Führungskräfte wissen: Nicht nur Zahlen, Daten und Fakten bestimmen den Erfolg einer Strategie, sondern auch die Atmosphäre im Meeting. Eine neue Studie zeigt, wie subtil sich Tonfall, Körpersprache und Stimmung auf die Entscheidungen von Managementteams auswirken – und damit die Ausrichtung ganzer Unternehmen beeinflussen. Für Manager bedeutet das, neben Inhalten auch die Dynamik im Team aktiv zu steuern.
Strategie ist mehr als Zahlen, Daten und Fakten – sie ist Gefühl
In der Führungsebene wird Strategie oft als rationaler Prozess gesehen: Daten werden analysiert, Alternativen abgewogen, und schließlich trifft das Management eine fundierte Entscheidung. Doch eine neue Studie, die im Academy of Management Journal veröffentlicht wurde, zeigt, dass strategische Entscheidungen im Management weit stärker von der Atmosphäre der Teammitglieder im Raum beeinflusst werden, als bisher angenommen.
Es sind nicht nur Argumente und Fakten, die die Richtung vorgeben – oft bestimmt die Stimmung im Team, welche Ideen Gehör finden und welche Entscheidungen letztlich getroffen werden. Paula Jarzabkowski, Professorin für Strategisches Management an der Bayes Business School, fasst es treffend zusammen:
„Strategie entsteht nicht im Vakuum. Die Stimmung der Menschen während der Entwicklung prägt die Entscheidungen – die Atmosphäre im Raum beeinflusst die Strategie.“
Diese Erkenntnis, die auf intensiver Forschung mit Führungskräften und Beratern basiert, fordert ein Umdenken in der Führungskultur: Die emotionale Dynamik darf nicht unterschätzt werden.
Vier Atmosphären und ihre Wirkung auf Managemententscheidungen
Im Rahmen der Studie begleiteten die Forscher über einen Zeitraum von 18 Monaten ein strategisches Projektteam einer elektronischen Bank in Australien. Das Team, bestehend aus Managern und externen Beratern, evaluierte ein neues KI-gestütztes Finanzprodukt. Durch die Analyse von Videoaufzeichnungen, Workshops, Interviews und direkter Beobachtung identifizierte das Forschungsteam vier typische Atmosphären, die den Verlauf und das Ergebnis von strategischen Diskussionen beeinflussten.
Nachdenkliche Atmosphäre: In einer ruhigen, reflektierten Stimmung agieren Manager vorsichtig. Sie wägen ihre Optionen bedächtig ab, analysieren Risiken gründlicher und sprechen weniger impulsiv. Dies führt zu fundierten Entscheidungen, die auch langfristig tragfähig sind. Allerdings kann diese Atmosphäre auch Innovationsprozesse verlangsamen, da zu viel Vorsicht neue Ideen eher ausbremst.
Neugierige Atmosphäre: In einer offenen, explorativen Atmosphäre blüht Kreativität auf. Führungskräfte und Berater fühlen sich ermutigt, neue Ansätze zu erkunden und unkonventionelle Wege zu gehen. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, ist höher – innovativen Lösungen entstehen häufiger. Hier zeigt sich, wie wertvoll eine positive, ermutigende Dynamik für den Erfolg eines Teams sein kann.
Angespannte Atmosphäre: Eine von Spannungen oder Konflikten geprägte Stimmung blockiert den Entscheidungsprozess. Manager verteidigen ihre Standpunkte stärker, die Diskussion verhärtet sich, und es fällt schwer, einen Konsens zu finden. In solchen Situationen geraten Teams leicht in eine Sackgasse, aus der es schwer ist, herauszukommen – Meetings müssen gegebenenfalls erneut abgehalten werden.
Veränderliche Atmosphäre: Die Studie verdeutlicht auch, wie dynamisch die Atmosphäre in Führungsteams sein kann. Selbst kleine, oft unbewusste Veränderungen – ein veränderter Tonfall, eine abwehrende Geste – können die Stimmung im Raum kippen. Diese Dynamik kann Diskussionen sowohl ins Positive lenken als auch zu Konfliktsituationen führen. Führungskräfte müssen diese subtile Dynamik erkennen und aktiv steuern, um den Entscheidungsprozess auf Kurs zu halten.
