Offene Kommunikation sollte eigentlich selbstverständlich sein – ist sie aber nicht. In der Praxis ist es oft ein Eiertanz auf verbalen Minenfeldern. Wer im Job den Mund aufmacht, riskiert Missverständnisse, verletzte Egos oder gar den eigenen Ruf. Dabei wäre es so einfach: Sag doch einfach, was du willst!

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Warum ist es so schwer, im Job Klartext zu reden?

Einmal dem Kollegen so richtig den Marsch blasen – diese Vorstellung dürfte so tief verwurzelt sein wie der erste Streit am Lagerfeuer. Aber die Realität sieht anders aus. Wir reden drumherum, flüstern Konflikte weg oder hoffen, dass das Gegenüber von selbst merkt, was wir wollen. Spoiler: Tut es nicht.

Das Phänomen „Kommunikationsvermeidung“

Klartext reden heißt nicht, in jedes Gespräch mit der rhetorischen Abrissbirne zu hantieren. Aber viele Menschen scheuen selbst die sachlichste Konfrontation. Die Gründe:

  • Harmoniestreben: Niemand will als Quertreiber gelten
  • Hierarchien: Kritik nach oben? Lieber nicht auffallen
  • Unsicherheit: Wie sage ich es richtig, ohne jemandem auf den Schlips zu treten?
  • Konfliktangst: Diskussionen reiben einem den Schweiß auf die Stirn

Was steckt dahinter? Ein Blick auf die Psychologie

Wer Klartext redet, macht sich angreifbar. Viele von uns haben früh gelernt: „Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sag lieber gar nichts.“ Dieser gut gemeinte Ratschlag sitzt tief – und wirkt auch im Berufsleben noch nach.

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Psychologen sprechen von sozialer Erwünschtheit: Wir passen unsere Aussagen an, um sympathisch und angepasst zu wirken. Besonders in neuen Teams oder gegenüber Vorgesetzten wollen wir nicht anecken. Lieber lächeln und schweigen.

Zugleich leben wir in einer Feedback-Kultur, die nach außen zwar Transparenz predigt, intern aber oft auf Unklarheit und Machtspielchen basiert. „Du kannst mir jederzeit Feedback geben“ klingt super – bis man es dann auch tatsächlich tut. Dann wird’s plötzlich still oder unangenehm.

Wie sich Kommunikationsvermeidung im Job zeigt

  • Die Kollegin trägt zum dritten Mal in Folge deine Idee als ihre eigene vor. Du sagst nichts, sondern schluckst den Frust runter.
  • Dein Chef kommuniziert alles über drei Ecken. Klare Ansagen? Fehlanzeige. Also interpretierst du wild drauflos.
  • Ein Teammitglied liefert chronisch zu spät ab. Du passt dich an, übernimmst seine Aufgaben und ärgerst dich heimlich.

Klartext sieht anders aus. Aber niemand will der Spielverderber sein, der für schlechte Stimmung sorgt. Also bleibt vieles unausgesprochen und gärt still vor sich hin.

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Warum das für Mitarbeitende und Unternehmen so gefährlich ist

Unausgesprochene Konflikte sind wie stille Brandherde – sie schwelen unter der Oberfläche und vergiften auf Dauer das Betriebsklima. Sie führen zu Passiv-Aggressivität, Missverständnissen, Grüppchenbildung und im schlimmsten Fall zur inneren Kündigung. Wer nie sagen darf, was er denkt oder fühlt, wird nicht nur zynisch, sondern emotional taub. Das schlägt sich früher oder später auf Gesundheit, Engagement und Kreativität nieder.

Auch Unternehmen zahlen dafür einen hohen Preis. Teams ohne offene Kommunikation sind ineffizient, innovationsarm und fehleranfällig. Ideen versanden, Prozesse stocken, Konflikte werden ausgesessen statt gelöst. Kurz gesagt: Wer Klartext verhindert, verliert. Erst Menschen. Dann Potenzial. Und am Ende Leistung.

