Hast du dich gefragt, warum so viele ihren Job hinterfragen? Jeder Dritte schweigt sich im Büro aus. Jeder Vierte klickt sich lustlos durch den Tag. Und vier von zehn denken aktiv über einen Jobwechsel nach. Was klingt wie ein schleichender Kulturwandel, ist längst ein strukturelles Problem: Die Arbeitsmotivation in Deutschland ist auf einem Tiefstand – international liegt sie deutlich unter dem Durchschnitt.
Besonders brisant: Laut der aktuellen EY-Studie „Work Reimagined“ hat sich eine Dynamik etabliert, in der sich Unzufriedenheit, Wechselbereitschaft und Führungsschwäche gegenseitig verstärken.
Was Zahlen über die Stimmung im Job verraten
Nur 48 Prozent der deutschen Angestellten geben an, aktuell ihr Bestes zu geben. In Großbritannien sind es ähnlich wenig (47 Prozent), in Japan dramatisch niedrige 19 Prozent. Doch: Länder wie Indien (67 Prozent) oder die USA (57 Prozent) demonstrieren, dass es auch anders geht – trotz oft härterer Arbeitsbedingungen. Warum also kippt hierzulande die Stimmung?
Ein Blick in die Studie zeigt: Die innere Kündigung betrifft vor allem Jüngere. Während bei den über 60-Jährigen (Baby Boomer) noch 63 Prozent Motivation verspüren, sind es bei der Gen Z nur noch 43 Prozent. Eben jene Generation, die Unternehmen händeringend anwerben wollen – und die sich gleichzeitig am ehesten entzieht.
Wenn Loyalität zur Ausnahme wird
Nur 44 Prozent der Beschäftigten würden ihren Arbeitgeber weiterempfehlen. Und nur in zwei weiteren Ländern ist die Wechselbereitschaft höher als in Deutschland: 42 Prozent der Befragten überlegen konkret, das Unternehmen zu verlassen – in Frankreich sind es 43 Prozent, in Indien 50 Prozent. Männer zeigen sich dabei noch unzufriedener als Frauen.
Die Gründe? Sie sind ebenso vielfältig wie tiefgreifend:
- Homeoffice-Möglichkeiten (50 Prozent)
- Karrierechancen und Flexibilität (je 49 Prozent)
- Führungsverhalten (49 Prozent)
- Gehalt (47 Prozent)
Diese Mischung ergibt einen gefährlichen Cocktail aus Kontrollverlust, Orientierungslosigkeit und Frust – für Mitarbeitende ebenso wie für Unternehmen.
Homeoffice – Fluch, Segen oder unlösbare Aufgabe?
Noch immer arbeiten 21 Prozent der Deutschen vollständig von zuhause, weitere 36 Prozent zumindest überwiegend. Was als Errungenschaft der Pandemie gilt, bringt längst neue Spannungen mit sich:
- 59 Prozent empfinden das Pflegen von sozialen Kontakten im Homeoffice als schwierig
- 58 Prozent kämpfen mit der Trennung zwischen Beruf und Privatleben
- 57 Prozent erleben Teamarbeit auf Distanz als herausfordernd
Und trotzdem: 74 Prozent sehen das soziale Miteinander im Büro als wichtigen Faktor, 72 Prozent halten die Zusammenarbeit im Büro für besser. Das ergibt eine paradoxe Erwartungshaltung: Nähe ja – aber bitte nicht fünf Tage die Woche.
Eine starre Rückkehr ins Büro sei aber kontraproduktiv. Unternehmen sollten vielmehr auf situationsabhängige Lösungen setzen. Wer pauschale Präsenzpflicht verlangt, riskiert den Verlust von Talenten. Doch auch Vertrauen ist ein Problem – wenn Führungskräfte ihre Mitarbeitenden im Homeoffice für weniger leistungsfähig halten, entsteht laut Taapken die sogenannte Produktivitäts-Paranoia. Und die kostet.
Führung in der Vertrauenskrise
Der wohl am meisten unterschätzte Hebel im Ringen um Motivation: gute Führung. Oder vielmehr: ihr Mangel. Denn hinter Zahlen zur Wechselbereitschaft steckt oft die Enttäuschung über die eigene Führungskraft. EY identifiziert schlechte Kommunikation, mangelnde Anerkennung, toxische Firmenkulturen und Überlastung als zentrale Treiber der Demotivation. Führung wird zum Risiko – und zum Schlüssel.
Unternehmen, die nicht aufrichtig an den Ursachen arbeiten, zahlen am Ende mit erhöhter Fluktuation, Recruitingkosten und Reputationsverlust. Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht – und Führungskräfte, die darauf nicht reagieren, verlieren.
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Der neue Deal: Was Unternehmen jetzt verstehen müssen
Die EY-Zahlen sind ein Warnsignal. Nicht nur für HR-Abteilungen, sondern für das Selbstverständnis deutscher Unternehmen. Sie zeigen, dass die alte Formel „Sicherheit plus Gehalt ergibt Loyalität“ nicht mehr trägt. Wer heute motivierte Mitarbeitende will, muss mehr bieten:
- Vertrauensvolle Führung statt Micromanagement
- Flexible Arbeitsmodelle mit echten Wahlmöglichkeiten
- Klare Entwicklungsperspektiven statt Hinhaltetaktik
- Sinnhafte Arbeit in einer Kultur, die Wertschätzung auch wirklich lebt
Der Wettbewerb um Talente ist längst ein Wettbewerb um Identifikation.