Die Macht der Körpersprache und Emotionen
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass unbewusste Signale, wie Tonfall, emotionale Interaktionen und Körpersprache, die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in Führungsteams stark beeinflussen. Matthias Wenzel, Professor für Organisationsforschung an der Leuphana Universität Lüneburg, bringt es auf den Punkt:
„Wir gehen oft davon aus, dass bei Managemententscheidungen ein Konsens oder ein gemeinsames Verständnis herrscht. Doch unsere Forschung zeigt, dass die Atmosphäre im Raum das Gemeinsame ist, das alle beeinflusst.“
Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Rolle von Führungskräften: Es reicht nicht, sich nur auf Zahlen, Daten und Fakten zu stützen – Manager müssen auch lernen, die emotionale Stimmung im Raum zu spüren und gezielt zu lenken. Oft entscheidet die Körpersprache eines Teilnehmers darüber, ob eine Idee im Team ankommt oder abgelehnt wird. Ein sachlich vorgetragener Vorschlag kann in einer angespannten Atmosphäre auf Widerstand stoßen, während eine ähnliche Idee in einer offenen, positiven Stimmung begeistert aufgenommen wird.
Was bedeutet das für Führungskräfte?
Für Manager bedeutet das: Wer strategische Entscheidungen in seinem Team vorantreiben will, muss nicht nur inhaltlich stark sein, sondern auch die Atmosphäre im Auge behalten. Führungskräfte können gezielt auf die Dynamik in Meetings Einfluss nehmen und so die Grundlage für bessere Entscheidungen schaffen.
1. Bewusste Gestaltung der Atmosphäre
Achte darauf, wie die Stimmung in Meetings ist. Wenn die Atmosphäre zu angespannt wird, kann eine kurze Pause (mal 10 Minuten Luft schnappen) oder ein Perspektivwechsel helfen, die Dynamik wieder in positive Bahnen zu lenken. Auch eine Brise Humor oder wertschätzende Kommentare können Spannungen lösen und die Atmosphäre auflockern.
2. Emotionale Intelligenz fördern
Manager sollten ihre emotionale Intelligenz trainieren und lernen, subtile Signale wie Körperhaltung oder Tonfall zu deuten. Wer versteht, wie sich die Atmosphäre im Raum verändert, kann schneller darauf reagieren und Diskussionen wieder auf Kurs bringen. Emotionale Intelligenz ist eine der Schlüsselkompetenzen, um strategische Diskussionen erfolgreich zu moderieren.
3. Räume für Reflexion schaffen
In der Hektik des Arbeitsalltags bleibt oft wenig Zeit, um Entscheidungen bis ins kleinste Detail zu durchzudenken. Führungskräfte sollten bewusst Nachdenk-Phasen in Meetings einplanen, um dem Team Raum für gründliche Überlegungen zu geben. In einer nachdenklichen Atmosphäre werden Risiken sorgfältiger abgewogen und Entscheidungen langfristig tragfähiger.
4. Kreativität durch Offenheit fördern
Eine neugierige Atmosphäre ist der Nährboden für Innovationen. Manager können dies unterstützen, indem sie ihre Teams ermutigen, auch unkonventionelle Ideen vorzubringen. Offene Fragen und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, schaffen eine Kultur, in der kreative Lösungen gedeihen können. Denn: Erfolg erfordert Mut.
Atmosphäre lenkt Strategie – mit Folgen?
Die Studie verdeutlicht eindrucksvoll, dass strategische Entscheidungen im Management nicht allein durch Zahlen und Fakten bestimmt werden, sondern stark von der Atmosphäre im Raum abhängen. Führungskräfte sollten daher lernen, die Stimmung aktiv zu steuern. Ob nachdenklich, neugierig oder angespannt – die Atmosphäre beeinflusst, wie offen Ideen diskutiert werden, wie flexibel Teams auf neue Vorschläge reagieren und welche Richtung letztlich eingeschlagen wird.
Doch dabei stellt sich folgende Frage: Wenn Führungskräfte die Dynamik bewusst lenken, wie „richtig“ oder objektiv sind die getroffenen Entscheidungen noch? Die Grenze zwischen positiver Einflussnahme und unbewusster Manipulation verschwimmt.
Wenn die Stimmung bei Besprechungen gezielt in eine Richtung gelenkt wird, werden bestimmte Ideen möglichweise bevorzugt und andere unterdrückt, selbst wenn diese vielleicht die besseren Lösungen bieten würden.
Entscheidungen werden so nicht auf der rein sachlichen Ebene getroffen, sondern durch subtile Steuerung beeinflusst – was zwangsläufig die Vielfalt an Optionen einschränkt und den Entscheidungsprozess in eine gewünschte Richtung lenkt. Führungskräfte müssen sich daher der Verantwortung bewusst sein, die sie tragen, wenn sie die Atmosphäre beeinflussen.