Fehlender Klartext in der digitalen Kommunikation

Eine internationale Studie von Atlassian und YouGov bringt es auf den Punkt: Über 10.000 Wissensarbeiter:innen in fünf Ländern zeigen, was vielen längst klar ist – unklare Kommunikation kostet richtig Zeit. Im Schnitt verlieren wir 40 Arbeitsstunden im Jahr, weil E-Mails oder Chatnachrichten missverständlich formuliert sind. Ganze 61 % der Befragten gaben an, regelmäßig in solche Kommunikationsfallen zu tappen.

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Und es wird noch bitterer: Der sogenannte „emotionale Aufwand“ – also das Interpretieren, Umformulieren und Zweifeln – schlägt mit bis zu 11,5 verlorenen Arbeitstagen pro Jahr zu Buche. Eine Woche Urlaub, einfach so wegkommuniziert.

Besonders toxisch wird es, wenn kurze Nachrichten ohne Kontext oder Tonfall ins Postfach flattern. Klassiker: „Wir müssen reden.“ Zack, Panik. Bin ich gefeuert? Habe ich etwas falsch gemacht? Los geht’s mit dem mentalen Kopfkino. 

Die Studie zeigt aber auch: Es geht anders. Teams, die bewusst emotionale Kommunikation zulassen – durch klare Sprache, Ich-Botschaften, Kontext und ja, sogar Emojis – sind bis zu drei Mal produktiver. Weniger Missverständnisse, weniger Drama, mehr Fokus.

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Denn eine kurze Chat-Nachricht wie „Passt“ ohne Emoji kann schnell wie ein Nackenschlag wirken. Mit einem „Daumen hoch“ wird daraus ein Zeichen von Zustimmung. Kleine Zeichen, große Wirkung. Wer bewusst formuliert, Tonlagen mitdenkt oder – Überraschung – mal kurz zum Hörer greift, spart sich und dem Team eine Menge Nerven.

Generationsunterschiede: Wer redet wie?

Auch das Alter spielt hierbei eine Rolle: Jüngere Generationen – besonders Gen Z und Millennials – fordern mehr Transparenz, direkte Kommunikation und flache Hierarchien. Ältere Generationen hingegen setzen eher auf formelle Zurückhaltung, diplomatische Umschreibungen und das berühmte „Zwischen den Zeilen lesen„. Das kann natürlich zu Reibungen führen oder zu einem spannenden Lernprozess auf beiden Seiten.

Die „Klartext-Checkliste“ – Wie klare Kommunikation gelingt

Klartext reden lässt sich üben – mit Vorbereitung, klarer Struktur und einem kleinen Spickzettel für alle Fälle:

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Vor dem Gespräch:

  • Ist das richtige Medium gewählt? (Face-to-face für komplexe Themen, digital für Updates)
  • Kenne ich den Kommunikationsstil meines Gegenübers?
  • Habe ich konkrete Beispiele statt vager Aussagen?
  • Ist mein Timing respektvoll gewählt?

Während des Gesprächs:

  • Verwende ich Ich-Botschaften statt Du-Vorwürfe?
  • Bleibe ich beim Verhalten, nicht bei der Person?
  • Biete ich konkrete Lösungsvorschläge an?
  • Lasse ich Raum für Rückfragen und Reaktionen?

Nach dem Gespräch:

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  • Haben wir gemeinsame nächste Schritte definiert?
  • Ist die Beziehungsebene intakt geblieben?
  • Wurde ein Follow-up-Termin vereinbart?

Und was, wenn der andere nicht hören will?

Manchmal ist Klartext reden wie ein Gespräch mit einer Zimmerpflanze: Du gibst dir Mühe, aber es kommt einfach nichts zurück. Wenn dein Gegenüber blockt oder auf Durchzug schaltet, hilft nur eins: Konsequenz. Denn wer ständig gegen Wände redet, verliert irgendwann die Lust am Austausch. Und vielleicht auch am Arbeitsumfeld – oder gar dem Job.

Klartext heißt nicht: Laut werden, anecken, alles zerreden. Klartext heißt – wie das Wort schon sagt – klar sein. Mit Respekt, Mut und Echtheit. Also: Sag, was du willst. Vielleicht verändert es nichts, aber vielleicht verändert es alles.

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