Wer heute den Lebenslauf von Millennials oder Gen Z durchforstet, bekommt schnell Reise-Fieber. Drei Monate Start-up, ein halbes Jahr Agentur, dann der Abflug ins nächste Projekt. Mobil, flexibel, rastlos. Willkommen im Zeitalter der Jobnomaden. Doch wie oft ist zu oft? Wann wird Beweglichkeit zur beruflichen Belastung?

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Was ist ein Jobnomade?

Jobnomaden sind Menschen, die ihren Arbeitgeber häufiger wechseln als andere ihre Zahnbürste. Statt zehn Jahre beim Konzern zu versauern, hüpfen sie von Station zu Station – auf der ständigen Suche nach dem „Perfect Fit“. Der Begriff lehnt sich ans Nomadentum an: Kein fester Ort, kein Bleiben. Nur ist die Steppe heute der Bewerbermarkt, und das Pferd ein LinkedIn-Profil. Ihre Route führt quer durch Branchen, Unternehmensgrößen und Kontinente. Der nächste Karriereschritt ist immer nur eine Kündigungsfrist entfernt.

Doch der Begriff ist nicht nur eine hübsche Metapher – er beschreibt eine Realität, die sich tief ins Selbstverständnis einer ganzen Generation eingepflanzt hat: Arbeit ist heute keine feste Station mehr, sondern ein Zwischenhalt. Der Job als Teil der Identität? Ja, aber nur bis zum nächsten Update.

Warum diese Rastlosigkeit?

Die Gründe für das ständige Weiterziehen sind so vielfältig wie die Jobtitel, die sich moderne Nomaden auf Visitenkarten drucken lassen. Viele der klassischen Bindungskräfte – Sicherheit, Loyalität, Aufstiegschancen – sind in den letzten Jahren erodiert. Befristete Arbeitsverträge, flache Hierarchien und das Versprechen auf Work-Life-Balance machen Wechsel attraktiver als das Durchhalten.

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Zugleich hat sich die Beziehung zur Arbeit fundamental verändert: Die Frage ist nicht mehr „Wo kann ich bleiben?“, sondern „Was kann ich hier für mich mitnehmen?“ Berufliche Stationen werden wie Kurse im Fitnessstudio betrachtet – man bucht, probiert, kündigt. Und weiter.

Die Erzählung von der einen Karriere, der einen Firma, dem einen Aufstieg ist passé. Stattdessen regieren Selbstoptimierung, Neugier und ein latenter Reizüberfluss. Wer heute Karriere macht, soll alles können – aber sich bitte nicht festlegen.

Und was sagt HR dazu?

Offiziell? „Vielfältige Erfahrungen bereichern jedes Team.“
Inoffiziell? „Hoffentlich bleibt der länger als zwölf Monate.“

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Recruiter sehen viele Lebensläufe – und sie lesen zwischen den Zeilen. Zu viele kurze Stationen, zu wenig Stringenz, zu viel „Ich war dann mal weg“? Das macht misstrauisch. Besonders dann, wenn keine klare Story erkennbar ist. Klar, Branchenwechsel und Jobhopping sind längst entstigmatisiert – aber sie brauchen Kontext. Wer nicht erklären kann, warum er so oft gegangen ist, muss sich nicht wundern, wenn Türen zu bleiben.

Denn eines gilt noch immer: Kontinuität ist ein Signal. Sie steht für Verlässlichkeit, Integrationsfähigkeit, Teamgeist. Und die fehlen in Zeiten hoher Fluktuation oft schmerzhaft.

Zwischen Neugier und Beliebigkeit: Wo liegt die Grenze?

Was ist also Absicht, und was ist Flucht? Ein Jobwechsel, weil ein Projekt endet oder ein Unternehmen in die Krise rutscht – nachvollziehbar. Ein Wechsel, weil man sich weiterentwickeln will – ebenfalls. Aber wer jedes Mal „mehr Verantwortung“, „neue Herausforderungen“ oder „toxisches Team“ ins Feld führt, wirkt irgendwann wie jemand, der lieber geht, als sich Dingen zu stellen.

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Ein Lebenslauf mit vielen Stationen kann ein Ausweis von Erfahrung sein – oder von Orientierungslosigkeit. Es kommt darauf an, wie er erzählt wird. Die Grenze verläuft dort, wo Wechsel nicht mehr als mutige Schritte, sondern als Ausweichmanöver erscheinen. Wenn der Bewerber gar nicht weiß, was er eigentlich sucht – außer Veränderung.

Und was heißt das für die eigene Karriere?

Niemand muss heute 20 Jahre beim gleichen Arbeitgeber bleiben, um ernst genommen zu werden und als Standhaft zu gelten. Im Gegenteil: Wer nie gewechselt hat, wirkt eher wie jemand, der es sich bequem gemacht hat. Aber: Zu viele Wechsel, zu wenig Tiefgang – das ist das andere Extrem.

Wer seine Karriere glaubwürdig gestalten will, sollte den roten Faden nicht verlieren. Wechsel sollten erklärbar, sinnvoll und nachvollziehbar sein. Sie brauchen ein Ziel. Eine Story. Und manchmal auch: eine Pause. Denn wer immer nur rennt, sieht irgendwann nicht mehr, wo er hinläuft.

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Also: Wechsel, wenn du wachsen willst. Bleib, wenn du etwas aufbauen kannst. Und vor allem: Kenne deinen Kurs – sonst wirst du vom Wind der Möglichkeiten einfach weitergetrieben.

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