Manche Wahrheiten im Job sind so unbequem, dass sich niemand traut sie laut auszusprechen. Stattdessen schlucken wir sie runter, verstecken sie hinter einem professionellem Pokerface – und tun so, als wäre alles okay. Ist es aber nicht. Zeit, ein paar dieser Gedanken aus den Ecken der Büroflure zu holen.
1. Meetings? Sind doch Zeitverschwendung
Kaum jemand sagt es laut, aber fast jeder denkt es: Die Hälfte aller Meetings ist einfach überflüssig. Trotzdem klickt man pflichtbewusst auf „Teilnehmen“, nickt sich durch PowerPoint-Folien und fragt sich insgeheim: Warum bin ich eigentlich hier?
Doch einmal nicht dabei, und schon macht das Projekt ohne dich Karriere. Wer ein Meeting absagt, riskiert, nicht mehr „im Loop“ zu sein. Also sitzen wir brav die Zeit ab, verschicken nebenbei Mails – und lassen die wirklich produktive Arbeit für später liegen.
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2. Hilfe, ich bin am Limit
Die Deadline ist wie immer zu knapp, der Posteingang voll, die Nerven dünn – aber nach außen tun wir einen auf souverän. Denn wer im Team als Erster das Handtuch wirft, wird schnell als Low Performer taxiert.
Dabei wäre es nur logisch, zu sagen: Es reicht. Nur: Leistungsgrenzen sind im modernen Arbeitsleben unsexy. Überstunden hingegen gelten immer noch als stilles Statussymbol.
3. Ich verstehe das nicht
Jeder kennt diesen Moment: Ein neues Projekt wird vorgestellt, Buzzwords hallen durch den Raum und man hat keine blassen Schimmer, worum es eigentlich geht. Aber: Nicken wirkt professionell. Fragen? Lieber später googeln.
Transparenz bleibt oft ein Wunschtraum. Denn niemand will zugeben, dass er oder sie gerade gedanklich nicht mitkommt. Also bluffen wir uns durch den Arbeitsalltag. Und hoffen, dass das Excel irgendwann Klarheit bringt oder der Kollege einem zwischen den Sätzen auf die Sprünge hilft.
Schon gewusst: Viele Mitarbeitende behalten im Arbeitsalltag ihre Meinung für sich – aus Angst vor Konsequenzen, Ablehnung oder einem schlechten Image. Laut einer Meta-Analyse ist „Angst, negativ beurteilt oder gar als Störenfried abgestempelt zu werden“, einer der Hauptgründe dafür, warum Beschäftigte Probleme, Ideen oder Kritik nicht ansprechen – selbst wenn sie hilfreich wären.
4. „Flache Hierarchien“ – alles nur Schein
Wir duzen uns. Wir nennen uns „Kollegen auf Augenhöhe“. Und doch entscheidet am Ende der Chef. In vielen Firmen sind die Machtstrukturen so subtil wie zähflüssig und selten so offen, wie es die Kulturfolie verspricht.
Wer im Namen der Offenheit kritische Fragen stellt, lernt schnell, wie begrenzt die Augenhöhe im Joballtag wirklich ist. Flache Hierarchien, alles schön und gut – bis Entscheidungen getroffen werden, ohne Rücksprache mit den „flachen“ Teilen der Organisation.
5. Remote heißt nicht „immer erreichbar“
Das Homeoffice hat vieles verändert, leider auch unsere Vorstellung von Verfügbarkeit. Nur weil jemand von zuhause arbeitet, heißt das nicht, dass er jederzeit springen kann. Und doch empfinden viele es genau so.
Der grüne Punkt im Chat wird zum Überwachungsinstrument. Wer zu lange nicht antwortet, ist bestimmt mal schnell beim Friseur oder schaut die nächste Netflix-Doku. Dabei bräuchte es gerade im Remote-Modus mehr Vertrauen – und nicht die unausgesprochene Erwartung, dass „online“ gleichbedeutend ist mit „on demand“.
6. Feedback? Kommt doch eh nur von oben
Alle fordern eine offene Feedbackkultur. Aber wehe, das Feedback geht in Richtung Führung. Dann wird aus Offenheit schnell Verteidigung. Denn echte Fehlerkultur ist unbequem, besonders für jene, die meinen, keine machen zu dürfen.
Was bleibt, ist Feedback von oben. Gespickt mit Buzzwords wie „Entwicklungspotenzial“ und „neue Impulse“. Unten wird reflektiert, oben bleibt alles wie es ist.
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7. Ich habe längst innerlich gekündigt
Viele machen inzwischen nur noch das, was laut Arbeitsvertrag getan werden soll – ohne große Begeisterung versteht sich. Man nennt es „Quiet Quitting“. Ein stiller Rückzug bei laufendem Gehalt.
Gründe gibt es viele: miese Führung, fehlende Wertschätzung, endlose Überstunden. Aber aussprechen? Das traut sich kaum jemand. Lieber spielt man weiter motiviert, bis der nächste kündigt.
Warum wir das alles nicht „laut“ sagen?
Weil Ehrlichkeit im Job eine große Portion Mut erfordert. Weil man dazugehören will – und nicht negativ auffallen. Weil es einfacher ist, mitzumachen, statt zu konfrontieren. Aber vielleicht wäre genau das der nötige Befreiungsschlag: ein Arbeitsleben, in dem man sagen darf, was Phase ist – ohne Angst vor möglichen Konsequenzen.
Nachgefragt: Welcher Satz brennt dir im Job auf der Zunge – doch du schluckst ihn immer runter?