„Ganz ehrlich – das könnte ich besser.“ Ob im Meeting, beim Blick auf die Roadmap oder nach einer schrägen Entscheidung: Der Gedanke, den Job der eigenen Chefin oder des eigenen Chefs besser machen zu können, ist erstaunlich verbreitet. Eine internationale Befragung zeigt, wie tief dieses Gefühl sitzt – und warum es so zäh ist.

Anzeige

Wie groß ist das Selbstüberschätzungs-Phänomen?

In der Studie „Global State of Managers“ von The Workforce Institute at Kronos und Future Workplace wurden zwischen dem 31. Juli und 9. August 2018 insgesamt 3.000 Beschäftigte in acht Ländern befragt: Indien, Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Mexiko, Großbritannien und die USA. Das Ergebnis liest sich wie ein kollektiver Schulterklopfer: 73 % der Millennials und 70 % der Gen Z sind überzeugt, sie könnten den Job ihres Bosses besser erledigen. 

Gute Noten, große Zweifel

Spannend ist die Gleichzeitigkeit aus Anerkennung und Überlegenheitsgefühl. Die Befragten bewerteten ihre Führungskräfte in fünf Bereichen: Kommunikation, Kompetenz, Empowerment, Förderung der beruflichen Entwicklung und Unterstützung. Unterm Strich fällt die Bilanz positiv aus: 26 % vergaben ein A, 37 % ein B, 25 % ein C; nur 4 % verteilten ein glattes F.

Schon gewusst? Die Studie nutzt US-Buchstabennoten. Übersetzt in deutsche Schulnoten heißt das ungefähr: A entspricht einer 1 („sehr gut“), B einer 2 („gut“), C einer 3 („befriedigend“), D einer 4 („ausreichend“), F einer 5–6 („mangelhaft/ungenügend“). In Deutschland ist 1 die beste, 6 die schlechteste Note. Die Zuordnung ist eine Faustregel – sie hilft, die Wertung einzuordnen. Und trotzdem: Parallel zur wohlwollenden Bewertung bleibt die Überzeugung, selbst souveräner führen zu können. Paradox, aber konsistent.

Anzeige

Wo Chefs aus Sicht der Mitarbeiter schwächeln

Die Studie hat aber Risse im Lack: 37 % der Beschäftigten sehen ihre Führungskraft beim Vorleben von Work-Life-Balance im Minus. Ebenfalls 37 % wünschen sich besseres Coaching für die Leistungsentwicklung. 33 % vermissen Klarheit im Umgang mit Leistungsproblemen, weitere 33 % halten die Kommunikation insgesamt für ausbaufähig. Das sind typische Reibungsflächen im Alltag: zu späte Rückmeldungen, unklare Prioritäten, das berühmte „Mach mal“ ohne Kontext.

Der internationale Blick bestätigt das Muster: In Indien vergeben acht von zehn Beschäftigten A- oder B-Noten und dennoch sagen 95 %, sie könnten den Job ihrer Vorgesetzten zumindest manchmal besser machen. In Mexiko teilen 87 % diese Ansicht, in Frankreich 71 %. Am zurückhaltendsten sind Kanada (61 %) und die USA (59 %) – immer noch Mehrheiten. Über Kulturgrenzen hinweg zeigt man zwar Respekt für die Chefrolle, zugleich ist man aber der Meinung, es besser hinzubekommen

Kognitive Verzerrung: Viele überschätzen ihre Fähigkeiten

Warum hält sich diese Annahme bei Mitarbeitern so hartnäckig? Kognitive Verzerrung liefert eine nüchterne Antwort. Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten besonders dann, wenn sie eine Rolle nur von außen betrachten. Aus der zweiten Reihe wirkt Führung verblüffend simpel:

Anzeige
  • Entscheidungen treffen,
  • Aufgaben delegieren,
  • Feedback geben.

Was aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, sind Interessenkonflikte, Risikoabwägungen und die Verantwortung, manchmal schwierige Entscheidungen vertreten und durchsetzen zu müssen. Unser Kopf erzählt uns trotzdem eine bequemere Geschichte: In meiner Version hätte ich als Führungskraft schneller entschieden, smarter verhandelt, empathischer kommuniziert. Wir sind die Hauptfigur, also schneiden wir im Skript besser ab.

Dabei ist das „Ich könnte das besser“-Gefühl nicht nur Eitelkeit, sondern eine Art psychologischer Airbag. Es schützt das eigene Kompetenzbild, manchmal treibt es sogar an: Wer sich zutraut, mehr zu können, packt an, übernimmt Verantwortung, bringt Ideen ein. Wackelig wird es, wenn aus Selbstvertrauen Zynismus wird. Dann verwandelt sich Energie in Widerstand: Kooperation stockt, Lernbereitschaft sinkt, Chancen ziehen vorbei. Wer nur abwertet, lernt nicht, was Führung tatsächlich verlangt.

Bist du wirklich besser als dein Boss?

Vielleicht. Die wichtigere Frage lautet: Willst du die ganze Führungsrolle – mit Kompromissen, Konflikten und Konsequenzen? Wer sein „Ich könnte das besser“ mit Neugier, Fakten und Eigenverantwortung verbindet, wird tatsächlich besser. Für sich, fürs Team und manchmal sogar für den Boss.

Anzeige
Anzeige
Hinweis in eigener Sache:  Du fühlst dich im Job frustriert und brauchst einen klaren Plan für deinen Neustart? In unserem Guide „Die Exit-Strategie“ erfährst du, wie du deinen Absprung sicher meisterst – von der Kündigung bis zur Jobsuche. Hier geht’s zum Guide!
Anzeige