen Arbeitnehmenden an, dass sie oft nicht so recht wissen, worüber sie mit Kollegen sprechen sollen – bei älteren Generationen sind es nur rund 25 %.

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Besonders betroffen: diejenigen, die erst die letzten Jahre ins Berufsleben gestartet sind. Smalltalk, spontane Gespräche, ein bisschen Kaffeeklatsch? Für viele aus der Gen Z ist das keine soziale Selbstverständlichkeit – eher bedeutet es Unsicherheit. Kein Wunder also, dass drei Viertel von ihnen sagen: Sie würden nur dann mit älteren Kollegen mehr reden, wenn diese den ersten Schritt machen.

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Soft Skills sind keine Einbahnstraße

Der Vorwurf der sozialen Unfähigkeit sagt oft mehr über die Beurteilenden als über die Beurteilten. Denn er basiert auf einem Sozialbegriff, der sich längst überlebt hat. Wer heute noch meint, dass soziale Kompetenz sich in Ellbogenfreiheit am Konferenztisch zeigt oder darin, auf jedem Sommerfest betrunken „ein Gesicht zu zeigen“, ist Teil des Problems. Was fehlt, ist nicht Nähe, sondern ein neues Verständnis von Miteinander.

Die Generation Z zeigt durchaus soziale Stärke – nur eben anders: Sie formuliert klar ihre Grenzen, benennt Belastungen, meidet Machtspielchen. Sie verweigert sich toxischen Arbeitskulturen, die Nähe mit 24/7 Verfügbarkeit verwechseln. Und sie fordert Kommunikation auf Augenhöhe, statt leere Höflichkeitsfloskeln. Das mag unbequem sein, ist aber ehrlicher als so manch nerviges Firmenevent.

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Lasst Gen Z in Ruhe arbeiten – oder lasst es gleich ganz

Der Reflex, die Generation Z mit Trainings, Workshops und Feedback-Coachings in alte Muster pressen zu wollen, ist nicht nur sinnlos – er ist vor allem respektlos. Als müsste man jungen Menschen erst beibringen, wie man „richtig“ kommuniziert. Dabei können sie das längst, nur nicht im Stil von gestern. Ihre sozialen Codes sind nicht schlechter, sondern funktionaler: direkter, präziser, schneller. Nur eben nicht kompatibel mit der Generation „Wir müssen mal wieder reden“.

Und genau deshalb gilt: Wer Gen Z einstellt, muss auch Gen Z aushalten. Wer nicht bereit ist, dieser neuen Form der Zusammenarbeit Raum zu geben – effizient, digital, oft textbasiert – der sollte sich den Bewerbungsprozess gleich sparen. Was nicht funktioniert: junge Leute mit digitalen Kniffen an Bord holen und ihnen dann analoge Rituale überstülpen, die nach Jahrgang 1965 riechen. Diese Generation lässt sich nicht zurückformatieren. Und sie wird sich nicht verstellen, nur um irgendwo reinzupassen, wo sie nie hingehört hat.

Ja, man kann aufeinander zugehen. Ja, es ist nicht jeder gleich. Aber wer genauer hinschaut, merkt schnell: Diese Kommunikation ist nicht weniger sozial, sie ist einfach weniger aufgeblasen. Kein Meeting-Marathon, kein Kaffeeklatsch-Overkill, kein Pseudo-Bonding. Dafür ein gut platzierter Satz im Chat, der alles klärt. Wer das nicht erkennt, verzichtet auf das, was Gen Z wirklich mitbringt: Fokus, Klarheit und einen verdammt frischen Blick aufs Arbeiten.

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